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Skandalbank Lehman Brothers will einen Großteil ihrer Cum-Ex-Profite zurückzahlen

Die Staatsanwaltschaft Köln steht kurz vor einem Deal mit der einstigen US-Investmentbank. Fast 50 Millionen Euro könnten in die Staatskasse zurückfließen.

Bei der Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals stehen deutsche Behörden vor einem großen Erfolg: Der Insolvenzverwalter der 2008 im Zuge der Finanzkrise untergegangenen US-Investmentbank Lehman Brothers hat sich grundsätzlich bereit erklärt, einen Großteil der Profite zurückzuzahlen, die das Geldhaus mit Cum-Ex-Geschäften erzielt hatte.

„Wir hoffen und erwarten, eine einvernehmliche Lösung dieser Angelegenheiten zu erreichen“, erklärte ein Sprecher des Insolvenzverwalters von Lehman Brothers International Europe auf Nachfrage. Er nannte keinen Betrag, aber es gehe um eine „erhebliche Reserve“.

Nach Informationen des Handelsblatts aus informierten Kreisen könnte es sich um eine Summe von rund 50 Millionen Euro handeln. Es wäre einer der höchsten Beträge, die eine Bank je wegen ihrer Beteiligung an Cum-Ex-Geschäften an den Staat überwies.

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Bei Cum-Ex-Geschäften wurden Aktien ohne eigentlichen wirtschaftlichen Sinn rund um den Ausschüttungstermin für die Dividende im Kreis gehandelt. Der einzige Zweck: Zu einem Stichtag wurde den Finanzämtern mittels Leerverkäufen vorgetäuscht, es gebe zwei Eigentümer ein und derselben Aktie. Einer von ihnen führte dann eine Kapitalertragsteuer ab, beide ließen sich diese „erstatten“. Der Staat verlor durch diese Praxis im Laufe der Jahre zwölf Milliarden Euro.

Der Fall Lehman könnte nun Signalwirkung haben: Denn die Bank zahlt, obwohl sie selbst gar keine Kapitalertragsteuern einstrich. Lehman agierte bei den Cum-Ex-Geschäften als sogenannter Leerverkäufer. Dabei veräußerte sie Aktien, die ihr noch gar nicht gehörten. Ohne einen solchen Leerverkäufer wären die Kreisgeschäfte in aller Regel gar nicht möglich gewesen.

Lehman strich für die Deals üppige Provisionen von den Geschäftspartnern ein. Die „German Trades“, wie sie bankintern genannt wurden, waren äußerst lukrativ.

Vor allem in den Jahren 2007 und 2008 war die britische Einheit der US-Investmentbank auf der Seite der Leerverkäufer einer der wichtigsten Akteure in den Cum-Ex-Geschäften. Ihr Anteil an der Beute aus dem Staatssäckel soll nach Recherchen des Handelsblatts mehr als 100 Millionen Euro schwer gewesen sein.

Erst kurz vor dem Kollaps bekamen die Investmentbanker Skrupel. „Die ersten Shortseller werden auch schon nervös. Lehman hat jedenfalls die Hosen voll“, notierte ein beratender Anwalt der Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in einer E-Mail, als sich die ehemalige NRW-Landesbank WestLB einmal kurzfristig mit 14 Prozent der Aktien des einstigen Gemeinschaftsunternehmens Daimler-Chrysler eindeckte.

Strafrechtliche Ermittlungen laufen weiter

Das Kapitel Cum-Ex will der Lehman-Insolvenzverwalter zumindest finanziell abschließen. Noch ungeklärt ist, was die finanzielle Einigung mit Lehman Brothers für die strafrechtliche Aufarbeitung des Falls bedeutet.

Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen mehrere ehemalige Mitarbeiter der Bank. Auf Anfrage wollte sich ein Behördensprecher nicht zu dem Fall und den Verhandlungen mit dem Insolvenzverwalter äußern.

Für die Behörde ist der Zwischenerfolg nur ein Mosaikstein in einem riesigen Puzzle. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen etwa 70 Finanzinstitute und mehr als 900 Beschuldigte. Auch die Behörden in Frankfurt und München ermitteln und klagen an. Auf den Listen der Staatsanwälte finden sich Investmentbanker, Bankvorstände, Steueranwälte und Wirtschaftsprüfer, insgesamt sind es rund 1000 Verdächtige.

Neben den Käufern der Aktien und den Shortsellern müssen weitere Akteure Sanktionen fürchten. Ermittlungs- und Finanzbehörden gehen ebenfalls gegen Broker wie ICAP, Fremdkapitalgeber wie die Deutsche Bank oder Depotbanken wie Caceis vor. Die bayerische Finanzverwaltung etwa fordert mehr als 300 Millionen Euro von Caceis. Die Tochter der französischen Großbank Crédit Agricole wiederum hat ihrerseits zahlreiche ehemalige Geschäftspartner auf Schadensersatz verklagt.

Im März 2020 endete ein Pilotprozess mit einer Verurteilung zweier Angeklagter vor dem Landgericht Bonn. Aktuell steht in einem zweiten Verfahren ein ehemals hochrangiger Banker von M.M. Warburg vor Gericht.

In Bonn befassen sich zwei Strafkammern mit Cum-Ex-Fällen, weitere sollen eingerichtet werden. Dort sollen bis zu zehn Verfahren gleichzeitig geführt werden können. Auch an den Landgerichten Wiesbaden und Frankfurt starten in Kürze Prozesse.

Die Aufgabe der Strafverfolger ist so groß, dass auf Initiative des NRW-Justizministers Peter Biesenbach jüngst sogar eine Gesetzesänderung auf den Weg gebracht wurde. Weil Verfahren wegen derartiger Steuervergehen bislang spätestens zehn Jahre nach der Tat eingeleitet werden mussten, drohten zahlreiche Cum-Ex-Fälle nicht geahndet zu werden. Diese Gefahr ist gebannt: Die Frist wird auf 15 Jahre verlängert.