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So gelang Scalable Capital der Aufstieg zum Unicorn

Die Scalable-Gründer (v.l.): Erik Podzuweit, Florian Prucker und Stefan Mittnik
Die Scalable-Gründer (v.l.): Erik Podzuweit, Florian Prucker und Stefan Mittnik

Wenn ein deutsches Fintech mit mehr als einer Milliarde Euro bewertet wird, muss man aufhorchen. So geschehen gerade beim Roboadvisor Scalable Capital. 150 Millionen Euro hat das Startup aus München aufgenommen und wurde im Rahmen dieser Finanzierungsrunde zum Einhorn. Zuvor hatte die Bewertung noch deutlich niedriger gelegen.

Dass sich die Investoren nun deutlich mehr von dem Fintech aus der bayerischen Hauptstadt erhoffen, dürfte auch daran liegen, dass Scalable Capital gar kein reiner Robo-Advisor mehr ist. Seit Kurzem bietet das Unternehmen auch den Handel mit ETFs sowie Bitcoin und anderen Kryptowährungen an – ist also zum Broker geworden. Zwar ist dieser Teil, gemessen am betreuten Vermögen, noch sehr klein. Aber im Segment der (Neo-)Broker sind die Erwartungen zuletzt deutlich gestiegen. Zu erkennen ist das etwa an der Bewertung des größten Wettbewerbers in diesem Segment: Trade Republic war den Geldgebern bei der letzten Finanzierungsrunde deutlich mehr als vier Milliarden Euro wert.

Auch wenn Scalable Capital aufgrund des späten Einstiegs noch weniger Kunden hat als Trade Republic – das Potenzial im Markt gilt genauso wie beim Wettbewerber. Und: Scalable hat im etwas konservativeren Robo-Advisor-Bereich schon einen soliden Stamm an Kunden. Einige von diesen dürften sich angesichts der zum Teil deutlich höheren Margen auch vom Brokerage-Angebot überzeugen lassen. Es liegen also entscheidende Monate vor dem Fintech.

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Doch wie lief die Erfolgsgeschichte des jüngsten Fintech-Einhorns Scalable Capital bislang ab? Wir erzählen sie für euch nach:

2014

Erik Podzuweit hat bereits sieben Jahre harte Schule bei der Investmentbank Goldman Sachs in Frankfurt und London hinter sich, als er sich entschließt, einen Robo-Advisor aufzubauen. Auch Startup-Luft hat er zu diesem Zeitpunkt schon geschnuppert, als Co-CEO beim Online-Möbelhändler Westwing.

Seine Mitgründer Florian Prucker und Adam French kennt er noch aus der Zeit bei Goldman Sachs. Ende 2014 tun sie sich mit dem Müncher Finanzprofessor Steffan Mittnik zusammen und gründen Scalable Capital. Zum Start bekommt die Firma vier Millionen Euro an Seed-Kapital, unter anderem von Holtzbrinck Ventures (heute HV Capital).

Die Scalable-Gründer Florian Prucker und Erik Podzuweit (rechts) im Jahr 2015
Die Scalable-Gründer Florian Prucker und Erik Podzuweit (rechts) im Jahr 2015

2016

Zum Jahresbeginn geht der Robo-Advisor von Scalable offiziell an den Start. 27 Mitarbeiter arbeiten zu diesem Zeitpunkt bei dem Münchner Fintech. Das Geld legt das Tool automatisiert in Investmentfonds an, die Börsenindizes wie den Dax nachbilden.

Der Advisor steht nur Nutzern zur Verfügung, die mehr als 10.000 Euro anlegen wollen. Konto und Depot werden von der Baader Bank verwaltet. Für die Nutzung seines Robo-Advisors verlangt das Startup eine Provision von 0,75 Prozent im Jahr – deutlich weniger als etablierte Banken. Von anderen Robo-Advisoren will sich das Unternehmen dadurch absetzen, dass es über eine eigene Erlaubnis der Bankenaufsicht Bafin verfügt.

Im April bekommt das Scalable-Team sieben Millionen Euro für seine Expansionspläne. Holtzbrinck führt die Runde erneut an, Tengelmann Ventures steigt als neuer Investor ein. Wenige Monate nach dem Start nutzen 600 Kunden das automatisierte Anlagetool des Startups. Im Juni gewinnt Scalable Capital einen weiteren prominenten Investor: Der mächtige Finanzverwalter Blackrock investiert in das Fintech.

Insgesamt 30 Millionen Euro fließen in dieser Series-B-Runde – zu diesem Zeitpunkt eine sehr hohe Summe für ein deutsches Fintech. Die Altinvestoren Holtzbrinck Ventures und Tengelmann beteiligen sich ebenfalls. Die German Startups Group dagegen steigt aus und verkauft ihre Anteile mit Gewinn. Der Wert des Startups wird nach dem Funding auf gut 150 Millionen Euro geschätzt. Mit der neuen Runde will das Startup die Expansion in andere Länder vorantreiben. Bislang liegt der Fokus auf dem deutschen Markt, außerdem ist Scalable Capital in Großbritannien aktiv. Bald sollten Österreich und die Schweiz folgen, heißt es.

2017

Anfang des Jahres verwaltet Scalable Capital noch Anlegergelder in Höhe von 111 Millionen Euro, Ende des Jahres sind es dann schon 640 Millionen Euro. Das geht aus dem Jahresabschluss für 2017 hervor. Dieses Wachstum gelingt der Firma vor allem dank einer neu geschlossenen Kooperation mit der Online-Bank ING.

Das Scalable-Gründerteam im Selfie-Modus
Das Scalable-Gründerteam im Selfie-Modus

Von den 640 Millionen Euro entfallen rund 400 Millionen auf die eigenen Kunden. An ihnen verdient das Fintech 0,55 Prozent der Anlegegelder als Gebühren. Die übrigen etwa 240 Millionen Euro kommen aus der Partnerschaft mit der ING. Durch die Kooperation muss sich Scalable Capital die Gebühren teilen und erhält nur 0,33 Prozent der Anlagesumme. An diesen Gebühren hat der Robo-Advisor deshalb insgesamt nur 1,2 Millionen Euro verdient.

Neben Deutschland ist Scalable mittlerweile auch in Großbritannien aktiv. Doch das Geschäft dort läuft nur schleppend an: Laut britischem Handelsregister setzt die englische Tochterfirma 2017 lediglich umgerechnet 65.000 Euro um.

2018

Das Startup erreicht einen wichtigen Meilenstein: Nach eigenen Angaben verwaltet Scalable seit Mitte Mai mehr als eine Milliarde Euro. Ein Grund für das starke Wachstum ist die wichtige Vertriebspartnerschaft mit der ING. Laut dem Unternehmen sind bereits mehr als 20.000 Kunden über die Bank zu Scalable gekommen.

Anlässlich des erreichten Milliardenziels veröffentlicht Scalable Capital auch Zahlen zu den Kunden: Deren Altersdurchschnitt ist für ein Digitalangebot erstaunlich hoch: Er liegt bei 50 Jahren, ein Drittel ist sogar älter als 55. Etwa 40 Prozent Frauen sind unter den Scalable-Nutzenden.

2019

Im Mai muss das Fintech einen Abgang verkraften: Die bisherige Chief Marketing Officerin (CMO) Manuela Rabener wechselt nach vier Jahren bei Scalable zur Unternehmensberatung BCG Digital Ventures. Sie hat in London die britische Tochter des Robo-Advisors mit aufgebaut. Das Marketing von Scalable Capital wird künftig aus der Zentrale in München gesteuert.

Der Robo-Advisor schließt im August eine neue Finanzierungsrunde ab: In der Series C erhält er 25 Millionen Euro von den Bestandsinvestoren Blackrock, HV Holtzbrinck Ventures und Tengelmann Ventures. Neue Investoren sind nach Angaben des Unternehmens nicht eingestiegen. Scalable-Gründer Erik Podzuweit sagt im Podcast des Handelsblatts, dass sein Startup eigentlich kein Geld gebraucht habe. Aber das Interesse der Investoren sei groß gewesen. Laut Handelsblatt gehört den Gründern nach der neuen Finanzierungsrunde noch mehr als ein Viertel ihres Unternehmens.

Der digitale Vermögensverwalter verwaltet inzwischen mehr als zwei Milliarden Euro (Stand: Dezember 2019). 120 Mitarbeiter arbeiten zu diesem Zeitpunkt an den Standorten München und London für das Unternehmen.

In seinem Alltag treibt Podzuweit täglich Sport, er ist erfolgreicher Windsurfer und deutscher Meister im Rugby
In seinem Alltag treibt Podzuweit täglich Sport, er ist erfolgreicher Windsurfer und deutscher Meister im Rugby

2020

Scalable steigt Mitte des Jahres auch in das boomende Geschäft der Neobroker ein. Andere Player waren hier deutlich früher dran: In den USA dominiert längst Robinhood den Markt, in Deutschland und Europa ist Trade Republic schon seit mehreren Jahren aktiv.

Für eine monatliche Gebühr von 2,99 Euro können Scalable-Kunden ab sofort mit Aktien, ETFs und Fonds handeln. Ein anderes Preismodell verfolgen die Konkurrenten Trade Republic und Robinhood: Sie rechnen pro Aktienhandel ab, bei Trade Republic sind es etwa ein Euro pro Trade.

Wieder neues Geld gibt es für Scalable im Juli. Der Robo-Advisor bekommt in der Series-D-Runde 50 Millionen Euro. Damit beträgt die Gesamtfinanzierung nun 116 Millionen Euro. Der Wert des digitalen Vermögensverwalters wird nun auf etwa 400 Millionen Euro geschätzt. Die Bestandsinvestoren Blackrock, Holtzbrinck Ventures und Tengelmann Ventures übernahmen knapp die Hälfte der Runde. Von wem der Rest kommt, verrät das Unternehmen nicht. In der Fintech-Szene wird aber spekuliert, dass es sich um Hedosophia handelt, den Fonds des öffentlickeitsscheuen Briten Ian Osborne, der bereits in N26 und Raisin investiert hat.

Das Fintech bekommt im September einen neuen Chief Financial Officer. Das ehemalige ING-Vorstandsmitglied Martin Krebs (52) wird zum CFO ernannt und damit Teil der Geschäftsführung, neben den beiden Gründern Erik Podzuweit und Florian Prucker.

Im Oktober hat das bislang skandalfreie Fintech mit einer Datenschutzpanne zu kämpfen. Mehr als 30.000 Nutzerdaten wurden bei dem Robo-Advisor gestohlen. Von den insgesamt rund 100.000 Usern sind nach Aussage der Firma 20.000 betroffen.

Das Unternehmen vermutet einen seiner Mitarbeiter hinter dem Datenklau. Laut Scalable verschafften sich eine oder mehrere Personen Zugriff auf die Daten, die über „unternehmensinternes Wissen“ verfügten, „das nur über entsprechend gesicherte Zugänge verfügbar ist“. Gründer Podzuweit will sich aufgrund laufender Ermittlungen nicht weiter dazu äußern. Im Gespräch mit Gründerszene betont er aber, dass es sich „nicht um einen Hack von außen“ handele.

Auch noch zwei Monate später, im Dezember 2020, kursieren die gehackten persönlichen Daten der Scalable-Capital-Kunden weiterhin im Netz und werden sogar Redaktionen angeboten. Betroffene bekommen Spam-Anrufe und Erpresser-Mails. Die Absender versuchen, sie mit ihren Ausweiskopien und Kontodaten unter Druck zu setzen.

Firmen wie die Europäische Gesellschaft für Datenschutz (EuGD) versuchen gegen Provision Schadensersatzansprüche für die Kunden zu erkämpfen. Die EuGD reicht stellvertretend für einen Scalable-Nutzer eine erste Klage gegen das Fintech ein. Etwa 1.000 Nutzer haben sich bisher mit Schadensersatzansprüchen wegen des Datendiebstahls gemeldet. 800 davon wandten sich dafür an die EuGD, etwa 200 weitere betroffene Kunden an die Kedapro UG, ebenfalls ein Legal-Tech-Unternehmen, das die Opfer von Datenlecks vertritt.

2021

Neben München und London eröffnet Scalable im März einen dritten Standort in Berlin. In der Bundeshauptstadt sollen vor allem das Tech-Team und das Client-Experience-Team sitzen. Aktuell arbeiten nach eigenen Angaben insgesamt rund 220 Personen bei der Firma.

Die Geschäftsführung um die Gründer Podzuweit und Prucker sowie CFO Krebs wird im Mai um einen weiteren Mann erweitert: Dirk Urmoneit wird Chief Strategy Officer. Er arbeitete in der Vergangenheit für die Investmentbanken Morgan Stanley und Goldman Sachs. Das Unternehmen verwaltet nun nach eigenen Angaben mehr als vier Milliarden Euro für rund 250.000 Kunden.

Im Juni schafft Scalable Capital den Sprung zum Einhorn, also zum Unternehmen, das von Investoren mit mehr als einer Milliarde Dollar bewertet wird. Das hat das Fintech dem chinesischen Tech-Konzern Tencent zu verdanken, der die aktuelle Finanzierungsrunde der Münchner anführt.

180 Millionen US-Dollar kommen in der Runde zusammen. Das verschafft der sieben Jahre alten Firma eine Bewertung von 1,4 Milliarden Dollar. Scalable Capital will mit dem frischen Geld sein europäisches Geschäft weiter ausbauen, angedacht sind zunächst Frankreich, Italien und Spanien. Der digitale Vermögensverwalter ist nicht das erste Fintech, das Kapital aus China angezogen hat. Tencent hat auch schon in N26 aus Berlin und Nubank aus Brasilien investiert. Neben Tencent haben sich auch bestehende Investoren, darunter der US-Vermögensverwalter Blackrock, an der Runde beteiligt. Insgesamt sind seit der Firmengründung 2014 320 Millionen Dollar in Scalable Capital geflossen.

Mitarbeit: Alex Hofmann