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Silicon Volkswagen in Berlin

Entwicklungszentrum Digital Lab - Silicon Volkswagen in Berlin

Das Friedrichshainer Spree-Ufer gehört sicherlich zu den besseren Adressen im früheren Ost-Berlin. In einem der alten Speichergebäude am Osthafen hat der Volkswagen-Konzern eine für einen Automobilhersteller ganz besondere Abteilung untergebracht. Dort residiert die jüngste konzerneigene Software-Schmiede des Wolfsburger Konzerns, das sogenannte Digital Lab.

Die gesamte Automobilindustrie steht vor einem umfassenden Umbau: Digitalisierung, Autonomes Fahren, der Wandel zum Mobilitätsanbieter – überall wächst der Bedarf an zusätzlichem IT- und Software-Wissen. gründet deshalb überall auf der Welt neue, hoch spezialisierte Stützpunkte, die sogenannten Labs. Berlin bekommt das Zentrum für die Software-Entwicklung. Aktuell arbeiten dort gut 50 Fachkräfte, bis Ende kommenden Jahres sollen es mehr als 100 werden.

Zur Eröffnung des neuen Digital Labs am Dienstagabend kam der Vorstandsvorsitzende nach Berlin. Für VW-Chef sind die Labs des Konzerns unverzichtbar für die Neuausrichtung von Volkswagen geworden. „Wir sind auf einem guten Weg, das Riesen-Unternehmen Volkswagen zu transformieren“, betonte er.

Ein Lab wie in Berlin trage dazu bei, die Arbeitsweisen im Unternehmen einer neuen digitalisierten Welt anzupassen. Es sei nur noch eine Frage der Zeit, bis die neuen Produkte wie etwa bei Mobilitätsdiensten tatsächlich „in Serie gehen“. Neuentwicklungen wie etwa aus Berlin trügen auch dazu bei, dass Volkswagen seine Kunden besser verstehen lernt.

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Das Lab vom Berliner Spree-Ufer soll den gesamten Volkswagen-Konzern mit neuen Ideen aus der Software-Entwicklung versorgen. Am Ende können mit Hilfe von selbst lernenden Algorithmen Produkte herauskommen, die etwa Staus vermeiden helfen und für einen besseren Verkehrsfluss sorgen. Software-Produkte zur Unfallvermeidung sind ein anderes Beispiel, für das sich die Berliner Spezialisten von Volkswagen interessieren.

In Spanien bereitet das Unternehmen einen ersten groß angelegten Feldversuch mit der Stadtverwaltung von Barcelona vor, wo genau solche Produkte ausprobiert werden sollen. Der VW-Konzern nutzt dabei den Vorteil, dass seine spanische Tochtermarke Seat ihren Hauptsitz in der Nähe von Barcelona hat.


Sensoren erkennen freie Parkplätze

Ein extrem wichtiges Einsatzfeld für die VW-Techniker werden in den kommenden Jahren Sensoren sein, die in jedem Auto eingebaut werden dürften. Sensoren eines vorbeifahrenden Wagens können etwa melden, wann am Straßenrand ein Parkplatz freigeworden ist. Wenn dann alle Autos auf diese Weise freie Parkplätze melden und an einen zentralen Rechner schicken, entsteht ein ziemlich vollständiges Bild über den tatsächlich verfügbaren Parkraum in einer Stadt.

Ein anderes Beispiel sind Wettersensoren am Auto. Melden diese etwa Regen oder Schnee, können zentral zusammengefasste Daten schnell und zuverlässig die genaue Größe eines Niederschlagsgebietes ermitteln. Die meisten Autofahrer dürften an solchen zusätzlichen Wetterdaten sehr interessiert sein, besonders im Winter. Die Aufgabe der Berliner Software-Entwickler von besteht dann darin, die Computerprogramme für solche Einsatzfelder zu schreiben.

Volkswagen arbeitet in Berlin mit dem amerikanischen Softwareanbieter Pivotal zusammen. Das US-Unternehmen schickt in der zweijährigen Startphase des Digital Lab eigene Leute nach Berlin, die Volkswagen beim Aufbau des neuen Stützpunktes helfen sollen.

Pivotal-Chef Rob Mee lobte die Zusammenarbeit mit Volkswagen. „In Berlin entsteht die nächste Generation des Silicon Valley“, sagte er. Dazu gehörten ein ausgeprägter Teamgeist und eine enge Zusammenarbeit miteinander. Für Software-Entwickler von heute sei es wichtig, dass sie ihre Informationen miteinander teilten und nicht voreinander versteckten. Diese Voraussetzungen seien am Berliner Lab gegeben.

VW-Chef , der in den 70er-Jahren selbst Informatik studiert hatte, verglich scherzhaft seine Arbeitsbedingungen mit denen im Volkswagen Lab von heute. „Wenn wir diese Bedingungen damals gehabt hätten, wäre ich wahrscheinlich in der IT geblieben“, sagte er. Und im Nachsatz fügte er noch hinzu: „Dann würde ich allerdings hier jetzt nicht als Vorstandschef von Volkswagen stehen.“

KONTEXT

Dieselgate wird für VW immer teurer

Teure Folgen

Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar hat der Konzern nach dem 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA mehr Klarheit darüber, was ihn der Skandal um manipulierte Dieselautos dort kosten wird. Zugleich nimmt der Druck auf die Wolfsburger in Europa zu, die Kunden auch hier zu entschädigen. Europas größtem Autokonzern drohen weitere Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen und Strafen, die sich auf weit mehr als zehn Milliarden Euro auftürmen könnten. Analysten schätzen, dass die Aufarbeitung des Skandals den Konzern am Ende insgesamt zwischen 20 und 35 Milliarden Euro kosten wird, sogar von bis zu 50 Milliarden ist vereinzelt die Rede. Es folgt eine Übersicht der absehbaren Kosten.

Der US-Vergleich

Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern will VW Insidern zufolge mindestens 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Eine Grundsatzvereinbarung ist getroffen, für eine endgültige Einigung gab ein Gericht den Parteien bis Ende September Zeit.

Weitere Strafen und Klagen in den USA

Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das "Wall Street Journal" berichtete unlängst, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Lösung für Drei-Liter-Autos lässt auf sich warten

Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Für den 3. November setzte Richter Charles Breyer eine weitere Anhörung an. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten die Kosten auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.

Ärger rund um den Globus

Weltweit droht Volkswagen in mehreren Ländern Ungemach. "Wir haben die ganze Welt am Hals", sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von 14,3 Millionen Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieseln Entschädigung von umgerechnet 6700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu fünf Millionen Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgasskandals. Würde das US-Entschädigungsmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund vier Milliarden Euro.

Die Krise als Einnahmequelle für Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.

Quelle: Reuters