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Siemens schafft sich selbst einen neuen Konkurrenten

Das Gasturbinengeschäft ist derzeit die größte Baustelle von Siemens-Chef Joe Kaeser. Auf den Weltmärkten ist das Geschäft eingebrochen, die Einbußen der Kraftwerkssparte bei Umsatz und Gewinn belasteten in den vergangenen Quartalen den Gesamtkonzern. Investoren hoffen, dass Kaeser im Rahmen seiner „Vision 2020+“ eine strategische Lösung für diesen Problemsektor findet. Zuletzt machten Spekulationen über Verhandlungen mit dem japanischen Konkurrenten Mitsubishi die Runde.

Doch nun schafft sich Siemens im Gasturbinen-Geschäft sogar selbst einen neuen Konkurrenten – und hofft, davon zu profitieren. Die Partnerschaft mit der chinesischen State Power Investment Corporation Limited (SPIC) und ihrer Tochter China United Heavy-Duty Gas Turbine Company (UGTC) geht deutlich weiter als bislang angenommen. Siemens will den Chinesen laut Industriekreisen auch helfen, eine eigene Gasturbine der großen H-Klasse zu entwickeln.

Bei der Unterzeichnung einer Absichtserklärung im vergangenen Sommer hatte es geheißen, die Kooperation beziehe sich auf die Turbine SGT5-7000F der kleineren, sogenannten F-Klasse. Siemens hatte die Weiterentwicklung dieses Typs mit bis zu 300 Megawatt 2013 eingestellt und sich auf die größere und noch effizientere H-Klasse konzentriert.

Zudem unterzeichnete Kaeser an diesem Dienstag in Peking ein Partnerschaftsabkommen mit der SPIC, das auch die Digitalisierung von Kraftwerken bei Wasserstoffprojekten und dem Smart Energy Management für ein dezentrales Energiesystem vorsieht. Zudem soll ein Lieferantennetzwerk in China aufgebaut werden. Darüber hinaus seien beide Parteien übereingekommen, nicht nur im Bereich der Projektabwicklung zu kooperieren, sondern auch bei der weltweiten Entwicklung von geeigneten Gas-to-Power-Projekten.

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Doch besonders bedeutsam ist die Zusammenarbeit bei den großen Gasturbinen. Siemens will den Chinesen laut Insidern nicht die Baupläne für die Turbinen geben. Den Chinesen sollen nur Software-Designtools und andere Hilfsinstrumente zur Verfügung gestellt werden. Auf dieser Basis können sie dann eine eigene Gasturbine entwickeln. Bis etwa 2023 könnten die Chinesen dann einen Prototyp fertigstellen.

In Industriekreisen wird eingeräumt, dass sich Siemens dadurch einen neuen Konkurrenten in einem heftig umkämpften Markt schafft. Daher habe Siemens die Wahl, sich entweder selbst zu kannibalisieren oder von Konkurrenten gefressen zu werden.

Für die Kraftwerkssparte biete die Kooperation große Chancen. Siemens hofft, als Zulieferer zum Zug zu kommen. Es werde für die Chinesen nur schwer möglich sein, binnen weniger Jahre eine Produktion hochzufahren und alles selbst zu machen. Hier sieht Siemens Chancen.

Denn der Konzern liefert zum Beispiel auch für die chinesischen Hochgeschwindigkeitszüge viele Teile zu. Zudem wird in Industriekreisen betont, dass Siemens seine H-Klasse inzwischen auch weiterentwickelt habe. Die Chinesen bekämen also nicht die Software-Tools, mit denen die allerneuesten Turbinen entwickelt wurden.

Siemens sieht eher die Chancen als die Risiken. „China ist bei großen Wachstumsturbinen der letzte große Wachstumsmarkt“, heißt es in Industriekreisen. Andernorts auf der Welt sind in Zeiten der Energiewende kleine, dezentrale Lösungen gefragt. Der Markt für große Gasturbinen ist daher auf weniger als 100 verkaufte Stück im Jahr eingebrochen.

Ursprünglich hatten die Hersteller wie Siemens, GE mit Alstom, Ansaldo und Mitsubishi aber Kapazitäten für 400 Turbinen aufgebaut. So ruhen viele Hoffnungen auf China, dort sollen Kohlekraftwerke perspektivisch durch sauberere Gaskraftwerke ersetzt werden.

Wachstumsperspektiven der Kraftwerkssparte sind bescheiden

Siemens-Chef Kaeser sucht derzeit nach einer Lösung für die Kraftwerkssparte. In der neuen Konzernstruktur ist sie eines von drei „operativen Unternehmen“, die künftig den operativen industriellen Kern von Siemens bilden. Allerdings sind nicht alle Branchenexperten davon überzeugt, dass die Sparte auch langfristig zum Konzern gehören wird.

Die Margen sind deutlich niedriger als zum Beispiel in den Digitalen Industrien, die Wachstumsperspektiven bescheiden. Auf der Hauptversammlung kritisierten Investoren, dass die ungeklärte Zukunft der Kraftwerkssparte für die relativ schwache Kursentwicklung im vergangenen Jahr mitverantwortlich sei. „Wenn Siemens nur aus der digitalen Fabrik bestünde, wäre der Aktienkurs vermutlich doppelt so hoch“, sagt Christoph Niesel von Union Investment.

Allerdings wird in Industriekreisen auch betont, dass Siemens nicht unter akutem Handlungszwang stehe. Selbst in der Krise verdiente die Kraftwerkssparte zuletzt noch eine operative Umsatzrendite von etwa fünf Prozent, der langfristig laufende Service ist hochprofitabel.

Die Sparte steht besser da als die der Konkurrent General Electric mit Alstom. „Manche Fachleute glauben, dass die Talsohle langsam erreicht ist“, sagte ein Branchenkenner dem Handelsblatt. Vorstellbar sei, dass Kaeser dem Geschäft noch mehr Eigenständigkeit gebe und so weitere Kooperationen auch mit anderen Partnern ermögliche. Die Zusammenarbeit mit den Chinesen könnte nur ein Anfang sein.