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So fühlt sich das Leben mit wieder gewonnen Freiheiten an: Drei Protokolle aus Tel Aviv, London und New York

In einigen Ländern und Städten geht das Impfen gegen Corona zügig voran. Infolgedessen werden die Regelungen gelockert - und ein Stück Normalität kehrt zurück. Wir haben mit Menschen aus Tel Aviv, Israel, London, Großbritannien und New York, USA gesprochen, wie sie die neuen Lockerungen erleben - und welche spürbaren Folgen im Alltag die Pandemie immer noch hinterlässt.

"Den Geburtstag meines Mannes werden wir mit 30 Gästen draußen feiern"

Charlotte wurde mit Moderna geimpft
Charlotte wurde mit Moderna geimpft

Charlotte, 45, führt ein Unternehmen für Konservierung und Behandlung von Kunstwerken in Museen, Nordlondon

Am Tag als die Pubs ihre Außenbereiche wieder eröffnet haben, war ich mit dem Auto in London unterwegs und habe all die Menschen gesehen, die mit ihren Drinks draußen saßen und Spaß hatten. Das hat mich sehr gefreut. Es war erleichternd zu sehen, dass es das London, das wir kennen, noch gibt. Die Innenstadt ist aber noch sehr ruhig, vor allem an Orten, wo viele Büros sind. Wenn man dort niemanden auf den Straßen sieht, fühlt es sich manchmal an wie in einem Gruselfilm, deshalb freut es mich umso mehr, dass jetzt alles wieder lebhafter wird.

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Ich selbst bin seit den Öffnungen noch nicht in einem Pub gewesen, weil ich einerseits viel arbeite, andererseits hat man Termine für den Besuch Wochen im Voraus buchen müssen und ich war zu unorganisiert, um das zu planen. Ich hatte es auch nicht besonders eilig, draußen bei einem Pub zu sitzen, weil mein Mann und ich Gäste in unserem Garten empfangen konnten. Wir haben dort Heizstrahler, es ist also fast wie in einem Pub.

Am Tag der Lockerungen wurde die Impfgrenze außerdem von 50 Jahren auf 45 heruntergesetzt, somit war ich endlich an der Reihe. Ich habe noch am selben Tag einen Termin gebucht und wurde in derselben Woche mit Moderna geimpft. Nebenwirkungen hatte ich keine. Es war sehr beeindruckend zu sehen, wie hart die Menschen in dem Impfzentrum arbeiten.

Ich habe sehr auf die Impfung hingefiebert und mich darüber gefreut. Das habe ich so eigentlich nicht erwartet, denn bis Januar war ich noch unschlüssig, ob ich mich impfen lassen will. Dann habe ich aber eingesehen, dass ich größere Angst vor Corona habe als vor den Nebenwirkungen. Mit der Impfung fühle ich mich sicherer, aber noch immer bin ich sehr vorsichtig, was Menschenansammlungen betrifft. Mittlerweile können wir Selbsttests bestellen und uns alle paar Tage testen. Da ich in der Arbeit mit Menschen in Kontakt komme, teste ich mich trotz Impfung regelmäßig.

Ich freue mich, dank der Öffnungen bald zu Liberty zu gehen, einem Luxuskaufhaus in der Regent Street. Dort bin ich sehr gern und schaue mir schöne Dinge wie Porzellan und Stoffe an. Ich vermisse es auch sehr, ins Theater zu gehen, aber ich bin mir nicht sicher, ob ich sofort gehen würde, wenn sie wieder aufmachen. Ich bin in geschlossenen Räumen immer noch etwas vorsichtig. Anders war es bei den Silent Discos, die draußen im März stattgefunden haben. Dort war ich sehr gern, das hat mir viel Spaß gemacht.

Außerdem freue ich mich darauf, im Juni den Geburtstag meines Mannes bei uns im Garten feiern zu können. Wir wissen dank des Fahrplans der britischen Regierung bereits jetzt, dass wir draußen 30 Gäste haben dürfen. Diese Lockerungsschritte sind zwar nicht in Stein gemeißelt, größtenteils treten sie aber so in Kraft, weil die Infektionszahlen weiter sinken. Dass man deshalb schon für die Zukunft planen kann, hilft uns sehr.

"Ich konnte wieder in meinem Lieblingsclub vor begrenztem Publikum spielen"

Tobias Meinhart, 38, Jazzmusiker in New York City

Seit wenigen Wochen können wir in New York wieder Restaurants und Bars besuchen und uns privat mit Freunden treffen, doch noch immer haben sich die Stadt und ihre Einwohner nicht von dem Schock der Ereignisse zu Beginn der Pandemie erholt. Vor allem von März bis Mai war New York Hotspot für Infektionen, deshalb kennt hier fast jeder jemanden, der an Corona gestorben ist, auch ich kenne einige. In Erinnerung geblieben sind mir vor allem die Leichenwagen, die damals vor unserer Wohnung parkten.

Durch die vielen Toten sind die New Yorker noch immer sehr vorsichtig und tragen auch draußen überall Maske. Tut man dies nicht, wird man sogar darum gebeten, sie anzuziehen.

Für mich als Musiker ist es schön, dass es wieder kleinere Konzerte gibt, aber große Konzerthäuser und Kultureinrichtungen wie beispielsweise am Broadway sind noch bis mindestens September geschlossen, manche sogar bis Januar 2022. Ich konnte bereits wieder in meinem Lieblingsclub vor begrenztem Publikum spielen und damit endlich wieder meinen Beruf ausüben. Vor der Pandemie hatte ich Auftritte und Touren in den USA, Europa und Südamerika geplant, diese wurden entweder sofort abgesagt oder mehrmals verschoben, das war psychisch nicht immer einfach. Ich habe während der Pandemie mehr und mehr Unterricht via Zoom gegeben, dadurch bin ich finanziell gut durchgekommen, am liebsten stehe ich aber immer noch auf der Bühne.

Besonders schön war es, meinen Geburtstag vor zwei Wochen bei mir zuhause mit Freunden zu feiern, das hat mich sehr gefreut, denn letztes Jahr war das nicht möglich.

Es ist frustrierend zu sehen, was in Deutschland gerade passiert. Im Vergleich mit New York hatte Deutschland die Situation zu Beginn besser im Griff, jetzt ist es eher andersrum. Das Impftempo in den USA ist beeindruckend, in New York sind schon mehr als 30 Prozent der Menschen vollständig geimpft. Da ich Musiklehrer bin, habe ich meine zweite Impfung bereits im Februar bekommen. Mittlerweile kann sich jeder impfen lassen, Sonderrechte für Geimpfte gibt es aber keine.

Mit den Impfungen kamen die ersten Öffnungsschritte und damit wiederum sahen wir Licht am Ende des Tunnels. Wir konnten uns wieder privat mit Freunden treffen, doch selbst heute sind wir noch vorsichtig, fragen nach, ob die anderen geimpft sind und wie viele Menschen zum Treffen kommen. Das Nachtleben in New York fehlt mir besonders, auch die U-Bahnen fahren nachts noch immer nicht durchgehend – dabei ist es in New York immer so angenehm gewesen, nachts immer noch leicht nach Hause zu kommen.

“Es war wunderbar, wieder in der Mitte einer Menschenmasse zu stehen und zu tanzen”

Marie (25), lebt in Tel-Aviv

Es war eine unglaubliche Erleichterung, endlich geimpft zu werden. Ich hatte Tränen in den Augen, als ich das Impfzentrum verließ, so überwältigt war ich. Seit dreieinhalb Jahren lebe ich in Tel Aviv, seit einigen Monaten habe ich auch eine Arbeitserlaubnis. Geimpft wurde ich bereits im Januar in Ra’anana, einer kleinen Stadt etwa 25 Kilometer entfernt, denn dort waren kurzfristig Impfdosen verfügbar. Eigentlich war ich als gesunde, 25-Jährige noch gar nicht an der Reihe. Aber die Verteilung des Impfstoffes wurde hier sehr pragmatisch gelöst: Dort, wo Vakzindosen überblieben, konnte sich jeder, der wollte, kurzfristig impfen lassen. Die Information darüber, wo die übrig gebliebenen Impfdosen bereitstanden, konnte man in WhatsApp- und Facebook-Gruppen ausfindig machen. In meinem Fall rief mich eine Bekannte an, die als Krankenpflegerin arbeitet. Wer spontan und bereit war, dafür auch ein paar Kilometer durchs Land zu fahren, konnte also sehr schnell geimpft werden — auch ich als Nicht-Staatsbürgerin.

Dieser Pragmatismus in der Impfkampagne hat dazu beigetragen, dass seit dem Start im Dezember bereits mehr als 55,2 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft sind — damit hat Israel eine der höchsten Pro-Kopf-Impfraten der Welt.

Israel verhängte jedoch auch zwei der härtesten und längsten Lockdowns weltweit, inklusive strikter Ausgangssperren und Maskenpflicht auf der Straße. Vor zwei Monaten begannen dann die sukzessiven Lockerungen, Mittlerweile hat alles wieder auf, Veranstaltungen wie Theater und Konzerte finden wieder statt, wenn auch mit begrenztem Publikum. Seit Sonntag gilt die Maskenpflicht nur noch in Innenräumen wie Geschäften und öffentlichen Verkehrsmitteln.

Um am öffentlichen Leben teilhaben zu dürfen, muss man theoretisch einen speziellen Impfausweis, den sogenannten “Green Pass”, vorzeigen. Das ist ein Barcode, den man nach einer Registrierung auf einer offiziellen Regierungswebsite zugeschickt bekommt und bei sich tragen muss. In der Praxis wird die Vorlage des Dokuments aber nur sehr selten verlangt. Bislang wurde ich erst zwei, drei Mal kontrolliert.

Letzte Woche war ich anlässlich des israelischen Unabhängigkeitstags Jom haAtzma’ut das erste Mal wieder feiern auf einer Open-Air-Party. Es war wunderbar, wieder in der Mitte einer Menschenmasse zu stehen und zu tanzen. Absolut surreal. Alle waren gut gelaunt und freuten sich, ihre Freunde wieder umarmen zu können.

Obwohl sich das Leben hier wieder vergleichsweise normal anfühlt, wäre es ein Trugschluss zu denken, dass wir Geimpften nun so leben könnten, wie vorher. Ein Freund von mir ist geimpft und hat sich trotzdem mit Covid-19 infiziert. Das ist zwar extrem selten, kann jedoch vorkommen. Und Kinder und Jugendliche unter 16 sind noch ungeschützt. Auch deshalb ist es ein Balanceakt, die wiedergewonnenen Freiheiten zu genießen und dennoch Vorsicht zu wahren.