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Sell in May and go away? Diesmal vielleicht lieber nicht

„Sell in May and go away, but remember to come back in September“ ist eine bekannte Börsen-Weisheit. Tatsächlich läuft der Aktienmarkt in den Sommermonaten meistens schlechter als im Rest des Jahres. Doch gilt die Regel auch für 2016? Vier Experten sehen in die Glaskugel.

„Sell in May and go away“, heißt eine alte Börsenregel. Der Spruch wird gern und oft zitiert, vielleicht auch deshalb, weil er sich gut reimt. Wer sich in den zurückliegenden Jahren an den Rat gehalten hat, konnte sich tatsächlich manchmal viel Ärger ersparen. Im vergangenen Jahr beispielsweise büßte der deutsche Leitindex von Anfang Mai bis Ende September mehr als 18 Prozent an Wert ein – um anschließend bis Ende November um fast 29 Prozent im Wert zu steigen. Hat die Börsenregel also Recht?

Über längere Zeiträume gesehen, schrammt der Spruch knapp an der Wirklichkeit vorbei – insbesondere, wenn man die Entwicklung der Aktienmärkte rund um den Globus betrachtet. In den USA zum Beispiel mussten Aktionäre in den vergangenen 20 Jahren vor allem im Oktober die größten Wertverluste hinnehmen. In diesem Monat verlor der S&P 500 im Durchschnitt 1,9 Prozent an Wert. Und an Europas Börsen trägt, langfristig betrachtet, nicht der Juni die rote Laterne. Sondern Juli, August und September sind die wirklichen Verlierermonate. Sie gelten historisch gesehen trotz langer Tage und Sonnenschein als die trübsten Monate für Anleger, die deutsche und europäische Aktien in ihren Portfolios hielten. Die Regel müsste eigentlich lauten: „Sell in June and go away“, doch erstens reimt sich das leider nicht. Und zweitens ist an der Börse nur darauf Verlass, dass man sich auf nichts verlassen kann.

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Den „richtigen“ Ein- und Ausstiegspunkt gibt es nicht

„Die Anhänger der Börsenweisheit Sell-in-May-Regel könnten in diesem Jahr erneut eine herbe Enttäuschung erleben“, sagt Philipp Dobbert, Chefvolkswirt der quirin bank AG. „Denn nach wie vor ist das dominierende Thema an den Aktienmärkten die Notenbankpolitik und damit zusammenhängend das Niedrigzinsumfeld. Bundesanleihen beispielsweise rentieren aktuell bis in die neunjährige Laufzeit hinein negativ. Vor dieser Welt ohne Zinsen flüchten viele Anleger vor allem in die Aktie und treiben damit die Kurse“, so Dobbert. Da die EZB diese geldpolitische Haltung aktuell noch einmal deutlich verstärkt hat, könnte sich im Bereich der Aktien wieder ein Aufwärtstrend etablieren. Mai-Verkäufer wären die Leidtragenden, meint Dobbert, der von Börsenweisheiten nichts hält, wenn es um einen strategischen und planbaren Vermögensaufbau geht. „Bei der Suche nach vermeintlich richtigen Ein- und Ausstiegszeitpunkten helfen Börsenweisheiten nicht“, so Dobbert.

Besser Fakten als Weisheiten

„Anstatt blind Börsenweisheiten zu folgen, sollten Anleger lieber auf die Faktenlage schauen“, rät Marcel de Gavarelli, Investment Manager der Laureus AG Privat Finanz. „Die Sell-in-May-Weisheit basiert in erster Linie darauf, dass Anleger in den ersten Börsenmonaten des Jahres bereits Gewinne aufgebaut haben und diese dann vor dem Sommerloch mitnehmen möchten. Aktuell hätte ein Investor (London: 0NC5.L - Nachrichten) , der beispielsweise zum Jahresbeginn 2016 beim DAX eingestiegen ist, jedoch nicht einmal die Nullstelle erreicht“, so Gavarelli. Es stelle sich also die Frage, ob überhaupt die Grundlage für ein Handeln hiernach erfüllt ist.

„In den nächsten Wochen kommen auf die Anleger eher Risiken von der (geld-)politischen Seite zu. Diese seien allerdings kein zwingender Grund, das Portfolio komplett umzustrukturieren. Aufgrund der hohen Volatilität und der Illiquidität an den Märkten sollten Investoren sicherlich auf der Hut bleiben und ihr Portfolio aktiver managen. „Grundsätzlich bevorzugen wir jedoch einen mittel- bis langfristigen Anlagehorizont, weshalb wir keine Befürworter von ständigen Umschichtungen sind“, so Gavarelli.

Risiken á la Brexit nicht vergessen

„Nachdem der DAX in seinem historisch betrachtet zweitstärkste Monat, nämlich April, dieses Mal bärenstark war, müsste er eigentlich in seinem zweitschlechtesten Monat, dem Mai, wieder Federn lassen“, sagt Robert Greil, Chefstratege Merck Finck & Co, Privatbankiers. Tatsächlich spreche derzeit einiges dafür: Nach der jüngsten Rally seien die zumeist bereits ambitioniert bewerteten Aktienmärkte etwas überkauft. „Wir nähern uns charttechnischen Widerständen in vielen Indizes und wir dürfen auch Risiken á la Brexit nicht vergessen. Andererseits sind Rezessionsängste größtenteils verflogen und die Deflationsängste nehmen dank stabilerer Makrodaten und Rohstoffpreise ab“, wägt Greil ab. Auch China sehe wieder besser aus. „Nicht zuletzt erwarten wir gerade in Euroland eine weiterhin solide Quartalssaison auf Unternehmensseite. Wir sehen daher den DAX im Mai erst einmal stabiler als dies die alte Börsenregel nahelegt“, so Greil. Mit zunehmendem Monatsverlauf dürften aber Spekulationen über Ereignisse im Juni die Märkte belasten: Hier seien vor allem eine mögliche US-Leitzinsanhebung bei der Fed-Sitzung am 15. Juni und das Brexit-Referendum am 23. Juni zu nennen.

„Sell in May fällt dieses Jahr aus“

Allan Valentiner, Vorstandsmitglied der AMF Capital AG, ist überzeugt, dass dieses Börsenjahr untypisch ist. „Der Jahresauftakt war überraschend schlecht, von einer Jahresauftakt-Rally nichts zu sehen“, so Valentiner. Die Gründe sind bekannt: Die Befürchtungen über eine konjunkturelle Abschwächung in China und in anderen aufstrebenden Volkswirtschaften drückte ebenso auf die Anlegerstimmung wie der Beginn der Zinserhöhungen in den USA und die politischen Unsicherheiten in Europa. Dazu kamen die Terroranschläge in Europa, in deren Zusammenhang der europäische Aktienmarkt hinter dem US-Markt zurückblieb. „Aktuell wird allerdings deutlich, dass die Gewinnrezession in den US-Q1-Zahlen eingepreist ist und die Unternehmen insgesamt eher positiv überraschen“, so Valentiner. Der US-Arbeitsmarkt sehe sehr robust aus, die politische Situation in Europa beherrsche derzeit kaum die Schlagzeilen.

„Bis heute haben sich die Indexstände zwar wieder an das Jahresend-Niveau herangearbeitet, die positive wirtschaftliche Entwicklung wird bisher jedoch kaum widergegeben. Die ökonomische Situation der Unternehmen enthält somit durchaus einiges Kurs-Potenzial, die sonst so ruhigen Sommermonate sollten einen gewissen Aufhol-Effekt aufweisen“, sagt Allan Valentiner . Zwar spiegele sich in Börsen-Weisheiten immer ein Körnchen Wahrheit, allerdings müsse man auch abgleichen, worin und wann diese Weisheiten ihren Ursprung hätten. Und blind darauf zu vertrauen, sei sicherlich nicht zweckmäßig. „Ausnahmen gibt es von jeder Regel, das zeigt der schwache Jahresauftakt 2016 an den Aktienbörsen schmerzlich. Es könnte also sein, dass sich die traditionell schwächeren Börsenmonate in 2016 untypisch darstellen und die positive Entwicklung seit Mitte Februar fortsetzen“, so Valentiner.

Fazit: Börsenweisheiten sind ähnlich hilfreich wie Bauernregeln. Wer über längere Zeiträume regelmäßig an der Börse investiert, dem können sie letztlich egal sein.

(MvA)