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Der Smart droht dem Spardruck bei Daimler zum Opfer zu fallen

Seit 20 Jahren hadert Daimler mit der Kleinwagenmarke. In China sucht die Smart-Chefin jetzt nach einem Partner mit ertragreichem Konzept, um sie zu retten.

Anette Winkler legt Katrin Adt noch einmal sachte den Arm auf die Schulter. Die beiden Managerinnen sitzen am Vorabend des Pariser Autosalons Anfang Oktober nebeneinander in einem Smart. Das Steuer des Zweisitzers hat bereits Adt übernommen.

Welch hübsche Inszenierung, was für eine harmonische Staffelübergabe. Kein schlechtes Wort verliert die eine Frau über die andere. Dabei hat Adt als neue Smart-Chefin den Auftrag, mit dem Missmanagement ihrer Vorgängerin Winkler zu brechen, sprich: mit dem Bonsai-Benz endlich Geld zu verdienen.

Unermüdlich reist Adt dafür rund um den Globus, loben Gutmeinende bei Daimler. Sie wisse, wovon sie rede, und sei die Richtige für den Job, konstatiert eine Führungskraft bei dem Mercedes-Hersteller. Allein: Auch nach einem halben Jahr im Amt hat Adt immer noch keine konkrete Strategie parat, wie Smart nach 20 Jahren unentwegter Verluste schwarze Zahlen schreiben will.

Die Ungeduld wächst. „Wir haben noch andere Themen“, knurrt ein hochrangiger Manager in der Daimler-Zentrale in Stuttgart-Untertürkheim. Selbst Opel schreibt nach zwei Jahrzehnten im Minus ja mittlerweile Gewinne. Adt muss sich sputen. Die Zeit drängt. Denn der wichtigste Fürsprecher des Smarts verabschiedet sich Ende Mai in den Ruhestand: Daimler-Chef Dieter Zetsche.

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Sein Ziehsohn und designierter Nachfolger, Entwicklungschef Ola Källenius, wurde in der AMG-Welt des schwäbischen Sternen-Imperiums sozialisiert. Schwere PS-Boliden, die am Markt satte Margen erzielen, sind sein Metier. Welchen Kontrast dazu doch der verlustreiche und nur 2,70 Meter kurze Zweisitzer bietet.

Entscheidung in diesem Jahr

„Ola hat keine Historie mit dem Smart“, sagt ein Vertrauter. Und damit auch keine Skrupel, den Winzling bei Bedarf zu beerdigen. Noch in diesem Jahr soll dazu eine Entscheidung fallen, heißt es in Källenius Umfeld. Klar ist: Der gebürtige Schwede steht selbst unter Druck.

Nachdem der Gewinn von Daimler im vergangenen Jahr um 30 Prozent eingebrochen war, muss der 1,95 Meter Mann gleich zum Amtsantritt in zwei Monaten kräftig sparen. Vieles steht auf dem Prüfstand. Für den Smart haben damit Schicksalswochen begonnen – mal wieder.

1997 feierte das City-Coupé, der heute Fortwo heißt, in Frankfurt Premiere. Die Besucher der Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) staunten damals nicht schlecht. Solch ein Fahrzeug hatte die Welt noch nicht gesehen. Das Gefährt passte auch quer in Parklücken und begründete damit ein völlig neues Segment. Unter einem guten Stern stand das Projekt dennoch nie.

Die Historie des Zweisitzers geht zurück bis ins Jahr 1989. Nicolas G. Hayek, der Erfinder der Swatch-Uhr, träumte von einem wendigen Stadt‧auto ohne viel Schnickschnack. Ausgerechnet bei den Premiumpredigern von Mercedes fand er Gleichgesinnte.

Die Micro Compact Car AG im schweizerischen Biel war 1994 geboren. Doch schon bald verkrachten sich die Partner. Die Entwicklungskosten liefen aus dem Ruder. Hayek stieg aus. Daimler machte allein weiter. 1998 rollten Produktion und Verkauf an. Doch der Zweisitzer entpuppte sich als Ladenhüter.

Im ersten vollen Verkaufsjahr 1999 setzte Daimler lediglich 80.000 Stück ab. „Es war ein Start mit widrigen Begleitumständen“, erinnert sich Klaus Fricke, der nach der Markteinführung als Geschäftsführer für Vertrieb und Marketing zu Smart stieß. Kaum auf der Straße, wollte Jürgen Schrempp, Chef der damaligen Daimler-Chrysler AG, den Smart auch schon wieder „abschießen“, erzählt Fricke.

Die Kritik an dem Zweisitzer war intern wie extern verheerend. Als „vierrädrige Dose“, die in ihrer Formensprache einem „Behindertenfahrzeug“ ähnle, wurde der Smart in der Wirtschaftspresse verspottet. „Kaum wintertauglich“, vermerkte man selbstkritisch innerhalb von Daimler-Chrysler. Trotz der erkennbaren Schwächen hielt in der Anfangszeit erst Vertriebschef Dieter Zetsche und dann „Mr. Mercedes“ Jürgen Hubbert seine schützende Hand über den Zweisitzer.

„Zetsche hat das Projekt stabilisiert“, konstatiert Fricke rückblickend. Vor zwei Jahrzehnten sei das Konzept aber einfach „zu früh für die Zeit“ gewesen, meint der Ex-Daimler-Manager. Das habe sich mittlerweile geändert. „Heute muss man sich nicht schämen oder rechtfertigen, wenn man einen Smart fährt“, erklärt Fricke. „Ich habe mir gerade erst einen als Zweitwagen gekauft.“ Damit ist der Autofachmann, der mittlerweile sein Geld als Unternehmensberater in Berlin verdient, aber eher die Ausnahme.

Mini stiehlt Smart die Show

Die Absatzzahlen des Smarts sind niederschmetternd. Schon 2004 hatte die Marke ihr Allzeithoch mit weltweit mehr als 150.000 verkauften Einheiten erreicht. Seitdem geht es meist hinunter und manchmal wieder ein bisschen hinauf. Im vergangenen Jahr steht wieder ein Minus in den Büchern. Um vier Prozent schrumpften die Verkäufe, auf ernüchternde 130.000 Stück. Das ursprüngliche Absatzziel von 200.000 Einheiten wurde seit der Einführung des Smarts noch nie erfüllt.

Zum Vergleich: Als BMW den Mini wiederbelebte, setzten die Münchener im ersten vollen Verkaufsjahr 2002 aus dem Stand 144.000 Modelle des britischen Kleinwagenklassikers ab. Über die Jahre konnten die Verkäufe kontinuierlich gesteigert werden. 2018 wurden mit rund 362 000 Einheiten fast dreimal so viele Minis wie Smarts an Kunden übergeben. Für Daimler ist das eine Schmach – und teuer noch dazu. Mehrere Milliarden Euro an Verlusten hat das „Swatch-Auto“ den Stuttgartern bisher eingebrockt.

„Smart ist ein bisschen ein Fremdkörper“, räumt ein Mercedes-Manager ein: „Die Marke ist alleine nicht mehr tragfähig, so wird das Ganze nie profitabel.“ Es brauche mehr Stückzahlen, neue Märkte und einen anderen Partner. Katrin Adt weiß das. Die studierte Juristin hat bei Daimler viele Fürsprecher und ist bestens vernetzt. „Sie hinterlässt Eindruck“, heißt es in Konzernkreisen.

Bevor die 46-Jährige zur Chefin von Smart ernannt wurde, kümmerte sie sich um die Personalentwicklung und begleitete dabei die gut hundert Topmanager von Daimler, die direkt unter dem Vorstand arbeiten. Adt kennt dadurch beinahe jeden und jede im obersten Führungszirkel des Stuttgarter Konglomerats. Das kann noch hilfreich sein.

Schließlich ist Smart eine „echte Baustelle bei Daimler“, erklärt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center of Automotive Research (CAR). Als ersten Schritt aus der Krise werkelt Adt seit Herbst daran, die Marke unter Strom zu setzen. Ab 2020 soll es in Europa und Nordamerika nur noch Smart-Autos mit Elektroantrieb zu kaufen geben.

Der letzte Winzling mit Verbrenner läuft zur Jahresmitte vom Band. Die Stromoffensive sei eine „zweite Chance“ für den Smart, glaubt Dudenhöffer. Erfolgreich werde sie aber nur sein, wenn es gelinge, bessere Skaleneffekte zu erzielen.

Mit rund 22 000 Euro ist der grüne Kleinstwagen kein Schnäppchen und fast doppelt so teuer wie die ausrangierte Benziner-Variante. Um die Kosten des Elektro-Smarts zu senken, sucht Adt nach einem Partner im größten Automarkt der Welt: China. „Die Zukunft des Smarts liegt in Fernost, ganz klar“, bestätigt eine Führungskraft.

Daimler verhandelt einerseits mit seinem langjährigen chinesischen Joint-Venture-Partner BAIC über eine Kooperation, heißt es in Branchenkreisen. Auch mit dem Volvo-Eigentümer Geely gibt es Gespräche.

Besonders Geely-Gründer Li Shufu, der 9,7 Prozent der Anteile an Daimler hält und damit der größte Einzelaktionär des Konzerns ist, strebt eine engere Zusammenarbeit mit den Stuttgartern an. Bisher konnten sich die Schwaben aber lediglich für einen gemeinsamen Mitfahrdienst bei Luxusautos in der Volksrepublik mit Geely erwärmen.

Eine Allianz mit Smart hätte da schon mehr Gewicht. „Wir führen vielerlei Gespräche zwischen den Unternehmen“, lässt ein Geely-Sprecher wissen. Daimler äußerte sich nicht dazu.

Die Idee hinter den Überlegungen bei Smart ist klar: Die nächste Generation des Zweisitzers soll nicht mehr im französischen Hambach, sondern in China gebaut werden. Dafür strebe man eine „gleichberechtigte Partnerschaft“ mit einem lokalen Anbieter an, verlautet es in Verhandlungskreisen.

Bei Daimler ist man zuversichtlich, schon bald Vollzug vermelden zu können. „Ziemlich fix“ sei die Sache in China, sagt ein Insider. Es gebe mehrere Optionen. Die aktuelle Partnerschaft beim Smart mit Renault habe aber „keine echte Zukunft“.

Daimler kooperiert mit Renault etwa beim Modell Forfour, der im slowenischen Renault-Werk in Novo Mesto gefertigt wird. Zudem liefern die Franzosen den Elektroantriebsstrang für die Akku-Smarts. Beide Seiten sollen aber unzufrieden mit der Zusammenarbeit sein. Bei allen weiteren Überlegungen ist Eile ist geboten.

Bis 2020 muss eine Entscheidung gefällt werden, ob und wo die vierte Generation des Smarts gebaut werden soll. Adt will mit dem Bonsai-Benz kräftig wachsen – im Volumen genauso wie in der Angebotsvielfalt. Die Modellpalette soll erweitert werden. „Wir müssen uns verbreitern, vom reinen Zweisitzer hin zum kleinen SUV“, erklärt eine Führungskraft.

Sinn ergibt das nur mit einer breiten Präsenz in Asien mit seinen Mega-Citys und einem schier unstillbaren Bedarf nach cleveren, ökologischen Mobilitätslösungen.

Mögliche „Win-win-Situation“

Kommt es wie geplant, wäre es das Ende von „Smartville“. So nennt Daimler sein Werk für den Fortwo im lothringischen Hambach. Die Fabrik gilt als Paradebeispiel einer gelungenen deutsch-französischen Zusammenarbeit. Eingeweiht wurde der Standort 1997 vom damaligen französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac und dem ehemaligen deutschen Bundeskanzler Helmut Kohl.

Damit ein mögliches Aus der Smart-Produktion nicht direkt zum Politikum wird, hat Daimler schon im vergangenen Jahr vorgesorgt. Konzernchef Zetsche reiste im Mai 2018 zum Arbeitsbesuch nach Paris. Im Élysée-Palast traf er auf den amtierenden französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Zetsche hatte gute Nachrichten im Gepäck. Knapp 500 Millionen Euro investiert sein Konzern im Nachbarland.

In Hambach soll künftig ein rein elektrisch angetriebener Mercedes der Kompaktklasse gebaut werden. Die Stückzahlen dürften jene des Smarts mittelfristig deutlich übertreffen. Schon heute ist jeder vierte Pkw, den Daimler weltweit verkauft, ein Kompaktwagen.

Für die 800 Mitarbeiter im „Smartville“ besteht daher kein Anlass zur Sorge. Ihre Jobs sind wohl sicherer denn je – auch wenn sie vermutlich gerade die letzte Generation des Smarts in Frankreich zusammenbasteln. Von einer potenziellen „Win-win-Situation“ ist daher intern bei Daimler die Rede. Dafür muss Smart-Chefin Adt aber erst einmal mit potenziellen Partnern wie Geely oder BAIC in China handelseinig werden.

Klar ist: Smart braucht dringend positive Nachrichten. Beim Auftritt der Marke auf dem Automobilsalon in Genf Anfang des Monats rieb sich so mancher Mercedes-Manager verwundert die Augen. An Neuheiten wurde lediglich das Showcar Forease+ präsentiert, ein Konzeptauto mit abnehmbarem Stoffdach. Mangels echter Inhalte überließ man die Kommunikation weitgehend den Designern, die von „rooflove“ und dem Besonderen „on top“ schwadronierten.

Keine allzu gute Idee. Auf der IAA im September braucht es mehr Substanz. Vielleicht überrascht Smart die Weltöffentlichkeit in Frankfurt im Herbst ja erneut. So wie 1997.