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Shigenobu Nagamori – Japans Unternehmerlegende geht auf Firmenjagd in Deutschland

Andere japanische Manager schreiben Ende des Jahres Grußkarten an Kunden. Der Chef des japanischen Elektromotorenherstellers Nidec, Shigenobu Nagamori, verfasst dagegen Briefe vor allem an Manager und Unternehmer, deren Geschäfte er gerne kaufen würde. Meist holt er sich erst einmal Abfuhren, gestand er einst der japanischen Wirtschaftszeitung „Nikkei“. Doch oft zahlt sich seine Geduld irgendwann aus.

Dem Kauf des mittelständischen Getriebeherstellers MS-Graessner aus dem schwäbischen Dettenhausen ging ein 18-monatiges Abtasten voraus. Eigentümer und Firmenchef Michael Stadler besuchte Nidec in Japan – und Nagamori schickte seine Spezialisten nach Schwaben. So ausdauernd umworben entschied sich Stadler, den Spezialisten für Roboter-Getriebe mit 160 Mitarbeitern, knapp 22 Millionen Euro Umsatz und zehn Prozent operative Rendite nach Japan zu verkaufen.

„Die Produkte passen perfekt, und die Arbeitsplätze sind gesichert“, sagt Stadler. MS-Graessner stellt sogenannte Hypoid-Kegelradgetriebe zur optimalen Kraftübertragung bei Industrierobotern her, die Nidec in seinem Portfolio bislang fehlten. Zu den Kunden von MS-Graessner zählen Roboterhersteller wie Kuka oder Fanuc. Das jüngste Beispiel zeigt, wie akribisch Nagamori auch bei kleineren Zukäufen wie MS-Graessner vorgeht.

Aber der Deal ist nicht der erste Zukauf der Japaner in Deutschland: 2014 kaufte Nidec die Thüringer Geräte- und Pumpenbau GmbH Dr. Eugen Schmidt, einen Pumpenlieferanten von Autobauern wie Daimler und Volkswagen. Und die Japaner versprachen, deutsche Technik auch bei ihren japanischen Kunden wie Honda, Subaru und japanischen Autozulieferern in die Lieferkette zu bringen.

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2017 folgten DriveXpert, ein Hersteller von elektronischen Kontrolleinheiten für Autos, sowie der Flensburger Kompressorenhersteller Secop. Die Einkaufstour der Japaner scheint erst richtig loszugehen: Japans Wirtschaftszeitung „Nikkei“ berichtete, dass MS-Graessner nur der erste von fünf Käufen deutscher Hersteller von Werkzeugmaschinen und Bauteilen für Roboter sei, die Nidec im nächsten halben Jahr durchführen wolle – für geschätzt 380 Millionen Euro.

In der Konzernzentrale von Nidecs gab es dazu allerdings keine Bestätigung. „Fusionen und Käufe spielen eine große Rolle in unserer Wachstumsstrategie“, sagte ein Firmensprecher. Es sei aber sehr schwer vorherzusagen, ob und wann Akquisitionen stattfinden und wie hoch die Kaufsummen sein würden.

„Nagamori ist eine herausstechende Unternehmerpersönlichkeit in Japan“, sagt Martin Schulz, Volkswirt am Fujitsu Research Institute in Tokio. „Besonders in seiner Investitionsstrategie unterscheidet er sich von der Masse.“ Japanische Unternehmen übernähmen oft Firmen, die ihnen sofort Einnahmen oder Marktanteile bringen würden. „Im Gegensatz dazu kauft Nagamori strategisch ein, um Innovationen in seinem Konzern voranzutreiben.“

Dabei legt der inzwischen 74-Jährige ein Tempo vor, das für japanische Industrieunternehmen atemberaubend ist. Nagamori hat seit der Firmengründung 1973 schon rund 60 Unternehmen gekauft. Seine Ziele sind ambitioniert. Nagamori hat Nidec zum größten Hersteller von Minimotoren für Festplatten mit 11,6 Milliarden Euro Umsatz aufgebaut. Nun will er zum „größten umfassenden Elektromotorenhersteller der Welt“ werden, predigt er Anlegern und Mitarbeitern.

Als Megatrends hat er Elektroautos, Roboter, energiesparende Motoren für Haushaltsgeräte und Industriemaschinen sowie die Revolution im Logistikgewerbe definiert. Bis 2020 will Nagamori den Umsatz um rund ein Drittel auf 15,5 Milliarden Euro und die Gewinnmarge von zwölf auf mehr als 15 Prozent erhöhen. Geht es nach Plan, werden Zukäufe fast das gesamte Wachstum ausmachen.

Und das Geschäft mit Bauteilen und Elektromotoren für Autos soll dann bis zur Hälfte der Einnahmen erwirtschaften. Dementsprechend setzt Nagamori seine Firmenscouts und die Finanzabteilung unter Strom, um Nidec auf Augenhöhe mit globalen Konzernen wie Bosch zu heben.

2017 stemmte Nagamori seine bisher größte Akquise: Für 1,2 Milliarden US-Dollar kaufte er den amerikanischen Motorenhersteller Emerson Electric. Dieses Jahr reihte Nidec für eine Milliarde US-Dollar das Kompressorengeschäft von Whirlpool in sein Portfolio ein.

Im April stellte das Unternehmen eine kompakte Antriebseinheit für Elektroautos vor, die Motoren, Reduktionsgetriebe und Wechselrichter integriert. Im Mai gründeten die Japaner ein Motoren-Joint-Venture mit der französischen Autogruppe PSA, um für 220 Millionen Euro eine Fabrik zu bauen.

Kein Kapital, nicht einmal eine Fabrik

Konzernchef Nagamori zeichnet sich durch zwei weitere Besonderheiten aus: Zum einen hat er sich den Ruf aufgebaut, ein gutes Auge für „hässliche Entlein“ zu haben, die sich als Schwäne entpuppen. „56 Siege, kein Verlust“, bilanzierte er seine Investitionstätigkeit Anfang des Jahres unbescheiden in der „Nikkei“. „Alle waren erfolgreich.“

Auch Japans Technikinvestor Masayoshi Son, dessen Unternehmen Softbank den größten Technikinvestmentfonds der Welt aufgelegt hat, sieht das so. Er holte Nagamori in Softbanks Aufsichtsrat.

Zum anderen hat der Nidec-Chef sich auch im fortgeschrittenen Alter die Wandlungsfähigkeit bewahrt, die ihn als Start-up-Gründer einst auszeichnete. Mit 29 Jahren gründete er mit drei Kollegen in einer Hütte neben seinem Elternhaus in Kioto das Unternehmen für Präzisionsmotoren. „Wir hatten kein Kapital, nicht einmal eine Fabrik“, erinnert sich Nagamori.

Die vier Ingenieure hatten einen gemeinsamen Traum: Sie wollten einen Weltmarktführer aufbauen. Doch schnell stellten sie fest, dass sich kein japanischer Konzern mit einem Start-up abgeben wollte. Das Unternehmen suchte daher in den USA und später in Europa nach Kunden – mit Erfolg. Doch damit stieß er auf eine zweite Barriere. Topingenieure wollten nicht bei dem Mittelständler arbeiten.

Daher stützte sich Nagamori auf Personal, das andere nicht wollten. Die Belegschaft dankte ihm die Chance und arbeitete hart. Einen Teil der Tagesgeschäfte führt seit Juni der 50-jährige Firmenpräsident Hiroyuki Yoshimoto. Nagamori hatte den Sanierungsexperten 2015 von Nissan geholt. Er wolle Yoshimoto immer mehr der Geschäfte übergeben, sagt Nagamori. „Yoshimoto ist jung, ambitioniert, und sein Managementstil ähnelt meinen.“