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Senkung der Mehrwertsteuer fast ohne Effekt: Nur 0,6 Prozent mehr Binnenkonsum

Konjunkturmaßnahme ohne “Wumms”: Die Bundesregierung hatte große Hoffnung in die Senkung der Mehrwertsteuer gesetzt. Doch die Rechnung ging nicht auf, zeigt eine Ifo-Analyse.

Zur Jahresmitte hat die Bundesregierung den Normaltarif von 19 auf 16 Prozent und den ermäßigten von sieben auf fünf. Prozent gesenkt. Foto: dpa
Zur Jahresmitte hat die Bundesregierung den Normaltarif von 19 auf 16 Prozent und den ermäßigten von sieben auf fünf. Prozent gesenkt. (Bild: dpa)

Von der befristeten Senkung der Mehrwertsteuer hatte sich Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) einen "Wumms” für die Wirtschaft erhofft. "Das Ziel ist, dass die Bürgerinnen und Bürger eine mögliche Kaufentscheidung jetzt treffen und sie nicht ins nächste oder übernächste Jahr schieben", sagte er im Sommer bei der Vorstellung des Konjunkturprogramms, dessen teuerste Einzelmaßnahme jener Konsumanreiz war.

Ende des Jahres läuft die Maßnahme nun aus. Haben sich die Erwartungen von Scholz und der Großen Koalition erfüllt? Die Antwort lautet: eher nein.

Ifo-Analyse: Mehrwertsteuersenkung mit nur vergleichsweise geringem Effekt

Die Mehrwertsteuersenkung hat nur einen vergleichsweise geringen Effekt gehabt. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Analyse des Ifo-Instituts, die dem Handelsblatt vorliegt. "Ziel der Senkung der Mehrwertsteuersenkung war es, die Konjunktur durch Belebung des Binnenkonsums zu stabilisieren", sagt Andreas Peichl, einer der Studienautoren. "Unsere Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass dieses Ziel nicht wie erhofft erreicht worden ist."

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Das Ifo-Institut ließ im Oktober und November jeweils rund 30.000 Personen zu ihren Konsumabsichten befragen. Dabei gaben lediglich zwei Prozent der Befragten an, dass sie zwischen Juni und Oktober eine größere Anschaffung tätigten, auf die sie ohne Mehrwertsteuersenkung verzichtet hätten.

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Weitere zwölf Prozent antworten, dass sie noch im Jahr 2020 eine größere Anschaffung planen, die sie ohne den staatlichen Konsumanreiz nicht tätigen würden. In der Befragung im November bestätigten sich die Ergebnisse grundsätzlich.

Unter den Anschaffungen dominierten mit 43 Prozent vor allem Elektrogeräte wie Fernseher, Computer und Mobiltelefone. Danach folgten Ausgaben für größere Bau- und Renovierungstätigkeiten (39 Prozent) sowie der Kauf von Möbeln (32 Prozent).

Nur 0,6 Prozent des gestiegenen Binnenkonsums gehen auf die Steuersenkung zurück

Die Ifo-Forscher haben die Ausgaben der Befragten, die angaben, aufgrund der Mehrwertsteuersenkung gekauft zu haben, dann auf alle Haushalte in Deutschland hochgerechnet. Daraus ergebe sich "ein geschätzt gesamtwirtschaftlicher Konsumeffekt in Höhe von 6,3 Milliarden Euro", heißt es in der Studie. In Relation zu den privaten Konsumausgaben 2019 entspreche dies einem relativen Anstieg des Binnenkonsums, der direkt auf die Mehrwertsteuersenkung zurückzuführen ist, von 0,6 Prozent.

"Letztlich steht damit zu befürchten, dass Kosten und Nutzen der temporären Mehrwertsteuersenkung in einem eher ungünstigen Verhältnis zueinanderstehen", sagte Ifo-Experte Peichl. Schließlich ist es die für den Staat teuerste Einzelmaßnahme im Konjunkturprogramm.

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Zur Jahresmitte senkte die Bundesregierung den Normaltarif von 19 auf 16 Prozent, den ermäßigten von sieben auf fünf. Scholz hat Kosten von 20 Milliarden Euro veranschlagt. Der Bund schultert die Summe allein und kompensiert die Länder.

Als Grund für die Konsumzurückhaltung trotz der Mehrwertsteuersenkung nannten die Befragten vor allem, dass sie größere Anschaffungen bereits getätigt hätten (44 Prozent). Zudem geht fast ein Drittel davon aus, dass in Zukunft höhere Ausgaben auf sie zukommen. Zudem werden auch die Corona-bedingten Einschränkungen als Grund genannt sowie die finanzielle Unsicherheit aufgrund der Krise.

Maßnahme war unter Ökonomen von Anfang an umstritten

Ende des Jahres läuft die Mehrwertsteuersenkung nun aus, auch wenn einzelne Koalitionspolitiker immer mal wieder eine Verlängerung ins Spiel brachten, auch weil die konjunkturelle Lage durch die Corona-Pandemie weiterhin nicht gut aussieht.

Angesichts der Studienergebnisse begrüßt Ökonom Peichl das Ende: "Die Entscheidung, die Mehrwertsteuersenkung nicht über den Dezember 2020 hinaus zu verlängern, kann vor diesem Hintergrund trotz der noch immer fragilen Lage der Konjunktur nur begrüßt werden."

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Die Maßnahme war unter Ökonomen von Anfang an umstritten. So wurde bezweifelt, ob die Händler überhaupt ihre Preise entsprechend senken. Auch dazu gibt es mittlerweile Untersuchungen: In einer anderen Studie hatte das Ifo-Institut festgestellt, dass Supermärkte die Senkung "fast vollständig" an die Kunden weitergeben.

Die Bundesbank kam in einer Analyse ebenfalls zu dem Ergebnis, dass bei Nahrungsmitteln die Entlastung weitergegeben werde, ebenso bei Industriegütern. Bei Dienstleistungen ist das hingegen der Untersuchung zufolge nicht in dem Maße der Fall.

Effekt der Senkung für den Einzelnen überschaubar

Auch diese Skepsis könnte ein Grund sein, warum die Verbraucher nicht wie erhofft deutlich mehr kauften. Zudem ist der Effekt der Senkung für den Einzelnen überschaubar: Bei einem Fernseher mit einem Nettopreis von 1.000 Euro liegt die Ersparnis bei 30 Euro.

Der Sachverständigenrat sieht die Maßnahme ebenso wie das Ifo-Institut eher skeptisch. Die Wirkung auf die Konjunktur werde wohl "begrenzt bleiben", schrieben die Wirtschaftsweisen in ihrem jüngsten Gutachten.

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Die Befürworter der Maßnahme verweisen hingegen auf das große Wirtschaftswachstum im dritten Quartal, das sie zumindest teilweise auf die Mehrwertsteuersenkung zurückführen. "Die zeitweise Absenkung der Mehrwertsteuer hat den Konsum in Deutschland spürbar angeschoben", sagte Claus Michelsen, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Größerer Effekt durch Soli-Aus

Es gibt Befürchtungen, dass mit Auslaufen des staatlichen Konsumanreizes zum Jahreswechsel die Konjunktur zusätzlich belastet werden könnte. DIW-Experte Michelsen verweist allerdings darauf, dass für die meisten Steuerzahler ab Januar der Solidaritätszuschlag wegfällt. Das erhöht die Kaufkraft immerhin um gut zehn Milliarden Euro.

Den größten Schub erwartet Michelsen aber woanders: "Der Konsum dürfte erst dann wieder kräftig anspringen, wenn die Corona-Pandemie unter Kontrolle ist und die damit verbundenen Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens wieder aufgehoben werden können."

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