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Die Skepsis gegenüber den Investoren aus China wächst

„Schön, Sie wiederzusehen!“ EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager begrüßt Liu He wie einen alten Kollegen. Einträchtig tragen sich der Vizepremier aus China und die Dänin im historischen Hamburger Börsensaal ins Goldene Buch der Handelskammer ein, neben sich ein raumgreifendes Modell einer Hansekogge mit wehenden Segeln.

Chinas Präsident Xi Jinping hat Liu als einen engen Vertrauten auf Charmeoffensive nach Deutschland geschickt. Am Montag traf sich Liu mit Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sowie Lars-Hendrik Röller, Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung im Bundeskanzleramt.

Peking will die Europäer im Handelsstreit zwischen den USA und China auf seine Seite ziehen. Doch bislang ging die Charmeoffensive nicht auf. Die Bundesregierung pocht weiter auf Reziprozität beim Zugang zum chinesischen Markt. Auch bei den Treffen am Montag wurden keine neuen Zusagen gemacht.

Das Verhältnis zwischen Chinas Investoren und der deutschen Wirtschaft ist so belastet wie selten zuvor. Einst wurden die Geldgeber aus Fernost mit offenen Armen empfangen. Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise 2009 war das. Während Europa und die USA unter den Auswirkungen der Schocks auf dem US-Immobilienmarkt litten, wurden Delegationen aus Peking hofiert. Der Volksrepublik war es gelungen, weitgehend unbeschadet durch die Krise zu kommen. Geld aus China war in Deutschland sehr willkommen.

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Doch diese Zeiten sind vorbei. Seit Firmen aus China nach deutschen Hochtechnologiefirmen greifen, begegnet Berlin ihnen mit zunehmender Skepsis. Im Juli vergangenen Jahres wurde die Außenwirtschaftsverordnung verschärft. Auslöser war damals der Einstieg des chinesischen Mischkonzerns Midea beim Augsburger Roboterhersteller Kuka.

Derzeit wird über eine Verschärfung der Regeln gesprochen. Und wieder steht Kuka unter genauer Beobachtung. Denn nur zwei Jahre nach dem vier Milliarden Euro schweren Deal ist der deutsche Konzernchef Till Reuter überraschend vom Aufsichtsrat abgesetzt worden.

„Fälle wie Kuka zeigen, dass der strategische Spielraum für europäische Unternehmen unter chinesischer Führung geringer wird“, urteilt Mikko Huotari, stellvertretender Direktor des Berliner China-Forschungsinstituts Merics.

Chinesen als letzte Rettung

Auch in der Wirtschaft ändert sich der Blick auf die Investoren aus China. Die erste Welle der chinesischen Investoren wurde positiv wahrgenommen. Allen voran einer: Liang Wengen. Der Gründer des Betonpumpenherstellers Sany aus der Heimatstadt von Revolutionsführer Mao Zedong zog ab 2009 in Bedburg seine Europazentrale hoch. 2012 kaufte er dann den schwäbischen Konkurrenten Putzmeister.

Zunächst galt die Kooperation als Musterbeispiel für geglückte Übernahmen. Liang half den Deutschen. Der globale Markt wurde aufgeteilt. Beide Seiten profitierten. Allerdings haben die Chinesen zwischenzeitlich auch zweimal den Unternehmenschef ausgetauscht. Die Gründe dafür blieben ebenso verborgen wie die Frage nach dem Know-how-Transfer.

Manchmal sind die Chinesen auch die letzte Rettung: Ohne den Einstieg der Shanghai Electric Group im Jahr 2016 mit knapp einem Fünftel der Anteile hätte die Manz AG wohl kaum überlebt. Manz baut Anlagen zur Fertigung von Solarzellen, Batterien und Displays. Der Partner dient als Schlüsselöffner für den Markt.

Ähnlich positiv wurde der Einstieg der chinesischen North Lingyun Industrial Group beim angeschlagenen Automobilzulieferer Kiekert gesehen.

Doch langsam dämmert den Europäern, dass die Chinesen nicht nur stille Helfer sind, sondern ihre eigenen Ziele verfolgen. Peking hat mit der Strategie „Made in China 2025“ die globale Aufholjagd zum Regierungsziel erklärt. Firmen aus der Volksrepublik sollen in Schlüsselbranchen wie dem Maschinenbau, der Automobilindustrie oder dem Medizinsektor globale Spitzenreiter werden.

Dazu sollen sie selbst die besten Produkte entwickeln oder eben direkt Fachwissen im Ausland einkaufen. „Auf Unternehmensseite gibt es zunehmend Zweifel mit Blick auf mittel- und langfristige Marktchancen in China, die sich aus solchen Übernahmen ergeben können“, sagt Huotari.

Die Investitionen in Zahlen

Während deutsche Unternehmen seit der Jahrtausendwende ihre Umsatzanteile Jahr für Jahr in China gesteigert haben, kauften sich chinesische Unternehmen in den vergangenen zwei Jahrzehnten mehr und mehr in Deutschland ein.

Nach einer Untersuchung der staatlichen Förderbank KfW wurden seit 2005 insgesamt 13 700 deutsche Mittelständler mit einem Jahresumsatz bis 500 Millionen Euro von ausländischen Käufern übernommen. Darunter waren 302 chinesische Käufer, das entspricht einem Anteil von 2,2 Prozent. Bis 2010 betrafen vier von fünf Käufen das verarbeitende Gewerbe, allen voran den Maschinenbau.

Die Unternehmensberatung EY kommt auf 327 chinesische Übernahmen in Deutschland seit 2006 (siehe Grafik) und rechnet dabei auch die Deals von großen Unternehmen mit ein, wie beispielsweise den Einstieg des chinesischen Investors Ningbo Jifeng beim Autozulieferer Grammer.

Seit 2010 traten Chinesen immer häufiger als Käufer auf. 2016 stieg der Anteil auf 5,9 Prozent – der bisherige Rekord. 2017 waren es 4,2 Prozent. Zugleich weitete sich der Branchenfokus merklich aus, vor allem in die Sektoren Fahrzeugbau und Biotechnologie. Außergewöhnlich hoch ist die Vorliebe chinesischer Käufer für angeschlagene Firmen. 14 Prozent der Unternehmen wurden aus der Insolvenz herausgekauft.

Im laufenden Jahr scheinen sich chinesische Käufer eher zurückzuhalten, urteilt die KfW. Ursache dafür ist zum einen der zunehmende politische Widerstand aus Berlin. Darüber hinaus kamen aber auch aus Peking wiederholt Anweisungen, sich mit teuren Übernahmen zurückzuhalten, um die ohnehin schon hohe Verschuldung vieler chinesischer Firmen nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Doch die bisherigen Deals sprechen für sich.

Fall Daimler

Es war der Finanzcoup des Jahres. Quasi über Nacht stieg der chinesische Selfmademilliardär Li Shufu im Februar bei Daimler mithilfe von raffiniert eingesetzten Finanzinstrumenten zum größten Aktionär auf. Der Gründer des chinesischen Fahrzeugherstellers Geely und Eigner von Volvo Pkw sicherte sich fast zehn Prozent der Anteile.

Das Management um Daimler-Chef Dieter Zetsche wurde von dem Deal, der die Meldeschwellen lange clever umkurvte, völlig überrumpelt. Es sei „nichts völlig Ungewöhnliches oder Weltbewegendes“, redete Zetsche den Einstieg von Li klein. Dabei rief die Beteiligung sogar die Bundesregierung auf den Plan, die schärfere Meldepflichten erwägt.

Zudem verändert sich mit Li die komplette Statik im Daimler-Reich. Der Chinese macht Druck, drängt auf umfassende Kooperationen und will, dass Daimler beim Konkurrenten Volvo einsteigt oder zumindest Motoren an die Schweden liefert. Doch die Stuttgarter zieren sich, schließlich geht es um einen Wettbewerber.

Gänzlich verschließen kann sich Daimler den Forderungen des Großaktionärs aber nicht. Seit Monaten loten der Mercedes-Hersteller und Geely daher in gemeinsamen Arbeitsgruppen aus, in welchen Feldern die beiden Konzerne zusammenarbeiten könnten. Bisher gibt es nur einen Schmalspurkompromiss: Daimler und Geely wollen im Reich der Mitte einen Luxus-Mitfahrdienst etablieren.

Das Joint Venture für sogenanntes Ride-Hailing, an dem beide Partner je zur Hälfte beteiligt sind, soll Kunden in Edelkarossen wie Maybach oder S-Klasse komfortabel durch chinesische Städte befördern. Eine Nische in Fernost ist der kleinste gemeinsame Nenner.

Fall Deutsche Bank

Als glücklos gilt der Einstieg des chinesischen Mischkonzerns HNA bei der Deutschen Bank. Im Frühjahr 2017 war HNA bei der Deutschen Bank eingestiegen und hatte seine Beteiligung über den österreichischen Vermögensverwalter C-Quadrat binnen weniger Wochen auf 9,9 Prozent der Aktien aufgestockt. Mit Alexander Schütz, dem Chef von C-Quadrat, entsandten die Chinesen auch einen eigenen Vertreter in den Aufsichtsrat.

Die Bank konnte damals einen Ankeraktionär, der sich an ihrer Kapitalerhöhung beteiligt, gut brauchen. Richtig warm wurde das Institut mit dem Großaktionär allerdings nie. Der bis April 2018 amtierende Vorstandschef John Cryan etwa ging einem Treffen mit Adam Tan, dem Vorstandschef von HNA, monatelang aus dem Weg, weil er das Engagement der Chinesen für spekulativ hielt.

Auch europäische Aufsichtsbehörden sehen die HNA-Beteiligung an der Deutschen Bank seit Längerem kritisch. Klarheit, wie der Deutsche-Bank-Anteil in die Strategie von HNA passt, herrschte eigentlich nie. Zeitweise liebäugelte die EZB-Bankenaufsicht sogar damit, HNA so zu durchleuchten, wie es sonst nur bei Bankaktionären üblich ist, die mit mehr als zehn Prozent an einer Bank beteiligt sind.

Zum Misstrauen trugen vor allem die hohen Schulden bei, mit denen der Deal finanziert wurde. HNA hält außerdem nur einen kleinen Teil der Aktien direkt und hat auf den Rest nur über eine Derivatekonstruktion Zugriff. Diese Derivatestruktur begrenzt die möglichen Verluste HNAs, wenn der Aktienkurs der Deutschen Bank sinkt.

Mittlerweile ist durchgesickert, dass der hochverschuldete Konzern sich von dem Deutsche-Bank-Paket wohl schrittweise trennen will. Die Derivatestruktur würde einen schrittweisen Ausstieg auf jeden Fall erleichtern: Sie sieht vor, dass die Schweizer Großbank UBS von HNA Aktien zu einem bestimmten Preis abnehmen muss. Dieser Preis liegt teils deutlich über dem aktuellen Kurs.

In den vergangenen Monaten ist der HNA-Anteil bereits auf 7,6 Prozent gesunken. In der ersten Jahreshälfte kann sich HNA älteren Veröffentlichungen zufolge von weiteren Aktienpaketen auf diese Art trennen.

Fall Grammer

Doch auch das Vorgehen deutscher Manager sorgt für mehr Skepsis auf chinesischer Seite. Beispielhaft dafür steht der Fall Grammer. Als die Übernahme durch die umstrittene Investorenfamilie Hastor drohte, fädelte Grammer-Chef Hartmut Müller den Einstieg der chinesischen Ningbo Jifeng bei dem Autozulieferer ein.

Auf den ersten Blick ein Bilderbuch-Investor: Zwar ist das chinesische Unternehmen mit 250 Millionen Euro deutlich kleiner als Grammer. Doch handelt es sich um ein Familienunternehmen ohne Staatsbeteiligung.

Juniorchef Wang Jimin, der die Kontakte in die Oberpfalz knüpfte, spricht geschliffen Englisch und hat in den USA studiert. Mit ihrem Übernahmeangebot sicherten sich die Chinesen gut 84 Prozent der Anteile. Zuvor hatte Müller ausgehandelt, dass die Standorte und Arbeitsplätze für siebeneinhalb Jahre nicht angetastet werden.

Doch nur wenige Wochen nach Vollzug der Übernahme machten sich Müller und der komplette Vorstand mit einer Millionenabfindung davon. Obwohl sie die Übernahme stets unterstützt hatten, zogen sie eine Kontrollwechselklausel, die eigentlich eher für den Fall feindlicher Übernahmen gedacht ist. Allein Müller dürfte Branchenschätzungen zufolge gut vier Millionen Euro kassiert haben, seine beiden Vorstandskollegen je die Hälfte davon.

Klar ist: Pekings Investitionen stehen erst am Anfang. Die Volksrepublik ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Entsprechend groß dürfte künftig auch das Investment ausfallen. Deutschland wird einen langfristigen Umgang mit den Geldgebern aus China finden müssen.