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So soll die Digitalisierung im Gesundheitswesen neu aufgestellt werden

Die Technik der deutschen Datenautobahn für das Gesundheitswesen ist veraltet, nun soll sie modernisiert werden. Manche fürchten jedoch ein Staatsmonopol.

Die Gematik, die mehrheitlich zu Spahns Bundesgesundheitsministerium gehört, hat große Pläne für die Telematikinfrastruktur. Foto: dpa
Die Gematik, die mehrheitlich zu Spahns Bundesgesundheitsministerium gehört, hat große Pläne für die Telematikinfrastruktur. Foto: dpa

Deutschland liegt weit hinten bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Elektronische Gesundheitsakten oder Künstliche Intelligenz sind kaum verbreitet. Das liegt nicht zuletzt an der technischen Infrastruktur des deutschen Gesundheitswesens.

Seit 2004 wird die Telematikinfrastruktur (TI), sozusagen die staatliche Datenautobahn für das Gesundheitswesen, aufgebaut – entsprechend veraltet ist mittlerweile die Technik. Nun aber wird die TI grundlegend neu aufgelegt. Das kündigte Markus Leyck Dieken, der im Auftrag der Bundesregierung zentral für die TI verantwortlich ist, bei der Handelsblatt-Veranstaltung „Health – The Digital Future“ am Freitag an.

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Immer wieder hatte es technische Verzögerungen und politisch motivierte Blockaden gegeben, sodass bei der TI nichts vorangegangen war. Das änderte sich, als das Bundesgesundheitsministerium im vergangenen Jahr die Mehrheit an der Gematik übernahm.

Die GmbH verantwortet unter Chef Leyck Dieken den Aufbau der TI und war bis dato in den Händen der Selbstverwaltung aus Ärzteschaft und Krankenkassen, die folglich zum Minderheitsgesellschafter degradiert wurden. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat damit Tempo in das Projekt TI gebracht.

Technische Infrastruktur ist veraltet

Doch steht er vor einem Grundproblem: Die Datenautobahn basiert technisch weiter auf Überlegungen von vor fast 20 Jahren. Als Spahn 2018 Minister wurde, soll es auch Gespräche gegeben haben, ob man es mit der TI nicht ganz sein lassen wolle.

Hinter vorgehaltener Hand heißt es, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hätte Spahn die Entscheidung überlassen, den Stecker zu ziehen. Doch das wäre politisch kaum zu kommunizieren gewesen, in das Projekt sind bereits mehrere Milliarden Euro geflossen.

Die TI also bleibt, doch kann sie nicht so bleiben, wie sie ist. 2004 habe man noch gar nicht technische Möglichkeiten wie Smartphones oder Cloud-Dienste in die Planungen einbeziehen können, sagte Gematik-Chef Leyck Dieken: „Die Rahmenbedingungen haben sich seit dem ersten Aufbau der TI fundamental verändert.“ Deshalb stellte er einen Sechs-Punkte-Plan vor, wie die „TI 2.0“ aussehen soll. Dieser soll demnächst durch die Gematik-Gesellschafter beschlossen werden.

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Der wohl wichtigste Punkt – Leyck Dieken spricht von einem „Paradigmenwechsel“ – ist die verteilte Datenhaltung. Bislang werden Daten über die TI ausgetauscht, indem man sie auf zentralen Servern zur Verfügung stellt. „Wir glauben, dass wir damit langfristig nicht zurechtkommen“, erklärte Leyck Dieken.

Die voranschreitende Digitalisierung brächte durch Videos von Operationen oder hochauflösende Röntgenbilder immer größere Datenmengen. Deshalb soll die TI weniger Speicherplatz, dafür Medium sein, das Zugangsmöglichkeiten zu verschiedenen Quellen schafft. Sie könnte etwa Schlüssel bereitstellen, mit denen Befugte an bestimmte Datenquellen herankommen können.

Flexibler werden soll auch der Zugang zum System. Bislang brauchen Ärzte und Patienten dafür gleich drei verschiedene Chipkarten. Praxen und Kliniken benötigen zudem einen Konnektor, eine Art Router-Box, um in das System zu kommen. In Zeiten von Fingerabdrucksensoren und Online-Anmeldungen sorgt diese Technik für vieles, sicher aber nicht für Akzeptanz bei den Anwendern.

Leyck Dieken will nun, dass Karten und Konnektor spätestens 2023 einer digitalen Identität weichen, mit der Patienten und Ärzte bequem und ortsunabhängig auf die TI zugreifen können.

Auch die TI-Sicherheitsarchitektur soll umgestellt werden. Sie soll auf verschiedene Systeme ausgeweitet werden. Außerdem soll sie automatisiert und nicht mehr nur von Menschen kontrolliert werden.

Die Gematik will zudem sicherstellen, dass Daten, die über die TI ausgetauscht werden, unter einheitlichen Standards erhoben werden, damit sie überall und personenabhängig verarbeitet werden können. Denn auf der TI setzen verschiedene Dienste auf, die das Bundesgesundheitsministerium vorgibt – die elektronische Patientenakte und Krankschreibung oder das digitale Rezept.

„Brauchen kein Staatsmonopol für Digitalisierung“

„Wir merken, dass allen Gesellschaftern bewusst ist, dass wir hier nach vorne gehen müssen“, fasste Leyck Dieken zusammen. Doch Bewusstsein heißt bekanntlich längst nicht Unterstützung. Einige Gesellschafter nehmen die Pläne weniger als Dienst für Patienten und Ärzte wahr, sondern als Allmachtsfantasie von Gematik und Spahn.

Natürlich brauche es die Gematik, um Standards für den Datenaustausch festzulegen, sagte Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des mächtigen AOK-Bundesverbands, dem Handelsblatt. „Was wir aber nicht brauchen, ist ein Staatsmonopol für Digitalisierung.“

Spätestens mit dem Umbau der TI lägen bei der Gematik Regulierungskompetenz, technologische Entwicklung und Betriebsverantwortung in einer Hand. „Eine solche Bundeszentrale für Digitalisierung lehne ich ab. Wenn die Politik weiter auf Zentralisierung setzt, ist es gut möglich, dass die TI doch noch scheitert“, so Litsch. Leyck Dieken kann die Kritik nicht verstehen: Die Infrastruktur brauche es nun einmal, mehr wolle man gar nicht vorgeben.

Mehr: Gesundheitsminister Jens Spahn arbeitet an einem weiteren Digitalgesetz.

Der Gematik-Chef bei der Handelsblatt-Konferenz „Health“. Foto: dpa
Der Gematik-Chef bei der Handelsblatt-Konferenz „Health“. Foto: dpa