Werbung
Deutsche Märkte geschlossen
  • Nikkei 225

    40.168,07
    -594,66 (-1,46%)
     
  • Dow Jones 30

    39.807,37
    +47,29 (+0,12%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.497,01
    +1.605,38 (+2,51%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.379,46
    -20,06 (-0,12%)
     
  • S&P 500

    5.254,35
    +5,86 (+0,11%)
     

Ich bin schwul und musste wochenlang kämpfen, um eine Affenpocken-Impfung zu bekommen

Für schwule Männer ist es derzeit schwer, sich gegen Affenpocken impfen zu lassen. (Symbolbild) - Copyright: Sarah Reingewirtz/MediaNews Group/Los Angeles Daily News via Getty Images
Für schwule Männer ist es derzeit schwer, sich gegen Affenpocken impfen zu lassen. (Symbolbild) - Copyright: Sarah Reingewirtz/MediaNews Group/Los Angeles Daily News via Getty Images

In diesem Text erzählt ein Mann aus London, wie er darum gekämpft hat, eine Affenpocken-Impfung zu bekommen. Geht es euch ähnlich? Wollt auch ihr an eine Impfung kommen, stoßt aber auf Hürden und werdet mit Stigmatisierung konfrontiert? Dann meldet euch bei hendrikje.rudnick@businessinsider.de, um von euren Erfahrungen zu erzählen.

Ich sitze in einem kleinen, fensterlosen Raum im Herzen Londons, als ich einen winzigen Pieks an meinem Arm spüre. Ich blinzele kurz, dann ist es vorbei. In den nächsten drei Tagen verhindert ein dumpfer Schmerz, dass ich im Fitnessstudio trainieren kann. Aber das ist egal, es ist nur eine kleine Unannehmlichkeit. Die Hauptsache ist, dass ich geimpft bin. Ich spüre Dankbarkeit – und Erleichterung.

Ich bin mir bewusst, dass ich zu den „Frühimpfern“ gehöre. Aber trotzdem ist es ein gutes Gefühl, endlich gegen die Affenpocken geimpft zu sein – ein Virus, das sich seit kurzem weltweit ausbreitet und ähnliche Symptome wie die Pocken hervorruft. Bisher scheinen die meisten Fälle keine schweren Verläufe zu haben, die Sterblichkeitsrate liegt bei bis zu sechs Prozent. Trotzdem wollte ich die Impfung unbedingt. Und bin fast daran verzweifelt.

Ich verzweifelte daran, wie schwierig es war, an den Impfstoff zu kommen

Die meisten Affenpocken-Fälle in Australien, wo ich in den letzten zehn Jahren gelebt habe, erfüllen laut der australischen Gesundheitsbehörde drei Kriterien: internationale Reisende, Menschen im Alter von 21 bis 40 Jahren und Männer, die Sex mit Männern haben.

WERBUNG

Alle drei Kategorien treffen auf mich zu: Ich bin 39, schwul und werde im September nach einem viermonatigen Aufenthalt in London nach Sydney zurückkehren. Ich wollte mich nicht nur nicht selbst anstecken, sondern auch nicht riskieren, das Virus in meine Gemeinde in Sydney zu bringen. Aber es war nicht leicht, die Impfung zu bekommen. Es gab so viele Hindernisse.

In der Londoner Schwulenszene ist das Thema sehr bekannt

Seit einigen Wochen waren in den Kliniken die offiziellen Schilder des Nationalen Gesundheitsdienstes mit der Aufschrift "Affenpocken-Impfung" bekritzelt. Berichte über vierstündige Wartezeiten und Abweisungen von Männer, die sich impfen lassen wollten, schreckten mich zunächst ab.

Doch dann wurde es schnell ernster. In der Londoner Schwulenszene und in queeren Chatgruppen ist das Thema in aller Munde. Ich hatte große Mühe, einen Ort zu finden, an dem ich mich impfen lassen konnte – erst wurden aus den "Impfungen ohne Termin" nur noch Termine, dann waren alle Termine plötzlich vergeben.

Ein Freund schickte mir einen QR-Code für ein Buchungssystem des britischen Gesundheitsdienstes. Doch als ich nach einigen Tagen noch immer keine Antwort hatte, machte sich Panik breit. Meine Freunde gingen nicht mehr so oft aus. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) forderte schwule Männer auf, mit weniger Männern zu schlafen.

Ich wurde immer entschlossener, mich impfen zu lassen. Mittlerweile wurden erste Statistiken herausgegeben, die besagten, dass 98 Prozent der Betroffenen schwule oder bisexuelle Männer seien. Spätestens seit meiner Corona-Impfung ist mir klar, dass ich das Gegenteil von einem Impfgegner bin. Ich vertraue der Wissenschaft und will mich bestmöglich schützen. Doch ich bekam einfach keinen Termin.

Ich rief in der Dean Street 56 an, einer bekannten Klinik für die sexuelle Gesundheit von schwulen Männern. Auf dem Anrufbeantworter war zu hören, dass sie zu überlastet seien, um neue Termine für die Affenpockenimpfung zu vergeben. Meine Besorgnis wuchs. Schließlich marschierte ich selbst in die Klinik. Das Personal spürte meine Verzweiflung – und ich bekam einen Termin.

Meine Community weiß um die Dringlichkeit der Impfung

Einige Reisende, die aus dem europäischen Sommerurlaub zurückkehren, werden versucht haben, sich im Ausland impfen zu lassen. Sicherlich haben sich Touristen in Ländern wie dem Vereinigten Königreich informiert, ob hier eine wirksame, gut organisierte Impfkampagne stattfindet.

Ein Mann hält auf dem Christopher Street Day in Berlin ein Schild hoch mit der Aufschrift „Wo bleibt die Impfung?“ - Copyright: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images
Ein Mann hält auf dem Christopher Street Day in Berlin ein Schild hoch mit der Aufschrift „Wo bleibt die Impfung?“ - Copyright: Emmanuele Contini/NurPhoto via Getty Images

Doch das überlastete Gesundheitswesen kann die Nachfrage der schwulen Männer nicht stemmen. Wir nehmen das Risiko größtenteils sehr ernst, wollen frühzeitig handeln, um uns zu schützen und anderen zu helfen. AIDS hat uns gelehrt, Gesundheit und Gemeinschaft über alles zu stellen. Aber ich denke nicht, dass alle so ein Glück hatten, wie ich. Viele warten noch immer auf eine Impfung.

Ich habe gelesen, dass Geld in die Kommunikation mit der schwulen Gemeinschaft über Apps wie Grindr gesteckt wird. Meine Community weiß um die Dringlichkeit, unsere Gesundheit zu schützen. Innerhalb einer Stunde, nachdem ich gepostet hatte, dass ich geimpft worden war, kamen Nachrichten mit Fragen herein, und mein Messenger-Posteingang war voll. Geld wird für Impfstoffe benötigt, nicht nur für Aufklärung.

Noch ein anderes Virus breitet sich aus

Während ich verzweifelt nach einem Impfstoff suchte, fiel mir noch etwas anderes auf: Leute, die mich normalerweise umarmen und küssen würden, begrüßten mich eher zurückhaltend. Manche machen Covid dafür verantwortlich – ich vermute aber vor allem, dass die 98-Prozent-Statistik viel damit zu tun hat.

In London breitet sich ein weiteres gefährliches Virus aus, das in Städten auf der ganzen Welt Fuß fassen könnte, wenn wir nicht alle verantwortungsbewusst handeln: Panik und Stigmatisierung.

Dieser Text wurde von Lisa Ramos-Doce aus dem Englischen übersetzt. Das Original findet ihr hier.