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Sennheiser sucht Investor für die Kopfhörersparte

Das Familienunternehmen fokussiert sich auf Profi-Audiotechnik und sucht einen Partner für seinen größten Geschäftsbereich. Alle Optionen sind offen.

Wenn es um Live-Sound auf wichtigen Großevents geht, sorgt meist Sennheiser für den guten Ton. Bei der Vereidigung von US-Präsident Joe Biden schmetterte Lady Gaga die amerikanische Nationalhymne in das goldene Sennheiser-Mikrofon MD 435. Mehr als 33 Millionen Fernsehzuschauer waren live dabei.

Auch beim Superbowl-Finale tanzte der Sänger von The Weeknd mit einem Sennheiser-Mikro über den Football-Rasen. Egal ob Eurovision Song Contest oder Olympische Spiele – Audiotechnik aus der Wedemark bei Hannover ist fast immer dabei.

Künftig will sich das Familienunternehmen auf solche Profiausrüstung konzentrieren. Für seinen größten Geschäftsbereich – Kopfhörer und Soundbars für Privatleute – sucht Sennheiser nun einen starken Partner als Investor. Die Gespräche starten in Kürze. „Alle Optionen sind offen“, sagten die Co-Chefs Andreas und Daniel Sennheiser dem Handelsblatt.

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Käme auch ein kompletter Verkauf der Consumer-Sparte infrage? „Wir gehen alles ganz offen an, schauen, wer am besten zu uns passt und entscheiden dann“, sagen die Brüder. „Wichtig ist uns, dass alle Geschäftsbereiche gestärkt aus der Neuaufstellung hervorgehen.“

Am Dienstagmittag wurde die Belegschaft informiert. Sennheiser hat weltweit rund 2800 Beschäftigte, etwa die Hälfte arbeitet in Deutschland. Mit 393 Millionen Euro stand die Consumer-Sparte 2019 für 52 Prozent des Sennheiser-Umsatzes. Das Profigeschäft kam auf 363 Millionen Euro und wuchs mit 9,2 Prozent mehr als doppelt so stark. 85 Prozent des Umsatzes werden im Ausland gemacht.

Die Brüder, die seit 2013 in dritter Generation die Geschäfte führen, beschreiben ihre Beweggründe so: „Mit einem Partner wollen wir die Wachstumschancen in allen Bereichen bestmöglich ausschöpfen. Der soll die Sichtbarkeit der Marke Sennheiser bei Konsumenten erhöhen und dort stärker investieren, als wir es bisher konnten.“ Zudem erhoffen sie sich Skalierungseffekte.

„Wir handeln aus einer Position der Stärke“, betont Daniel Sennheiser, 47. Der Fokus der Firma lag immer auf Ingenieurskunst und Sound. „Beim Klang sind wir ganz klar führend – sei es bei Kopfhörern von Premium bis High End oder fürs TV und bei unseren Soundbars.“ Das bestätigten regelmäßig Tests von Fachmagazinen.

Trotzdem hatte Sennheiser in den letzten Jahren Marktanteile verloren. Denn Verbraucher achten beim Kauf von Kopfhörern heute fast genauso sehr auf Design wie auf Klang, zeigt eine Bitkom-Umfrage von 2020.

Neue US-Marken wie Skullcandy oder Beats, 2014 von Apple für rund drei Milliarden Dollar gekauft, waren plötzlich bei Sportlern und Trendsettern angesagt. „Die neuen Wettbewerber, die sich eher über Design und Marke als über die Soundqualität definieren, haben wir sicher anfangs unterschätzt“, sagte Daniel Sennheiser 2015.

Der Mittelständler legte nach – auch in Sachen Coolness. Auf den Trend zu kabellosen In-Ear-Kopfhörern (True Wireless) sprang Sennheiser aber erst relativ spät auf.

Harter Wettbewerb bei Kopfhörern

Heute sind Multimilliardenkonzerne wie Sony, Apple und Bose führend auf dem Weltmarkt für Kopfhörer. Sennheiser folgt auf Platz sechs, ermittelte Marktforscher Midia Research vor gut einem Jahr. „Der Wettbewerbsdruck hat sich stark erhöht, die Margen sind unter Druck“, konstatierte Daniel Sennheiser im Sommer.

Nach Verlusten und Umsatzrückgängen strafften die Brüder die Organisation und das Sortiment. 2018 gelang der Turnaround. Zwar fuhr Sennheiser 2019 einen Rekordumsatz von rund 757 Millionen Euro ein. Das Ergebnis war nach Zinsen und Steuern allerdings leicht negativ.

Vor allem Kopfhörer waren hinter den Erwartungen zurückgeblieben – obwohl das Geschäft mit Endkonsumenten um vier Prozent gewachsen war. Im Lockdown ging der Verkauf von Sennheiser-Kopfhörern wie der gesamte weltweite Kopfhörermarkt kurzzeitig zurück.

Der Branchentrend zeigt jedoch klar nach oben. „Bei Kopfhörern ist aktuell ein klarer Anstieg in der Nachfrage erkennbar“, bestätigt Hans-Joachim Kamp vom IFA-Veranstalter GfU. Dies sei auf mehr Homeoffice und Videokonferenzen zurückzuführen. Auch nach der Pandemie bleibe der Markt sehr attraktiv.

Laut Futuresource Consulting wuchs der weltweite Absatz 2020 um zehn Prozent, der Umsatz sogar um 27 Prozent. Besonders Noise-Cancelling-Kopfhörer boomen: Die Verkäufe stiegen von elf auf 42 Millionen Geräte. Der Trend geht zudem in Richtung kabellos.

„Der globale Markt für True-Wireless-Kopfhörer wächst rasant“, konstatiert Daniel Sennheiser. Laut Futuresource Consulting fallen bis 2024 drei Viertel aller Kopfhörer in diese Kategorie.

Die Entscheidung zur Partnersuche ist in der Familie Sennheiser lange und intensiv diskutiert worden. 1945 hatte Großvater Fritz das „Labor W“ in Wennebostel gegründet. Der Elektroingenieur erfand den ersten offenen Hifi-Kopfhörer der Welt. Der HD 414 gilt als meistverkaufter Kopfhörer aller Zeiten.

„In den letzten Jahren haben wir beide Sparten immer unabhängiger aufgestellt“, sagt Andreas Sennheiser, 46. „Diesen Weg setzen wir konsequent fort und schauen, wie sich die Bereiche sauber trennen lassen, damit ein Partner in die Consumer-Sparte investieren kann.“

Sennheiser setzt auf 3D-Klang

Was die Partnersuche für die Mitarbeiter bedeute, ließe sich derzeit noch nicht sagen. „Wir wissen ja nicht, welche Kompetenzen der Partner mitbringt.“ Ziel sei eine Stärkung aller Geschäftsbereiche.

Im Sommer hatte Sennheiser angekündigt, weltweit bis Ende 2022 bis zu 650 Stellen abzubauen, davon 300 in Deutschland. Am Stammsitz wird für beide Bereiche geforscht und produziert. In Irland fertigt Sennheiser hochautomatisiert fast zehn Millionen Wandler für Kopfhörer im Jahr – überwiegend für die Consumer-Sparte. Die Werke in Rumänien und Albuquerque in den USA bedienen vor allem den Profimarkt.

Das Profigeschäft lief im Coronajahr durchwachsen. Audio-Ausrüstung für Live-Events und Bühnentechnik verzeichneten einen starken Einbruch. Viele Künstler brauchen allerdings Studiotechnik für Musikaufnahmen und Streamingformate. Auch Konferenztechnik brach zunächst ein. Nun rüsteten Unternehmen mit Audiotechnik für Meetingräume stark nach. Hochschulen investierten zudem in das Distanzlernen. „Das Wachstum in diesen Märkten hat aber nicht alle Corona-Einbrüche kompensieren können“, sagen die CO-Chefs.

Die Technologie der Zukunft ist 3D-Audio. „Hier sind wir Pioniere“, betont Andreas Sennheiser. Mit 3D-Klang will Sennheiser auch im Autosektor Fuß fassen. „Wir sind mit verschiedenen Autobauern in Kooperationsgesprächen.“ Mit Continental hatte der Mittelständler Konzertsaalklang ins Auto gebracht und auf der CES 2020 vorgestellt. „Zwei starke Partner haben etwas erschaffen, das jeder allein nicht hätte auf die Beine stellen können.“

Diese Erkenntnis hat die Sennheisers offenbar auch in ihrer Entscheidung zur Partnersuche bestärkt: „Wir sind und bleiben ein Familienunternehmen. Und als solches müssen wir uns weiterentwickeln und verändern. Manchmal braucht es eben einen Partner, um Wachstumspotenziale bestmöglich zu heben.“