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Ein schwuler Prinz will Indiens Wirtschaft zu Toleranz erziehen

Vom Zentrum des indischen Gesellschaftsleben zum Ausgestoßenen – wie schnell das gehen kann, hat Manvendra Singh Gohil eindrucksvoll zu spüren bekommen. Der 52-jährige Prinz ist Teil der Fürstenfamilie von Gujarat, dem Heimatstaat von Premierminister Narendra Modi. Ein Zeitungsinterview brachte den Adeligen ins soziale Abseits: Prinz Manvendra hatte sich als schwul geoutet – ein Tabu auf dem Subkontinent, wo gleichgeschlechtlicher Sex immer noch unter Strafe steht. Konservative riefen zum Protest gegen ihn auf, seine Mutter sagte sich mit einer Zeitungsanzeige von ihm los: „Manvendra ist an Aktivitäten beteiligt, die gesellschaftlich nicht akzeptabel sind“, hieß es in ihrem Text, der öffentlich die Enterbung des Prinzen verkündete.

Etwas mehr als zehn Jahre sind seitdem vergangen, Manvendras Beziehung zu seiner Mutter hat sich seither nicht gebessert. Immerhin einen Palast konnte er erstreiten: das sechs Hektar große Anwesen Hanumanteshwar in der Nähe der indischen Westküste. Hier plant er nun den nächsten Tabubruch: Er will den Palast für Schwule und Lesben öffnen. Ausgerechnet in dem historischen Gebäude, das einmal Lebensmittelpunkt des konservativen Establishments war, sollen Menschen eine neue Heimat finden, die wegen ihrer sexuellen Orientierung verstoßen wurden.

Prinz Manvendra, der als einziges offen schwul lebendes Mitglied einer indischen Adelsfamilie auf dem Subkontinent zum Prominenten wurde, will mit dem Projekt ein Zeichen setzen, das sich auch an die indische Wirtschaft richtet: „Schwule und Lesben werden nämlich nicht nur von ihren Familien geächtet, sondern auch am Arbeitsplatz häufig gemobbt und diskriminiert“, sagt er im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Ich will ihnen dabei helfen, sich zu wehren – und auf eigenen Beinen zu stehen.“

Finanzielle Abhängigkeiten machen laut Manvendra die Diskriminierung von Homosexuellen in Indien besonders tragisch: Wenn Söhne und Töchter aus ihren Familien geworfen würden, stünden sie oftmals vor dem Nichts. Und wer um seinen Job fürchte, würde sich auch von Arbeitgebern zu viel gefallen lassen. In seinem geplanten LGBT-Zentrum will er daher nicht nur Bedürftigen eine Unterkunft bieten, sondern auch Berufsbildung sowie Computer- und Englischkurse organisieren. „Im besten Fall können die Teilnehmer hinterher als Selbstständige arbeiten und sind dann auf niemanden mehr angewiesen.“

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Manvendra hofft, Indiens Konzerne mit der Initiative zum Nachdenken zu bringen: „Wenn es darum ihre Mitarbeiter vor Diskriminierung und Übergriffen zu schützen, haben viele Unternehmen noch großen Nachholbedarf“, sagt er. Es liege im Eigeninteresse der Wirtschaft daran etwas zu ändern: „Denn die Diskriminierung führt zu Personalfluktuation und dem Verlust von Talenten.“

Mit seinem Werben für einen toleranteren Subkontinent ist Manvendra in den vergangenen Jahren zum inoffiziellen Sprecher der indischen LGBT-Szene geworden – auch in ausländischen Talkshows wie etwa bei Oprah Winfrey in den USA hatte er bereits mehrere Auftritte.

Ein paar indische Großunternehmen konnte er zusammen mit seinen Mitstreitern bereits auf seine Seite ziehen: Tata Steel hat sich zum Beispiel zum Ziel gesetzt, dass bis 2020 ein Viertel der Mitarbeiter aus unterrepräsentierten Gruppen stammen soll. LGBT-Mitarbeiter sollen demnach künftig mindestens einen Anteil von fünf Prozent an der Belegschaft haben. Prinz Manvendra sagt, er begrüße es, dass sich Tata für Homosexuelle engagiere – die Einführung einer Quote wolle er persönlich jedoch nicht fordern: „Wir wollen nicht besser behandelt werden als andere, wir wollen lediglich die gleichen Rechte haben wie der Rest.“

Bislang sei Indiens Wirtschaft von der Gleichberechtigung noch weit entfernt, meint Manvendra. Er hat die Organisation Lakshya Trust gegründet, die Schwulen, Lesben und Transgendern unter anderem bei Rechtsstreitigkeiten hilft. In einem der jüngsten Fälle sei einem Mitarbeiter gesagt worden, dass er wegen seiner Homosexualität nicht befördert werde. Weil er als schwuler Mann wohl kinderlos bleibe, habe er den Gehaltssprung schließlich gar nicht nötig, lautete Manvendra zufolge die Begründung. „Erst als wir mit einem Gerichtsverfahren drohten, sah das Unternehmen ein, dass es seine Mitarbeiter unfair behandelt.“

Einen noch größeren juristischen Erfolg erhofft sich der Adelige, der zum Aktivisten wurde, nun für die kommenden Monate: Das Oberste Gericht Indiens will sich erneut mit der Frage befassen, ob das Verbot von gleichgeschlechtlichem Sex, das noch aus der britischen Kolonialzeit stammt, wirklich mit der Verfassung vereinbar ist. Dass das Verfahren überhaupt zugelassen wurde, stimmt Manvendra bereits optimistisch. „Ich bin mir sicher, dass das Oberste Gericht erkannt hat, dass uns bisher Unrecht getan wurde.“ Doch auch wenn sich die Rechtslage ändert, ist der Kampf für den Prinzen noch nicht zu Ende: „Auch die Gesellschaft muss sich ändern. Das geschieht – aber leider nur sehr langsam.“