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Siemens-Chefaufseher: Leiser Stratege mit Masterplan

Bescheiden und effizient führt der Däne Jim Hagemann Snabe den Siemens-Aufsichtsrat. Er ist die perfekte Ergänzung zum extrovertierten Konzernchef Joe Kaeser.

Ein typischer Däne sei Jim Hagemann Snabe, sagen bei Siemens jene, die viel mit ihm zu tun haben. Freundlich, bescheiden, zurückhaltend sei ihr Aufsichtsratschef. „Er führt mit ruhiger Hand“, sagt ein Mitarbeiter. Tritt Snabe gemeinsam mit Vorstandschef Joe Kaeser auf, dann lässt er diesem den Vortritt. Der Aufsichtsratschef, bei Weitem nicht so hochgewachsen wie sein Vorgänger Gerhard Cromme, tritt gern einen Schritt zurück und beobachtet freundlich lächelnd die Szenerie.

Snabe, der einstige SAP-Chef, setzt sich nicht gerne öffentlich in Szene; er hört lieber zu. Doch sollte man, auch da sind sie sich bei Siemens einig, Snabe nicht unterschätzen. „Er hat einen glasklaren Plan“, sagt einer, der mit ihm zusammenarbeitet. Das dürfte auch die Aufsichtsratssitzung an diesem Mittwoch zeigen, auf der wohl der Vertrag mit Vorstand Cedrik Neike verlängert wird, während sich die Wege von Personalchefin Janina Kugel und Siemens spätestens im Januar trennen werden.

Als Snabe Anfang 2018 den Aufsichtsratsvorsitz übernahm, galt er einerseits als Idealbesetzung. Digitalexpertise ist bei Siemens gefragt, auch Kaeser wünschte sich den Dänen als Chefkontrolleur. Doch andererseits hielten einige Snabe eher für eine Art Platzhalter. Kaesers CEO-Vertrag läuft bis Januar 2021, erfüllt er diesen, könnte er nach der obligatorischen zweijährigen Abkühlphase 2023 den Aufsichtsratsvorsitz übernehmen.

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Gekommen, um zu bleiben

Doch solcherlei Gedankenspiele verlieren mittlerweile ihren Reiz. „Er hat Gefallen an dem Job gefunden“, sagt ein Insider. Solange er glaube, Siemens dienen zu können, werde Snabe den Job ausfüllen. Der Däne ist also, sind viele überzeugt, gekommen, um zu bleiben. Und den umtriebigen Kaeser können sich viele ohnehin nicht untätig im Abkühlbecken vorstellen. Es sei gut möglich, dass er noch einmal um zwei Jahre verlängert, meint ein Insider.

Begründen könne er dies mit dem unsicheren konjunkturellen Umfeld und mit dem noch immer nicht vollendeten Umbau. Ohnehin wäre es falsch zu glauben, zwischen Snabe und Kaeser könnte sich angesichts der offenen Führungsfragen eine Rivalität zusammenbrauen. Mit seinen 53 Jahren ist Snabe neun Jahre jünger als der Vorstandschef. Viele gehen davon aus, dass die beiden längst in Eintracht einen Masterplan entwickelt haben. Hinzu kommt, dass sich ihre gegensätzlichen Charaktere gut ergänzen.

Ein Prinzip, das schon bei SAP funktionierte. Dort harmonierte der Betriebswirtschaftler Snabe als Co-Chef bestens mit dem extrovertierteren Bill McDermott. Vor allem aber ticken Snabe und Kaeser strategisch ähnlich. Snabe gefalle, wie konsequent Kaeser den Umbau angehe, obwohl der Handlungsdruck bei Gewinnen von sechs Milliarden Euro gering sei, heißt es im Umfeld. Das entspricht der Philosophie, die Snabe in seinem Buch „Dreams and Details“ festgehalten hat.

Darin erläutert er, wie Firmen in der digitalen Zukunft bestehen können. „Die SAP ist an der Spitze der Softwareindustrie und eines der wenigen weltweit führenden Unternehmen mit Hauptsitz in Europa, weil sie die Fähigkeit hat, sich aus einer Position der Stärke heraus neu zu erfinden“, schrieb Snabe. Die meisten Unternehmen warteten, „bis die Katastrophe über sie hereinbricht“. Wie immer das Großexperiment ausgehen wird, erfindet Kaeser Siemens derzeit zweifelsohne neu.

Er hat den einst trägen Mischkonzern in eine operative Holding verwandelt. Viele Geschäfte wurden verselbstständigt, 2020 soll die Energiesparte abgespalten werden. Siemens verabschiedet sich damit immerhin von 40 Prozent des Umsatzes und den eigenen Wurzeln. Übrig bleibt eine Digital-Company, deren Betriebssystem Mindsphere eng verknüpft ist mit realer Produktion und Maschinen, ein Thema, das Snabe schon bei SAP umtrieb. Bislang schlägt sich der radikale Umbau Kaesers – an der Börse und bei den Margen – allenfalls begrenzt nieder. Manche im Konzern sind skeptisch geworden, ob die Risiken nicht überwiegen. Doch Snabe, der Betriebs- und Finanzwissenschaften studiert hat und 1990 bei SAP anfing, steht hinter Kaesers Kurs.

Er ist wie dieser überzeugt, dass Spezialisten schneller und präziser auf den immer schnelleren Wandel reagieren können. Und so bringt er sich hinter verschlossenen Türen intensiv in die Diskussionen ein. „Er sieht sich eher als Berater denn als Aufseher“, sagt einer aus dem Umfeld. Ob er nun längerfristig den Siemens-Aufsichtsrat führen will oder ganz andere Pläne hat? Für Snabe ist das vermutlich aktuell kein Thema.

Die Welt ändert sich zu schnell für Fünfjahrespläne und in Stein gemeißelte Strategiekonzepte, davon ist der Däne überzeugt: „Ich gehe davon aus, dass wir die Zukunft nicht planen können.“

Mehr: Das Top-Management des Industriekonzerns droht wieder zum Altherren-Klub zu werden. Dabei gilt nicht nur für Siemens: Je bunter der Vorstand, desto besser.