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„Ich schwimme gern gegen den Strom“ – warum VWs früherer Gasantriebs-Guru nun für Bio-Methan statt E-Autos trommelt

Die spanische VW-Tochter Seat, zu der das Sub-Label Cupra gehört, führt die europaweit größte CNG-Flotte im Programm.
Die spanische VW-Tochter Seat, zu der das Sub-Label Cupra gehört, führt die europaweit größte CNG-Flotte im Programm.

Den Großteil seines Berufslebens hat Jens Andersen bei VW verbracht. Dort hatte der gebürtige Lübecker unter anderem die Leitung der Antriebsstrategieentwicklung der Marke Volkswagen inne, war Mitglied des Produkt-Strategie-Entscheidungsgremiums auf Vorstandsebene und von 2016 bis 2018 als Bereichsleiter Technologiestrategie und -management zugleich Konzernbeauftragter für Erdgasmobilität.

Nach dem Ausstieg bei VW wirkte Andersen als Lehrbeauftragter an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften. Inzwischen ist der 58-Jährige als Geschäftsführer der „Natural & Bio Gas Vehicle Association“ (NGVA) mit Sitz im belgischen Brüssel aktiv. Im Gespräch mit Business Insider beleuchtet der Ingenieur die CO2-Bilanz von Bio-Methan und räumt auf mit landläufigen Vorurteilen gegen die Nutzung von aus Stroh oder sogar Gülle gewonnener Energie zum Betreiben von Kraftfahrzeugen.

Business Insider: Herr Dr. Andersen, die EU will neue Autos mit Diesel- und Benzinantrieb ab 2035 verbieten. Auch das Gas Methan ist ein fossiler Energieträger. Warum macht sich die NGVA dennoch stark für diesen alternativen Energieträger?

Jens Andersen: Diesel und Benzin beinhalten zu einem großen Anteil zyklische Kohlenwasserstoffe, sogenannte Aromaten. Letztere sind zum einen gesundheitsgefährdend, zum anderen entstehen bei deren Verbrennung bedenkliche Folgeprodukte, die über die Atmung in die Blutbahn gelangen und Krebs erzeugen können. Methan als einfachster Kohlenwasserstoff hingegen verbrennt etwa um den Faktor 100 sauberer als Benzin oder Diesel und enthält keinerlei aromatische Verbindungen. Zudem sind die CO2-Emissionen bereits beim Einsatz fossilen Methans per se um rund 20 bis 25 Prozent niedriger als bei Benzin oder Diesel.


Damit kann der Einsatz von Methan in PKW und LKW doch allenfalls bedingt beitragen zur Dekarbonisierung und Klimaneutralität, wie sie die EU bis 2050 erreichen will.

Irrtum. Fossiles Methan wird in den nächsten Jahrzehnten Stück für Stück durch regenerativ erzeugte Gase ersetzt werden. Bereits heute beträgt der Anteil an regenerativ erzeugtem Methan für den Straßenverkehr europaweit rund 17 Prozent. In einigen europäischen Staaten konnte fossiles Methan durch Bio-Methan sogar schon fast komplett ersetzt werden. Dies hat zur Folge, dass die CO2-Emissionen proportional zum Anteil von Bio-Methan im Kraftstoff reduziert werden. Beim besagten Durchschnittsanteil von 17 Prozent in Europa ist bereits jedes Fahrzeug, dass mit Methan betrieben wird, hinsichtlich seiner CO2-Emissionen besser als jedes vergleichbare Fahrzeug, das mit Benzin oder Diesel fährt.

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Wird jedoch Bio-Methan aus Abfällen und Gülle hergestellt, können wir sogar negative Treibhausgas-Emissionen erreichen. Und genau diese sind ja dringend erforderlich, um das so eminent bedeutsame 1,5-Grad-Ziel bis zum Jahr 2100 nicht zu gefährden.

Biomethan jedoch wird aus Energiepflanzen gewonnen und könnte somit in Konkurrenz stehen zur Produktion von Nahrungsmitteln.

Nein. Schon heute wird für den Transportsektor produziertes Bio-Methan zu großen Teilen schlicht aus Abfällen landwirtschaftlicher Produktion und teilweise sogar aus purer Gülle hergestellt. Was viele nicht wissen: Bio-Methan gehört zu den sogenannten Biokraftstoffen der zweiten Generation. Diese werden ausschließlich aus landwirtschaftlichen Reststoffen, zum Beispiel aus Stroh, hergestellt und stehen eben gerade nicht im Wettbewerb mit der Nahrungsmittelgewinnung.

Das Gegenteil ist der Fall: Statt Stroh auf den Feldern verrotten zu lassen oder Gülle auf den Feldern zu verklappen, was leider erhebliche Methanemissionen in die Atmosphäre verursacht, werden die Reststoffe von Mikroorganismen vergoren und es wird daraus Methan produziert. Die festen Reststoffe lassen sich später sogar als Dünger für die Äcker verwenden. All das ergibt ein hervorragendes Beispiel für die ökologische Kreislaufwirtschaft, die wir brauchen.

Reichen die verfügbaren Mengen an Biomethan denn überhaupt aus, um einen signifikanten Beitrag zur Dekarbonisierung leisten zu können?

Ja. Es stehen zum Beispiel in Deutschland genügend Abfälle zur Verfügung, um mindestens 75 Prozent des gesamten Schwerlastverkehrs über Bio-Methan aus Abfällen zu dekarbonisieren – eine vollständige Substitution von Dieselkraftstoff halte ich, unterstützende legislative Randbedingungen vorausgesetzt, für machbar. Zum Erreichen des europäischen CO2-Ziels von minus 55 Prozent gegenüber 1990 im Jahr 2030 könnten rund 13 Millionen Fahrzeuge in Europa mit 40 Prozent Bio-Methan aus nachhaltiger Produktion betrieben werden. Insofern ist dieser Teil des Verkehrssektors bereits heute „fit for 55“.

Und doch gilt ein Elektroauto hinsichtlich seiner Klimabilanz gemeinhin als viel besser, „grüner“.

Da schwimme ich gern buchstäblich gegen den Strom. Und auch hier lohnt eine genauere Betrachtung: Bei der Herstellung eines methanbetriebenen Fahrzeugs fällt gegenüber einem Batteriefahrzeug nur die Hälfte der CO2-Emissionen an. Wird Bio-Methan als Kraftstoff für dieses Fahrzeug verwendet, so dauert es 12 bis 13 Jahre, bis ein batterieelektrisch bewegtes Fahrzeug, das ausschließlich mit nachhaltig erzeugtem Strom betrieben wird, besser dasteht als ein CNG-Fahrzeug (Compressed Natural Gas, also unter hohem Druck komprimiertes Naturgas; Anm. d. Red.). Demzufolge ist ein mit Bio-Methan betriebenes Fahrzeug bei seinen CO2-Emissionen heute dem Batterieauto zweifellos schon gleichzusetzen.

Ist Methan als Kraftstoff nur eine Übergangslösung, eine Brückentechnologie - wie sie etwa auch Hybridautos darstellen?

Erklärtes Ziel der Europäischen Union ist es, in den nächsten Jahrzehnten eine Wasserstoffwirtschaft aufzubauen. Methan als gasförmiger Energieträger bereitet den Aufbau dieser Wasserstoffwirtschaft vor, denn bereits heute gibt es bei vielen methanspezifischen Hightech-Komponenten äußerst interessante Synergien mit Wasserstoffkomponenten. Und in einem großindustriellen Wertschöpfungsprozess lassen sich da absehbar wahre Schätze heben.

Unter dem Strich aber bleibt der Einsatz von Methan im Transportsektor an den Verbrennungsmotor gebunden, der nach dem Willen der EU perspektivisch nun mal ersetzt werden soll.

Die Entwicklungspotenziale des Verbrennungsmotors speziell im Hinblick auf den Einsatz von Methan sind längst noch nicht realisiert. Durch verschiedene technische Modifikationen sowie durch eine kluge Hybridisierung lassen sich noch deutliche Steigerungen bei den Wirkungsgraden erreichen. Grundsätzlich lässt sich Methan aber auch direkt in einer dafür geeigneten Brennstoffzelle verstromen, sobald die Technologie auf diesem Gebiet für große und bezahlbare Serien einsatzfähig ist.

Herr Dr. Andersen, wir danken für das Gespräch.