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Skandal um österreichische Commerzialbank erinnert an Wirecard

In Österreich hat ein Bankchef jahrzehntelang Bilanzen frisiert, die Aufsicht griff nicht ein. Die Aufarbeitung läuft trotz schwerer Vorwürfe schleppend.

Nach dem jahrzehntelangen Bilanzbetrug bei dem burgenländischen Regionalinstitut Commerzialbank erhöht sich der Druck auf die österreichischen Aufsichtsbehörden. Bankchef Martin Pucher hatte fast 30 Jahre lang fingierte Bankgeschäfte getätigt, ohne dass die Finanzmarktaufsichtsbehörde FMA, die Oesterreichische Notenbank (OeNB) oder die Prüfgesellschaft TPA mit der nötigen Konsequenz eingeschritten wären.

In den vergangenen Wochen hatten Ermittler Commerzialbank-Chef Pucher und seine Kollegin K. befragt, die in der Geschäftsleitung als seine rechte Hand agierte. Dabei wurde deutlich, dass es der Bank bereits zur Gründung Anfang der 1990er-Jahre wirtschaftlich nicht gut ging. Pucher hatte den wahren Zustand des Unternehmens verschleiert, indem er beispielsweise Scheinguthaben bei anderen österreichischen Banken führte. Die Belege zu diesen Aktiva fälschten er und seine engste Mitarbeiterin K.

Der Skandal, bei dem immer wieder Vergleiche zur Wirecard-Pleite in Deutschland gezogen werden, kam erst im Februar dieses Jahres ans Licht, als ein Whistleblower ein 29-seitiges Dokument an die FMA schickte. Schnell wurde klar, dass bei dem Geldhaus mehrere Hundert Millionen Euro fehlten. So stehen einige Hundert Ärzte aus Wien und dem Burgenland als Kreditnehmer in den Büchern der Commerzialbank, die von dieser angeblichen Geschäftsbeziehung erst nach Bekanntwerden des Skandals erfahren haben.

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Die Notenbank und die Finanzaufsicht schöpften zwar schon vor einiger Zeit den Verdacht, dass bei der Commerzialbank einiges nicht mit rechten Dingen zugeht. Vertretern beider Institutionen war bewusst, wie mangelhaft das Kreditrisiko-Management ausgestaltet war. Das hatte beispielsweise eine Vorort-Prüfung durch die OeNB im Jahr 2015 ergeben.

Auch dass Pucher falsche Angaben zum Eigenkapital der Bank machte, war bekannt. Die FMA erstattete wegen des Verdachts auf Untreue 2015 Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt sah aber 2015 keinen ausreichenden Anfangsverdacht, um Ermittlungen aufzunehmen.

„Das Böse ist immer und überall“

Die politische Aufarbeitung läuft derweil schleppend: Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) hat zudem kürzlich eine Arbeitsgruppe einberufen, bestehend aus Vertretern des Finanzministeriums, der FMA und der OeNB. Die Experten sollen Instrumente entwickeln, damit sich Ereignisse wie bei der Commerzialbank nicht wiederholen. Welche Maßnahmen das sein könnten, hat Blümel nicht gesagt.

Vertreter der OeNB, der FMA und der Prüfgesellschaft TPA weisen die Verantwortung für den Skandal von sich. OeNB-Gouverneur Robert Holzmann etwa zitierte zu seiner Entlastung eine Zeile aus dem Song „Ba-Ba-Banküberfall“ der Pop-Band Erste Allgemeine Verunsicherung (EAV): „Das Böse ist immer und überall.“ Es handle sich bei der Commerzialbank, meinte Holzmann, um einen Kriminalfall, bei dem mit Finesse ein internes Pyramidenspiel aufgebaut worden sei.

Pucher mag schlau vorgegangen sein. Doch verstehen Finanzexperten nicht, wie die Warnsignale übersehen werden konnten. So hätte den Prüfern auffallen müssen, dass sich die Bilanzsumme des Instituts seit 2008 fast auf 795 Millionen Euro verdoppelt hat. Immerhin sind in diesem Zeitraum die Bilanzen des österreichischen Bankensektors insgesamt geschrumpft.

Zudem bezahlte die Commerzialbank höhere Zinsen als andere Institute. Gerade im Retailbanking herrscht aber ein derart scharfer Wettbewerb, dass es bei den Zinssätzen in keinem entwickelten Land große Differenzen zwischen den Finanzhäusern gibt.

Zu dieser Posse passt, dass Pucher mit Bankgeldern den lokalen Fußballklub SV Mattersburg unterstützte. Rund 40 Millionen Euro soll der Verein über die Jahre erhalten haben, womit sich dieser in der obersten österreichischen Liga halten konnte.

Pucher soll darüber hinaus Firmenkunden, die in finanziellen Schwierigkeiten steckten, Bargeld ausgehändigt haben. Als Manager scheint er überfordert gewesen zu sein. So ist er laut seinem Anwalt nicht imstande, einen Computer zu bedienen. Für das Tagesgeschäft war daher seine Kollegin K. zuständig.

Eigenartig war schließlich, wie sich der Verwaltungsrat der Bank zusammensetzte. Dem Gremium gehörten Kunden des Instituts an; ob diese fähig waren, das Bankmanagement zu beaufsichtigen, war zweitrangig. Auch dieser Missstand hat die österreichische Aufsicht nicht zum Handeln bewegt.

Viele Prüfer seien halt junge Juristen, sagt Karin Doppelbauer, Nationalratsabgeordnete der liberalen Partei Neos sowie deren Budget- und Finanzsprecherin. Vom Finanzgeschäft hätten sie noch keine große Ahnung. Dass sich die Prüfer von einem überforderten Manager übertölpeln ließen, ist allerdings einiges mehr als eine kleine Jugendsünde.