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„Wir werden deine sklavische Hingabe an Trump nie vergessen“

In Großbritannien dürfte das Interesse an den US-Wahlen besonders groß gewesen sein. Boris Johnsons Brexit-Regierung wünscht sich ein Handelsabkommen mit den USA. Der zukünftige US-Präsident Joe Biden hält davon nichts.

Boris Johnson braucht ein Handelsabkommen mit den USA, um den Brexit-Schaden gering zu halten. Aber der gewählte US-Präsident Joe Biden dürfte wenig Interesse haben. Das könnte die Verhandlungen mit der EU beschleunigen. Foto: dpa
Boris Johnson braucht ein Handelsabkommen mit den USA, um den Brexit-Schaden gering zu halten. Aber der gewählte US-Präsident Joe Biden dürfte wenig Interesse haben. Das könnte die Verhandlungen mit der EU beschleunigen. Foto: dpa

Wohl auf der ganzen Welt wurden die US-Präsidentschaftswahlen vergangene Woche mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. In Großbritannien dürfte das Interesse in einer Londoner Adresse besonders groß gewesen sein: in der Downing Street Nummer 10. Und das aus gutem Grund: Boris Johnsons Brexit-Regierung wünscht sich sehnlichst ein Handelsabkommen mit den USA. Aber der zukünftige Präsident Joe Biden hält weder vom Brexit noch von Johnson besonders viel.

Vor allem die Brexit-Hardliner betrachten ein britisch-amerikanisches Freihandelsabkommen schon lange als so etwas wie einen Brexit-Hauptgewinn. Schließlich würde Großbritannien damit in ihrer Vorstellungswelt wieder den Platz auf der Weltbühne einnehmen, den es - angeblich auch wegen seiner EU-Mitgliedschaft - eingebüßt hat.

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Ein Handelsabkommen mit den USA soll auch einen Teil der Einbußen wettmachen, die wegen des Austritts aus dem EU-Binnenmarkt unvermeidlich sind. Und nicht zuletzt sollten die Gespräche über ein Handelsabkommen mit den USA, die London parallel mit zu denen mit Brüssel führt, den Druck auf die EU erhöhen.

Daher hat London den ausgehenden US-Präsidenten Donald Trump seit dessen Wahlsieg 2016 regelrecht hofiert. So eilte Anfang 2017 Johnson-Vorgängerin Theresa May nur wenige Tage nach Trumps Vereidigung nach Washington, um auf ein Handelsabkommen zu drängen. Dabei gingen damals viele Staats- und Regierungschef wegen seiner rassistischen Tiraden zaghafter auf Trump zu. Mitte 2018 besuchte Trump dann Großbritannien, ein Jahr später empfing ihn May gar mit riesigem Brimborium zu einem Staatsbesuch in London. Auch Boris Johnson umschmeichelt den US-Präsidenten seit seiner Ernennung zum Prime Minister nach Kräften. Doch das so sehnlich erhoffte britisch-amerikanische Handelsabkommen ließ trotzdem auf sich warten. London versuchte sich im Sommer mit der Begründung herauszureden, die Corona-Pandemie haben die Verhandlungen verzögert.

Mit Joe Biden und Kamala Harris im Weißen Haus könnte ein britisch-amerikanisches Handelsabkommen sogar komplett scheitern. So berichtete der Brexit-freundliche „Daily Telegraph“ am Wochenende mit einem gewissen Entsetzen, dass das Handelsabkommen mit Großbritannien auf Bidens To-do-Liste weit nach unten gerutscht sein soll. In den ersten hundert Tagen im Amt werde sich Biden dem Thema wohl kaum zuwenden, sagte ein Berater des kommenden US-Präsidenten dem Blatt.

Und selbst, wenn es Biden mit einem Freihandelsabkommen mit Großbritannien eiliger hätte, könnte ein Abschluss an den politischen Gegebenheiten scheitern. Denn die Republikaner könnten im kommenden Jahr ihre Mehrheit im Senat behalten - und die Ernennung eines neuen US-Handelsbeauftragen verschleppen. Im kommenden Sommer läuft auch eine Sonderregelung aus, die es dem US-Präsidenten ermöglicht, Handelsabkommen zu unterzeichnen. Danach ist wieder der Kongress dafür zuständig.

Biden und sein Team können Johnson nicht ausstehen

Doch das könnte für London noch eines der kleineren Probleme sein. Sehr viel schwerer wiegen dürfte der schlichte Umstand, dass Biden den britischen Premier offenbar nicht ausstehen kann. So zitiert die „Sunday Times“ ein Mitglied von Bidens Wahlkampfteam mit den Worten, die kommende US-Regierung störe sich daran, wie sehr die britische Einwanderungspolitik der Donald Trumps ähnele. Auch die abfälligen Kommentare einiger britischer Minister zur Black-Lives-Matter-Bewegung seien im Biden-Lager negativ aufgefallen. Und Biden habe Johnsons „rassistische Kommentare“ aus der Vergangenheit nicht vergessen. „Wenn sie glauben, Joe hasst ihn, sollten sie erst einmal Kamala hören“, sagte der Biden-Vertraute. Zwar betrachte man im Biden-Lager Großbritannien weiter als Verbündeten, fügte er hinzu. „Aber es wird keine 'besondere Beziehung' zu Boris Johnson geben.“

Biden dürfte insbesondere einen Kommentar nicht vergessen haben, den Johnson im Vorfeld des EU-Referendums gemacht hat. Viele Brexit-Unterstützer waren damals wütend auf den damaligen US-Präsidenten Barack Obama, nachdem sich der für einen Verbleib Großbritanniens in der EU ausgesprochen hatte. Sollte es zu einem Brexit kommen, dann werde London „ganz hinten“ in der Schlange für ein Handelsabkommen stehen, hatte Obama damals hinzugefügt. Biden war in dieser Zeit Obamas Vizepräsident. Johnson, der damals das öffentliche Gesicht der Vote-Leave-Kampagne war, konterte daraufhin in einem Artikel im Boulevardblatt „Sun“, der „zu einem Teil kenianische Präsident“ leide wohl an einer „ererbten Abneigung“ gegen Großbritannien. Es war nur eine von zahlreichen rassistischen Äußerungen, die Johnson über die Jahre gemacht hat.

Letzte Zweifel daran, dass man im Obama-Biden-Lager Johnson wirklich nicht leiden kann, räumte am Wochenende Tommy Vietor aus. Obamas ehemaliger Sprecher im Nationalen Sicherheitsrat der Vereinigten Staaten reagierte auf Twitter auf Johnsons Glückwünsche an Biden mit den Worten: „Der formwandelnde Kriecher bringt sich ein. Wir werden deine rassistischen Kommentare über Obama und deine sklavische Hingabe an Trump nie vergessen.“

Britische Medien spekulierten am Wochenende auch schon, mit welchen Staats- und Regierungschefs Biden wohl diese Woche zuerst telefonieren würde. Und da standen Insidern zufolge wohl Merkel und Macron ganz oben auf der Liste. Und auch Irlands Premier Micheál Martin könnte noch vor Johnson an der Reihe sein.

Biden-Wahl drängt Johnson zum EU-Austrittsabkommen

Dabei könnte Irland Londons Wünsche nach einem Handelsabkommen mit Washington endgültig begraben. Die Frage, was nach dem Brexit mit der Grenze zwischen der Republik Irland und dem britisch verwalteten Nordirland geschieht, überschattet die Verhandlungen zwischen London und Brüssel seit Jahren. Im vergangenen Jahr gab Johnson überraschend nach - und verständigte sich mit der EU darauf, dass Nordirland nach dem Brexit in der Zollunion und im Binnenmarkt für Waren bleiben soll. So steht es auch in dem Austrittsabkommen, das Johnson Anfang des Jahres unterzeichnet hat.

Doch dann veröffentlichte Johnsons Regierung vor wenigen Wochen einen Gesetzentwurf, der wesentliche Teile dieses internationalen Abkommens brechen würde. Einige Minister gaben sogar zu, dass dies der Fall sei. Downing Street versucht seitdem, das brisante geplante Gesetz als bloße Versicherungspolice darzustellen für den Fall, dass die Verhandlungen mit der EU scheitern. Brüssel hat seitdem rechtliche Schritte gegen Großbritannien eingeleitet. Doch London bleibt vorerst stur: Der Gesetzentwurf geht diese Woche in die nächste Runde im Parlament in London.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, hat bereits wissen lassen, dass sie jedes Handelsabkommen mit Großbritannien blockieren werde, falls London das Karfreitags-Friedensabkommen aus dem Jahr 1998 verletzen sollte. Und Biden - der großen Wert auf seine irischen Wurzeln legt und bis heute familiäre Verbindungen nach Irland unterhält - tweetete im September: „Wir können es nicht zulassen, dass das Karfreitagsabkommen, das Frieden nach Nordirland gebracht hat, ein Opfer des Brexits wird.“

Die sich verdüsternden Aussichten auf ein Handelsabkommen mit den USA könnten Londons Bereitschaft beflügeln, sich doch noch mit der EU zu einigen, glauben nun viele Beobachter. Schon seit Wochen munkelt man in London, dass die Gespräche zwischen London und Brüssel zuletzt vor allem deswegen zum Stillstand gekommen sind, weil Johnson abwarten wollte, wie die Präsidentschaftswahlen in den USA ausgehen. Und siehe da: Noch am Wochenende reiste EU-Chefunterhändler Michel Barnier aus Brüssel nach London, um an Gesprächen teilzunehmen, um die London gebeten hat. Zuvor haben sich Johnson und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen telefonisch darauf verständigt, „in persönlichem Kontakt“ zu bleiben, um die Gespräche am Laufen zu halten.

Ob dieser vermutlich letzte Anlauf zu einem Durchbruch verhelfen wird, muss sich zeigen. Falls ja, dürfte der bevorstehende Regierungswechsel in Washington in jedem Fall eine Rolle gespielt haben.


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