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Ein Schweizer soll Mann+Hummel durch die Turbulenzen der Autoindustrie führen

Werner Lieberherr geht in die Knie und bückt sich zur Vorderradfelge eines Testfahrzeugs vor dem Firmensitz in Ludwigsburg. „Das hier ist unser Bremsstaubpartikelfilter, eine wirklich coole Technologie“, sagt der 58-jährige neue Chef des Automobilzulieferers Mann+Hummel voller Begeisterung. Dabei strahlt er wie ein kleiner Junge, der gerade ein neues Skateboard geschenkt bekommen hat.

80 Prozent des Feinstaubs, den die Bremsen erzeugen, werden direkt an der Bremsscheibe mit einem Spezialfilter abgesaugt. Auf dem Dach hat das Fahrzeug einen weiteren Feinstaubfilter. Und der Innenraumfilter sorgt dafür, dass die giftigen Stickoxide zumindest nicht dem Fahrer schaden.

Technologien, die das Auto zu Staubsaugern in den Städten machen, erfreuen nicht nur den Branchenneuling an der Unternehmensspitze: Für Mann+Hummel, das mit Benzin- und Ölfiltern groß wurde, sind sie überlebenswichtig. Denn die Feinstaubfilter werden auch gebraucht, wenn es einmal nur noch Elektroautos geben sollte.

Lieberherrs leichtes Schweizerdeutsch wirkt beim ersten Treffen charmant und verstärkt den Eindruck: Der Mann ist ein geborener Verkäufer. So, als hätte er nie etwas anderes als Filtersysteme an den Mann gebracht.

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Vergleichsweise lange ließ sich das Unternehmen mit der Chefsuche Zeit. Jetzt haben die Schwaben einen gefunden, der keine Zeit verlieren will, im Unternehmen anzukommen. Nur wenige Tage im Amt zeigt er sich schon dem Handelsblatt. Seit März war der Filterspezialist Mann+Hummel, der immerhin mit einem Umsatz von vier Milliarden Euro zu den Top Ten der deutschen Zulieferindustrie zählt, ohne Chef.

Lieberherrs Vorgänger, Alfred Weber, war Anfang März „aus privaten Gründen“ vorzeitig ausgeschieden. Eigentlich hätte er noch bis zum Jahresende bleiben sollen. Aufsichtsratschef Thomas Fischer, industrieller Kopf der Eigentümerfamilien, hatte angekündigt, sich Zeit zu lassen, um einen Topmanager außerhalb der Autoindustrie zu suchen. Mit Lieberherr wurden die Headhunter in der Luftfahrtindustrie fündig und – eher untypisch für ein Familienunternehmen – bei einem börsennotierten US-Unternehmen.

Lieberherr leitete in den vergangenen acht Jahren den Luftfahrtkonzern BE Aerospace, der vor allem Flugzeugsitze herstellt. Nach der Übernahme durch Rockwell Collins im April 2017 begleitete er noch die Integration des Konzerns. Derzeit wird Rockwell wiederum von United Technologies übernommen, und Lieberherr schied aus.

Jetzt arbeitet der verheiratete Vater zweier Kinder mit Wohnsitz Zürich in einem Familienunternehmen, bei dem kein Eigentümerwechsel ansteht. Das Unternehmen ist vollständig in Besitz der beiden Gründerfamilien Mann und Hummel.

Anforderungen vollständig erfüllt

Thomas Fischer als Vertreter des Mann-Stammes führt den Aufsichtsrat. Er ist glänzend vernetzt in der „Baden-Württemberg AG“. Bei EBM Papst, dem Weltmarktführer in der Ventilatorentechnik, führt er als Familienfremder ebenfalls den Aufsichtsrat. Auch dort gab es 2017 einen Chefwechsel. Auch dort ließ sich Fischer viel Zeit, um einen Nachfolger für den in Ungnade gefallenen Rainer Hundsdörfer zu finden. Dort entschied er sich mit Stefan Brandl für ein Eigengewächs.

Im eigenen Unternehmen war das vollkommen anders. Nüchtern gibt Fischer das Anforderungsprofil für den Neuen wieder: „Unternehmerisches Denken, Erfahrung in unterschiedlichen Technologiemärkten zusammen mit einer ausgeprägten Kundenorientierung und Internationalität standen in unserem Pflichtenheft.“

Diese Anforderungen erfülle Werner Lieberherr vollständig. Was er nicht sagt: Fischer als Controlling-Spezialist ist davon überzeugt, dass Familienunternehmen nur mit einer Umsatzrendite von acht Prozent ihre Unabhängigkeit auf Dauer behalten. Da fehlen Mann+Hummel derzeit über drei Prozentpunkte. Das ist nicht wenig, wenn man viel investieren muss, um künftig unabhängiger von Verbrennungsmotoren zu sein.

Es wirkt fast so, als hätte Fischer den neuen Firmenlenker im Katalog ausgesucht. Er bekam jedenfalls einen vitalen Manager mit Schweizer und US-Pass, der aus früheren Stationen bei ABB und Alstom auch Asienerfahrung vorweisen kann. „Die Chemie zwischen den beiden stimmt“, sagt ein Firmenkenner. Das muss sie auch, denn Fischers Büro in der nagelneuen Firmenzentrale liegt in nächster Nähe der Geschäftsführung. „Ich bin Treuhänder des Vermögens der Eigentümer“, kennt Lieberherr seine Rolle und deren Grenzen.

Der weit gereiste Manager im Rang eines Majors des Generalstabs der Schweizer Armee setzt auf seine Führungsqualitäten und wirft erst mal seinen Elan und seine Erfahrung in die Waagschale. Ein kurzer Blick auf die Verteilung des Geschäfts gibt den Schwerpunkt vor. Nur 15 Prozent der Umsätze erzielt Mann+Hummel bisher in Asien. Dort will er expandieren, notfalls mit Zukäufen.

Lieberherr machte nach einer Mechaniker-Lehre ein Diplom in Technischen Betriebswirtschaften und Operations Research der ETH Zürich und einen MBA der Kellogg Graduate School in Chicago. Dass er offen für Neues ist und kein reiner „Car-Guy“, könnte sich als Vorteil erweisen in den dramatischen Umbruchzeiten der Autobranche.

Das war den Eigentümern offensichtlich wichtiger als enge Kontakte zu Autobossen und Chefeinkäufern. Diese muss Lieberherr nun schnell aufbauen. In den USA war er schon bei großen Autokunden.

Noch ist Lieberherr Wochenendpendler. Die Fahrt von Zürich nach Ludwigsburg schafft er montags früh ab vier Uhr in gut zwei Stunden. Bald will der Schweizer in der Schwabenmetropole ein Domizil suchen: „Ich bin zu meinem vermutlich letzten Chefposten gekommen, um zu bleiben.“