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Warum es so schwierig ist, Petrolheads an E-Autos zu gewöhnen

Die ersten Autos hatten einen Elektromotor. Doch dann setzte sich der Verbrenner durch. Warum eigentlich? Und wie gelingt die Mobilitätswende bei überzeugten Benzin- und Dieselfahrern?

Emotionaler Abschied vom Verbrennungsmotor im Auto: „Die Technik, mit der Menschen wesentliche biografische Schritte gemacht und die sie liebgewonnen haben, möchte niemand aufgeben.“ Foto: dpa
Emotionaler Abschied vom Verbrennungsmotor im Auto: „Die Technik, mit der Menschen wesentliche biografische Schritte gemacht und die sie liebgewonnen haben, möchte niemand aufgeben.“ Foto: dpa

Wenn Michael Klein von seinen Autos erzählt, kann der Abend lang werden. Er besitzt gleich vier – und liebt jedes einzelne leidenschaftlich. Der 45-Jährige Vater von zwei Kindern lebt im Westerwald und hat den Großteil seines Berufslebens bei Autozulieferern gearbeitet. Sein erstes Auto, einen Golf II, kaufte er sich mit dem „Geld von Oma“. Heute besitzt er neben einem VW noch drei Mercedes-Fahrzeuge und denkt über den Kauf eines weiteren nach. Ein Mercedes-Benz der G-Klasse soll es sein. Seine Autos, sagt Klein, seien „alles Verbrenner.“

Und dann ergänzt er: „Natürlich.“

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Klein ist einer von Millionen Autofahrern, für die ein Abschied vom Verbrennungsmotor immer noch unvorstellbar ist. Zwar fuhren die ersten Fahrzeuge im 19. Jahrhundert mit Elektromotoren. Doch anschließend waren Autos über Jahrzehnte mit Verbrennern unterwegs, denn sie sind laut, gelten als sportlich, brauchen Pflege und sind Ausdruck jahrhundertealter Ingenieurskunst. Sie jaulten, röhrten und stanken. Umso schwerer fällt vielen nun die Umstellung auf das vergleichsweise brave Elektroauto. Wenn die Autokonzerne dieses emotionale Hindernis nicht überwinden, dürfte ihnen die angestrebte Wende zur E-Mobilität kaum gelingen.

„Kunden müssen ein Auto wollen, es attraktiv finden und eine emotionale Beziehung aufbauen“, sagt Weert Canzler, Senior Researcher am Berliner Wissenschaftszentrum für Sozialforschung und Sprecher des Leibniz-Forschungsverbundes Energiewende. Eine Beziehung zu Fahrzeugen aufzubauen, deren Motoren nahezu geräuschlos arbeiten, falle vielen mit Verbrennungsmotoren sozialisierten Fahrern schwer. Genau die wollen die Autobauer in Zukunft aber vornehmlich bauen. Im Interview mit der WirtschaftsWoche erklärte Daimler-Chef Ola Källenius jüngst, dass alle neuen Fahrzeugarchitekturen bei Mercedes-Benz der Devise „Electric first“ folgen sollen. BMW lässt ähnliche Töne verlauten.

Grund für die Wende sind die härteren Vorgaben zum Abgasausstoß, die die Unternehmen mit den herkömmlichen Techniken kaum erreichen können. Die Priorität für den Umweltschutz findet Autofan Klein zwar gut – aber eher theoretisch. In der Praxis drücke er auf der Autobahn schon mal das Gaspedal durch. Und auch ein weiterer Vorteil der elektrischen Antriebstechnik überzeugt ihn nicht: „Ich repariere meine Autos selbst. Wenn sie am Ende wieder laufen, bin ich richtig stolz,“ sagt er. Von oben bis unten schmutzig zu sein, gehöre dazu. Ein E-Auto komme deshalb nicht in Frage. „Da kann man fast nichts selbst machen.“

Zum Abenteuer gehört der Sound des Motors

Als Kleins Kinder klein waren, mussten seine Autos vor allem sicher und praktisch sein. Später kaufte er sich einen Mercedes. Und noch zwei weitere. Mit denen will er was erleben. Das heißt für ihn: Mit dem Schiff nach Ägypten übersetzen, quer durch die Sahara fahren und dabei 300 Liter Diesel im Kofferraum haben. „So bin ich unabhängig, spüre den Motor unter mir und kann 1000 Kilometer zurücklegen; das ist ein echtes Abenteuer.“ Er gerät ins Schwärmen, kommt aber schnell in die Gegenwart zurück. Teil des Abenteuers sei das Motorengeräusch. „Wenn ich einen richtigen AMG starten höre, kriege ich Gänsehaut.“ Der 45-Jährige kann die Zylinderzahlen von Autos am Klang unterscheiden. Bei den Vierzylinder-Motoren fehle die Akustik. Achtzylinder blubbern. Zwölf Zylinder klingen „passioniert, italienisch, feurig – wie ein Lamborghini.“

Elektromobilität ist für Motorenfans weiterhin ein Reizthema. Auf eine Facebook-Anfrage in der Gruppe „Schöne Sterne“ reagieren die Mitglieder emotional. Einer kommentiert: „Ich werde Zeit meines Lebens kein Elektro-Auto fahren! Ich liebe es, wenn der Wagen im Kaltstart hochtourig blubbert. Ein E-Auto löst bei mir keine Emotionen aus.“ Ein anderer antwortet: „Der Grund, warum ich Verbrenner fahre, ist einfach: Ich brauche Sound beim Fahren.“

Historisch war der Wunsch nach sattem Klang sogar ein Grund für den Durchbruch von Diesel und Benziner. Schon Anfang des 19. Jahrhunderts hatte ein Wettlauf um die Entwicklung eines praxistauglichen Fahrzeugs mit Elektroantrieb begonnen. Der Ingenieur Gustave Trouvé stellte dann 1881 auf der Internationalen Elektrizitätsausstellung in Paris ein Dreirad mit E-Motor und Batterie vor. Dessen Reichweite war zwar gering; mit zwölf Kilometern pro Stunde war der Wagen für damalige Verhältnisse aber zügig unterwegs. Nur ein Jahr später entwickelte Siemens einen Oberleitungsbus, den zwei Elektromotoren antrieben und der eine Teststrecke von gut 500 Metern zurücklegte. Elektromotoren waren einfach zu bedienen und leise.

Herrschaftsanspruch über die Straße

Doch genau darin lag das Problem. Wer sich ein Auto leisten konnte, wollte von der Welt gesehen werden, erklärt Technikhistoriker Reinhold Bauer. „Der Herrschaftsanspruch über die Straße faszinierte die Menschen. Dabei geht es auch um Macht.“ Der Patent-Motorwagen Nummer 1 von Carl Benz erfüllte dieses Bedürfnis. Er war laut, wurde zunehmend schneller und gewann an Reichweite. „Die Heldenrolle von Rennfahrern, die als Löwenbändiger der Technik inszeniert wurden, machten das Automobil zum Gegenstand modernen Abenteurertums,“ schreibt Manfred Grieger, Historiker und Honorarprofessor am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeschichte der Universität Göttingen in einem Bericht über die Geschichte des Autos. Das Auto war ein Prestigeobjekt, seine Fahrer nutzen es als Sport- und Freizeitgerät. Der Großteil der Fahrer war männlich und technikaffin.

Das prägt die Vorstellung vom Auto bis heute. „Die Technik, mit der Menschen wesentliche biografische Schritte gemacht und die sie liebgewonnen haben, möchte niemand aufgeben“, erklärt Wissenschaftler Canzler. Den Elektromotor empfänden viele von ihnen sogar als Beleidigung, weil er über Jahrzehnte aufgebaute Ingenieurskunst mit einem Schlag entwerte. „Für alle, die gelernt haben, komplexe Motoren auseinanderzubauen, ist das eine narzisstische Kränkung.“

Mit der werden sich aber selbst die treuesten Fans des Verbrenners arrangieren müssen. Denn selbst diese Fahrzeuge werden heutzutage oft aus der Ferne repariert, etwa in Form des computergesteuerten Bosch-Diagnose-Systems. „Die hochentwickelten Verbrennerfahrzeuge haben keine Motoren mehr, unter die man sich legen und die man per Hand reparieren kann“, erklärt Canzler. Autobauer müssten die Sehnsucht ihrer alten Fans also anders stillen und Autos entwickeln, die dasselbe versprechen wie ihre rußenden Vorgänger: Unabhängigkeit und Abenteuer.

Mehr zum Thema: Softwareentwicklung statt Motorenbau: VW und Co. versuchen hektisch, eigene Betriebssysteme zu entwickeln. Denn die Silicon-Valley-Giganten sind schon deutlich weiter.