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Wie sich Serbiens Präsident vom Propaganda-Minister zum Pro-Europäer wandelt

Ein Oppositionsbündnis verlangt


Die Kulisse an der Donau könnte nicht schöner sein. Am Hang thront die frisch renovierte Festung Golubac, unmittelbar an der Grenze zwischen Serbien und Rumänien. Eine mit Bussen angekarrte Menge wartet geduldig in der Frühjahressonne. Aleksandar Vucic, der Präsident und Ex-Premier des Balkanlands Serbien, kann sich so als geschichtsbewusster Modernisierer präsentieren, der das Land nicht zuletzt mit EU-Hilfe voranbringt.

Malerische Bilder von einer malerischen Landschaft, mittendrin das lächelnde Staatsoberhaupt, umringt von jubelnden Bürgern vor dem nationalen Symbol – wie aus dem Lehrbuch des früheren Propaganda-Ministers.

Das Marketing braucht Serbiens Präsident dringend. Denn Vucic, 49, befindet sich im Straßenkampf. Seit Dezember geht die Oppositionsallianz Bündnis für Serbien (SzS), in der sich Regierungsgegner von links bis ganz rechts gesammelt haben, auf die Straßen von Belgrad. Erst am Samstag demonstrierten 10.000 Serben gegen Vucic.

Sie verlangen den Rücktritt von dem Chef der Serbischen Fortschrittspartei, bezeichnen ihn als Autokraten. Und sie fordern mehr Rechtssicherheit, faire Wahlen und Medienfreiheit. „Der Präsident hat die exekutive und die gesetzgebende Macht in seiner Hand konzentriert“, kritisierte der Politologe Cedomir Cupic in Belgrad.

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Noch aber befindet sich Vucic in einer sicheren Position. Der frühere Verteidigungsminister stieg 2014 zum Ministerpräsidenten auf. Seit Juni 2017 fungiert er als Staatspräsident. Er wurde bereits im ersten Wahlgang mit 55 Prozent gewählt. Eigentlich besitzt das Staatsoberhaupt vor allem eine repräsentative Funktion.

Doch Vucic hat auch nach der Abgabe des Amtes als Regierungschef die Macht in dem Land. Seine 43-jährige, zurückhaltende Nachfolgerin, Ana Brnabić, gilt als seine Marionette. Sie überlässt Vucic bereitwillig die Bühne. Zur Eröffnung der Burg Golubac begleitet Brnabić ihren Staatspräsidenten.

Der angereiste EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagt mit Blick auf die restaurierte Grenzfestung: „Die Landmarke des Krieges ist heute ein Symbol für Frieden und Stabilität.“ Vucic schwärmt in der vollbesetzten Burghalle vom „Meisterstück der Donau“. Und gibt Bonmots von sich: „Die Geschichte sagt niemals auf Wiedersehen.“

Vucic erinnert sich ungerne an den Bürgerkrieg

Das trifft auch für ihn zu. Schließlich diente er dem früheren serbischen Regierungschef Slobodan Milosevic als Propaganda-Minister. Von seinen Zeiten während des Bürgerkriegs mit den Nachbarn Kosovo, Bosnien-Herzegowina und Kroatien will der 1,99 Meter-Mann heute aber nichts mehr wissen. Als rechtskonservativer Nationalist gibt er den geläuterten Pro-Europäer. Vucic will sein armes Land so schnell wie möglich in die EU führen.

Die EU-Kommission hat als frühestes Datum für einen Beitritt Serbiens und des befreundeten Nachbarlandes Montenegro das Jahr 2025 genannt. Doch daran glaubt niemand so recht, nachdem Frankreich und Deutschland bei der geplanten Erweiterung auf dem Westbalkan auf die Bremse gestiegen sind. „Wir sind noch relativ zuversichtlich mit einem EU-Beitritt, aber wir halten das Zieldatum von 2025 für unrealistisch“, sagt Peter Havlik vom Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche.

„Vucic meint es mit Europa sehr ernst. Dabei geht er pragmatisch vor“, sagt der frühere EU-Sonderbeauftragter für Südosteuropa Bodo Hombach dem Handelsblatt, der den Präsidenten gut kennt. Denn trotz innenpolitischer Widerstände hat Vucic Reformen zur Senkung des Staatsdefizits durchgesetzt.

In diesem Jahr soll sie erstmals unter die 60-Prozent-Marke fallen. 2018 wuchs das Bruttosozialprodukt um stolze 4,4 Prozent. Doch die Ökonomen gehen für 2019 nur noch von 3,4 Prozent aus.

Das Wachstum reicht nicht aus, um Abwanderungen zu verhindern. „Wir wollen unsere Leute zurückbringen. Sie haben eine Heimat, und die heißt Serbien“, sagt Vucic. „Das ist ein Land der Zukunft“, ergänzt der gebürtige Belgrader beschwörend.

Doch mit Leuchtturmprojekten wie der restaurierten Donauburg als Ziel für Flusskreuzfahrer wird sich Wegzug der Talentierten und Ehrgeizigen in Richtung Westen, insbesondere nach Deutschland und Österreich, nicht stoppen lassen. Vucic und sein autoritärer Stil sind offenbar ein Grund, weshalb gerade junge Serben ihre Heimat den Rücken kehren.

Vucic hat mit Hilfe seiner Partei ein System aufgebaut, in dem gute Beziehungen zur Macht wichtiger sind als Fleiß und Intelligenz. Die Medien werden von Vucic und seiner Regierungspartei kontrolliert, bei Bedarf werden Journalisten öffentlich angriffen, beleidigt und sogar bedroht.

EU-Kommissar Hahn ist über die Situation informiert und spricht das heikle Thema hinter verschlossenen Türen auch immer wieder an. Doch zu einem Kurswechsel ist Vucic nicht bereit. Denn er weiß, wie wichtig gerade die Medien zur Absicherung seiner Macht sind. Bisher ging sein Konzept auf.