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So lebt es sich mit E-Auto ohne eigene Lademöglichkeit

Viele Autofahrer in Großstädten haben keinen festen Stellplatz – und somit auch nicht einmal die theoretische Möglichkeit, dort ein Elektroauto zu laden. Reicht aber das öffentliche Ladenetz heute schon aus?

Der Anfang ist klein: Bis Ende des Jahres sollen die ersten 20 Stationen des europäischen Schnellladenetzes stehen. Der Bau von insgesamt 400 ist bis 2020 geplant. So haben es BMW, Daimler, Ford und VW abgemacht. Das hierfür gegründete Gemeinschaftsunternehmen Ionity hat eine große Aufgabe: Das Ladenetz soll die Elektromobilität langstreckentauglich machen – und den Elektroautos in Deutschland endlich zum Durchbruch verhelfen.

„Die Verfügbarkeit eines flächendeckenden High-Power-Charging-Netzwerks ist für die Marktdurchdringung der Elektromobilität unabdingbar“, sagt Ionity-Chef Michael Hajesch etwas umständlich. Man habe „insbesondere den Kunden“ im Blick.

Was der frühere BMW-Manager nicht sagt: Man hatte wohl auch die Ängste der Kunden im Blick. Das Schnellladenetz entlang der wichtigen Autobahnen ermöglicht Dienstwagenfahrern, die auf längeren Strecken unterwegs sind, überhaupt erst den Umstieg auf ein E-Auto. Mindestens genauso wichtig: Bei Privatkunden senkt es die Hemmnisse für den Kauf eines Elektroautos. Weit verbreitet ist die Befürchtung, irgendwo ohne Strom liegen zu bleiben.

Mit dem Fokus auf die Autobahnen lässt Ionity zwei riesige Felder außen vor:

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  • in den Städten sollen eigenständige Ladenetze entstehen

  • und die zigtausend Pendler, die Tag für Tag mit dem eigenen Auto zur Arbeit fahren

Beide Gruppen eint, dass sie ein Langstrecken-Schnellladenetz nicht oder nur selten brauchen. Für Pendler auf den immer gleichen Strecken und Städter mit Elektroautos ist ein engmaschiges Netz an Ladepunkten in ihrer Alltagsumgebung viel wichtiger als eine weitere Schnellladesäule an der A61.

Deshalb haben wir den Praxistest gemacht: Ist ein Elektroauto im Jahr 2017 schon alltagstauglich? Reicht das öffentliche Ladenetz schon aus?

Als Testwagen für diesen Versuch haben wir den Hyundai Ioniq Electric gewählt. Der Ioniq kann schneller laden als etwa ein BMW i3 oder VW e-Golf. Lässt man die Tesla-Modelle mit Supercharger-Anschluss außen vor, ist der Ioniq derzeit einer der schnellsten Lader. Während die deutschen E-Autos (gegen Aufpreis) mit maximal 50 Kilowatt (kW) Gleichstrom laden können, schafft der Ioniq ab Werk 70 kW. Der Akku, der theoretisch für 280 Kilometer ausreicht, wäre dann nach nur 23 Minuten zu 80 Prozent gefüllt.

So viel vorneweg: Die Schnelllade-Fähigkeit des Ioniq konnten wir nicht ausreizen – mangels entsprechender Ladesäulen. Viel wichtiger und interessanter als die Suche nach einer der wenigen 100-kW-Ladesäulen in Düsseldorf war der Alltag: Wie lade ich zuhause?

Zwar gehört eine Garage zur Düsseldorfer Mietwohnung. Doch eine Steckdose gibt es nicht, zumindest keine, die über den eigenen Stromzähler läuft. Ohne Erlaubnis oder gar Investition des Vermieters in eine Wallbox geht also nichts. Vor ähnlichen Problemen stehen in Deutschland viele Mieter, ob sie nun einen festen Stellplatz haben oder Laternenparker sind.


Wie man die passende Ladesäule findet

Für die gibt es immerhin vielversprechende Ansätze: So hat Siemens Anfang November den Einstieg bei Ubitricity verkündet. Das Berliner Start-up will mit seiner Ladetechnologie dort ansetzen, wo es am Straßenrand bereits Strom gibt. Straßenlaternen sollen zunehmend mit Steckdosen ausgestattet werden, damit Innenstadtbewohner ohne feste Lademöglichkeit ihr E-Auto einstöpseln können. Perspektivisch soll auch die Technologie in Parkhäusern und auf Firmenparkplätzen eingesetzt werden.

Noch ist das Zukunftsmusik – die Suche nach Strom für den Test-Ioniq geht weiter.

Dabei helfen inzwischen zahlreiche Angebote, die öffentliche Ladestationen auflisten und in Karten verzeichnen – etwa das konzernunabhängige Portal e-stations.de. Bei anderen Anbietern kann per App nicht nur zu einer freien (und zum Fahrzeug passenden) Ladesäule navigiert werden, sondern vor Ort auch der Ladevorgang gestartet und über die hinterlegte Kreditkarte abgerechnet werden. Das ermöglicht etwa das niederländische Unternehmen NewMotion, das kürzlich vom Ölkonzern Shell gekauft wurde.

NewMotion betreibt selbst Ladesäulen, bietet in Düsseldorf über die App aber auch die Säulen von RWE/Innogy an, jene auf Parkplätzen von Aldi Süd und die vor BMW-Händlern. Die Spanne des Angebots ist groß: Verfügbar sind Ladesäulen mit 11 kW, 22 kW und teilweise sogar 50 kW.

Groß ist die Spanne auch beim Preis: Während bei einigen Anbietern (noch) kostenlos geladen werden kann, wird bei anderen nach Minuten oder geladenen Kilowatt abgerechnet. Teilweise liegt der Preis mit 31 Cent/kW fast auf dem Niveau von Haushaltsstrom, anderenorts kostet das Kilowatt aber bis zu 56 Cent.

Ein weiteres Problem: Oft sind die Ladesäulen nicht frei zugänglich. Damit ist nicht gemeint, dass immer wieder ein Auto mit Benziner oder Diesel vor der Ladesäule parkt, sondern dass viele der Säulen eben auf Privat- oder meist Firmengrundstücken stehen. Das schränkt oft den Zeitraum ein, knüpft das Laden an Bedingungen (zum Beispiel maximal 60 Minuten während des Einkaufs) oder sorgt für zusätzliche Kosten, wenn die Ladesäule etwa in einem Parkhaus installiert ist. Und das ist über die App oft nicht einsehbar.

Positiv ist, dass bei jeder der von uns angefahrenen Ladesäulen das Laden selbst problemlos funktioniert hat. Verantwortlich dafür ist auch der Hyundai Ioniq. Sein verbautes Ladegerät kann mit vielen der unterschiedlichen Schnelllade-Standards umgehen. Neben dem in Europa gängigen Typ-2-Stecker ist der Wagen auch für das Combined Charging System (CCS) gerüstet, das sowohl den Typ-2-Stecker für das Laden mit Wechselstrom und den Combo-2-Stecker für das Laden mit Gleichstrom enthält. Mit dem Gleichstrom kann, sofern es die Ladesäule unterstützt, deutlich schneller geladen werden.

Auch hier muss der Fahrer aufpassen: Ab Werk liefert Hyundai den Ioniq Electric nur mit einem Kabel aus, das für die normale Haushaltssteckdose geeignet ist. Wer schneller laden will, muss entweder das Typ-2-auf-Typ-2-Kabel im Zubehör kaufen oder kann nur Ladesäulen nutzen, die ähnlich wie eine Zapfsäule ein fest verbautes Ladekabel haben.

Egal ob im Navigationssystem des Autos, in dem auch Adressen vieler Ladesäulen gespeichert sind, oder auch der NewMotion-App ist nicht hinterlegt, ob ein eigenes Kabel benötigt wird. Um auf Nummer sicher zu gehen, sollte deshalb immer neben dem Standard-Kabel für die Haushaltssteckdose (in der Fachsprache wegen der im Kabel integrierten Box für Schutzelektronik oft In-Cable Charging Box oder kurz ICCB genannt) auch ein Typ-2-Kabel fürs Laden mit bis zu 22 kW liegen.


Raus der Komfortzone: längere Strecken fahren

Ärgerlicher als die zusätzlichen Kabel im Kofferraum ist die Tatsache, dass der größte Ladesäulenbetreiber in der NewMotion-App gar nicht angezeigt wird. In Düsseldorf sind es nur zehn Ladesäulen (der vorhin genannten Betreiber). Die Stadtwerke Düsseldorf hingegen bieten derzeit 48 Ladesäulen im Stadtgebiet an – und zumindest in der Anfangsphase ist das Laden dort kostenlos. Man muss sich lediglich registrieren, um die Ladekarte zu erhalten.

Es gibt ähnliche Vor- und Nachteile wie bei NewMotion. Das Laden klappt zuverlässig, allerdings sind die Ladesäulen wieder oft auf Firmengeländen. Die Frage nach dem Kabel ist aber geklärt – man muss es selbst mitbringen. Dann kann über den Schuko-Stecker mit maximal 2,8 kW geladen werden oder mit dem Typ-2-Kabel mit 22 kW.

Der zuverlässigste Ladepunkt während unseres Tests war aber das Laden an der Arbeitsstätte: In der Tiefgarage des Verlagshauses stehen zwei Schuko-Steckdosen mit entsprechend langer Ladezeit bereit. Aber es funktioniert ohne Fehler. Dennoch hat es einen Nachteil: Bereits jetzt reichen zwei Steckdosen nicht mehr aus. Im Testzeitraum waren in den verschiedenen Redaktionen des Verlags drei Elektroautos parallel im Betrieb – zusammen mit einem privaten E-Auto aus der Belegschaft muss da in Schichten geladen werden.

Unser Test hat gezeigt: Ja, man kann ohne Lademöglichkeit in der eigenen Garage mit einem Elektroauto den Alltag bestreiten, wenn man sich in einem „erkundeten“ und bekannten Gebiet bewegt – etwas Mühe bei der Planung und Bereitschaft zu Umwegen vorausgesetzt.

Schwieriger wird es aber, wenn man dieses angestammte Gebiet mit den bekannten Ladesäulen verlässt. Zum Beispiel: Ein Besuch bei Freunden in Köln. Hin und zurück sind es insgesamt 95 Kilometer. Der Bordcomputer, der erfreulich genau die Reichweite berechnet, zeigt noch 146 Kilometer an. Die Fahrt wäre also kein Problem, nur wäre danach die Reichweite sehr niedrig. Bequemer wäre also, während des Besuchs in Köln nachladen zu können.

Eine einfache Suche zeigt, dass keine 200 Meter von der Haustür entfernt eine Ladesäule von RheinEnergie steht und in Betrieb ist. Der Haken: Wer nicht Kunde ist, muss das Laden zwei Tage vorher anmelden – dafür gibt es den Strom wie bei den Stadtwerken Düsseldorf kostenlos.

Unabhängig von Fragen wie der CO2-Bilanz des Stroms oder Herkunft und Verfügbarkeit der seltenen Batterie-Rohstoffe kann man festhalten: Das Elektroauto selbst funktioniert tadellos. Mit der realistischen Reichweite von 210 Kilometern mit einer 28 kWh-Batterie war auch nie die Angst da, ohne Strom liegenzubleiben – regelmäßige Lade-Planung vorausgesetzt.

Um es bequemer zu machen und vor allem auf eine wahrscheinlich bald ansteigende Zahl von E-Autos vorbereitet zu sein, sollte das Motto gelten „viel hilft viel“. Noch können Sie sich darauf verlassen, dass die Ladesäule auf dem Discounter-Parkplatz vermutlich frei ist. Viele Ladepunkte, möglichst mit einer einfachen Abrechnung, gerne auch als Schnellladesäule, sind der Weg.

Am allerbesten lädt es sich aber immer noch zuhause. Wenn man denn kann.