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So viele Wechsel in der Chefetage wie 2018 gab es noch nie

Scheidet ein Vorstandschef in „gegenseitigem Einvernehmen“ aus, so wie vor einigen Wochen Klaus Deller bei Knorr-Bremse, dann signalisiert dies meistens auch Nicht-Eingeweihten, dass es alles andere als einvernehmlich zugegangen ist.

Tatsächlich musste Deller gehen, weil es zwischen ihm und den übrigen Vorstandskollegen offenbar atmosphärische Störungen, bis hin zu unüberbrückbaren Differenzen gab. Dellers eigenmächtiger Führungsstil stieß wohl auf immer weniger Gegenliebe, so dass schließlich der mächtige 78 Jahre alte Mehrheitsaktionär Heinz Hermann Thiele seinen engen Vertrauten Deller fallen ließ.

Kniffliger erschien die Situation zunächst bei Volkswagen. Der Autobauer „erwägt eine Weiterentwicklung der Führungsstruktur für den Konzern, die auch mit personellen Veränderungen im Vorstand“ verbunden sei. Vorstandschef Matthias Müller, so hieß es in der offiziellen Erklärung, habe dabei „seine grundsätzliche Bereitschaft signalisiert, an den Veränderungen mitzuwirken“.

Gemeint war seine eigene Veränderung, nämlich die sofortige Ablösung. Die Formulierung der Wolfsburger Presseabteilung hätte der verstorbene Regisseur und Schauspieler Vicco von Bülow, alias Loriot, wohl kaum besser hinbekommen.

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Beide Personalien zeigen, wie schwierig es ist, planmäßige und freiwillige Wechsel eines Vorsitzenden von erzwungenen zu unterscheiden. Auch John Cryan bei der Deutschen Bank und Heinrich Hiesinger bei Thyssen-Krupp gingen alles andere als freiwillig, auch wenn die Konzernsprecher genau dies glauben machen wollten.

Lange Zeit galt im Aufschwung in Deutschland die Devise: An unserem Spitzenpersonal halten wir fest. Doch diese Schönwetterregel, so zeigen es etliche spektakuläre Neubesetzungen im Spitzenmanagement, hat in Zeiten der heraufziehenden Konjunkturkrise ausgedient.

Mit 32 neu besetzten Vorsitzenden-Posten in 155 untersuchten deutschen Unternehmen standen im abgelaufenen Jahr besonders viele Wechsel an. Im Jahr davor waren es 24. Dadurch stieg die Quote auf 20,6 Prozent, das ist Rekord.

Gut zwei von drei Wechsel (69 Prozent) waren geplant, sechs Chefs schieden auf Grund von Fusionen aus – beispielsweise Drillisch-Chef Vlasios Choulidis, weil Ralph Dommermuth nach der Übernahme durch United Internet den Vorsitz übernahm – und mehr als jeder vierte Posten wurde unfreiwillig geräumt. Das zeigen Analysen der Managementberatung Strategy & .

Das globale Team praxisorientierter Strategieexperten hat weltweit die 2500 größten börsennotierten Unternehmen analysiert. Global räumten im abgelaufenen Jahr 17,5 Prozent der CEOs ihren Posten – so viele wie noch nie seit der ersten vergleichbaren Analyse vor zwei Jahrzehnten.

„In Deutschland sind es besonders krisengeplagte Branchen wie die Finanz-, Stahl- und Automobilindustrie, die die Wechselquote in die Höhe treiben“, stellt Strategy & -Europachef Peter Gassmann fest. Die zunehmend unsicheren Zeiten angesichts des Austritts Großbritanniens aus der Europäischen Union und den Spannungen auf dem Weltmarkt durch die vielen Zölle und den Handelskonflikt spiegeln sich im häufigeren Personalaustausch wider. „Der CEO-Stuhl wird heißer“, urteilt Gassmann.

Immer mehr neue Chefs sind Externe

Hinzu kommt: Neue und unbelastete Manger sollen Skandale aufarbeiten und die Konzerne fit für die digitale Zukunft machen. Dazu zählen Herbert Diess bei Volkswagen und Christian Sewing, der die Deutsche Bank nicht nur aus der Finanzkrise, sondern auch von ihren veralteten Computerprogrammen befreien muss.

Die meisten neuen Chefs kommen zwar immer noch aus dem eigenen Unternehmen, so wie Martin Brudermüller bei BASF, Markus Steilemann bei Covestro und Guido Kerkhoff bei Thyssen-Krupp. Doch immer mehr stoßen von außen zu: typischerweise mit reichlich Auslandserfahrung, wie etwa Max Conce.

Der ehemalige Chef des britischen Staubsaugerkonzerns Dyson wechselte im Juni vergangenen Jahres auf den Chefsessel bei der Mediengesellschaft Pro Sieben Sat1. 38 Prozent der deutschen CEOs nahmen ihr neues Amt als Unternehmens-Outsider auf, während dies weltweit nur bei 17 Prozent der Fall war. Die Devise „think global“ verinnerlichen deutsche Unternehmen immer stärker.

Die vielen Vorstandswechsel wären eine ideale Gelegenheit für mehr Gleichberechtigung. Eigentlich. Doch wie schon in den drei Jahren zuvor wurde auch 2018 nur eine Frau in den untersuchten 300 Unternehmen im deutschsprachigen Raum als CEO benannt: Antje Leminsky.

Die Wirtschaftswissenschaftlerin folgte Wolfgang Grenke, der den Leasingspezialist für Bürogeräte gründete und 40 Jahre lang geleitet hat. Immerhin, mit Britta Fünfstück rückte beim Hersteller von Medizin- und Pflegeprodukten, Paul Hartmann, in diesem Jahr eine weitere Frau ganz nach oben.

Als wesentliche Ursache für so wenige Frauen in Deutschland gilt die mangelnde Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Hinzu kommt die „Teilzeit-Falle“. Nach einer Studie der deutsch-schwedischen Allbright-Stiftung arbeiten in Deutschland 49 Prozent der Frauen in Teilzeit.

Magerer Frauenanteil in Deutschland

Bei einem Vergleich des Frauenanteils in den Vorständen der 30 führenden Börsenunternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Polen, den USA und Schweden belegt Deutschland den letzten Platz. Unternehmen wie Apple, IBM, Volvo, Coca-Cola oder Hennes & Mauritz haben zum Teil bereits deutlich mehr als 30 Prozent Frauen in ihren Vorständen. Ebenso L’Oréal und Danone in Frankreich, Unilever in Großbritannien oder Energa in Polen.

Deutschland ist diesem Vergleich das einzige Land, in dem keines der großen Börsenunternehmen überhaupt einen Frauenanteil von 30 Prozent im Vorstand erreicht hatte.

Deutschlands Frauenquote unter den Chefs liegt nur bei 2,1 Prozent. Unter den 155 untersuchten Unternehmen gibt es nur drei weitere weibliche Vorstandsvorsitzende: Carola Gräfin von Schmettow bei der Privatbank HSBC Trinkaus & Burkhardt, Susanna Zapreva beim kommunalen Versorger Enercity und Angela Titzrath bei der Hamburger Hafen und Logistik (HHLA).

Trotz der vielen Wechsel zeigt eine Analyse seit 2004, dass weltweit jeder fünfte Chef (19 Prozent) mindestens zehn Jahre im Amt war, ehe er ausschied. Neben der langen Zeit unterschieden sich diese Chefs auch mit Blick auf die Performance deutlich von ihren Amtskollegen. Im Mittel erzielten sie während ihrer langen Amtsdauer mit einer Aktienrendite von durchschnittlich 5,7 Prozent pro Jahr bessere Ergebnisse als der Durchschnitt mit nur 3,3 Prozent.

In Deutschland zeichnet sich dieser Trend nach Analysen des Handelsblatts eher weniger ab – zumindest nicht unter den langjährigen Dax-Chefs, die noch im Amt sind. Zu den Dienstältesten zählen Bill McDermott, der SAP seit 2010 führt und Elmar Degenhart bei Continental seit 2009. Beide Aktien entwickelten sich seitdem besser als der Dax.

Auf der anderen Seite aber lenkt Johannes Teyssen bei Eon die Geschicke seit 2010, Frank Appel bei der Post seit 2008 und Bernd Scheifele bei Heidelbergcement sogar schon seit 2005. Doch alle drei Aktien laufen deutlich schlechter als der Gesamt-Dax, seitdem die Chefs übernahmen. Das heißt: In Deutschland ist die Aktien-Performance immer noch ein untergeordnetes Gütesiegel, wenn es um die Vertragsverlängerung beim Chef geht.