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Der Schweinestau löst sich auf – prompt verschwindet der Bauern-Soli

Vor den deutschen Schlachthöfen löst sich der Schweinestau langsam auf. Jetzt kassiert Lidl den Bauern-Soli nach wenigen Wochen wieder ein – allerdings auch, weil die Wettbewerber dem Preissignal nicht gefolgt sind.

Vor den deutschen Schlachthöfen löst sich der Schweinestau langsam aber sicher auf. Foto: dpa
Vor den deutschen Schlachthöfen löst sich der Schweinestau langsam aber sicher auf. Foto: dpa

Viele Schweinebauern hatten dem Braten ohnehin nicht recht getraut. Ihr Gefühl hat sie nicht getäuscht: Lidl kassiert den sogenannten Bauern-Soli schon nach anderthalb Monaten wieder ein und senkt die Preise für Schweinefleisch wieder auf das Niveau der Konkurrenz. Den Zuschlag, den der Discounter aus der Schwarz-Gruppe (Kaufland) den Schlachtern und Landwirten ausgezahlt hatte, wird ersatzlos gestrichen. Durch den Soli hatten Schweinemäster in den wenigen Wochen mehrere Millionen Euro erhalten. Allein Westfleisch soll in den bisherigen Auszahlungswochen mehr als zwei Millionen Euro ausgeschüttet haben.

Lidl begründet seinen Rückzieher in erster Linie damit, dass der Markt „…unserem Preissignal nicht gefolgt ist.“ Der Discounter hatte die Preise von zehn ausgewählten Schweinefleischprodukten im Dezember um einen Euro pro Kilogramm erhöht und dies offensiv an den Truhen und Kühlregalen seinen Kunden mitgeteilt. Pro Schwein wurden demnach ein bis drei Euro mehr an die Bauern ausbezahlt.

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Dem Unternehmen sei jedoch durch den Bauern-Soli ein erheblicher Wettbewerbsnachteil entstanden, argumentiert Lidl. Vor diesem Hintergrund sei es Lidl nicht möglich, „die Preise dauerhaft und allein auf erhöhtem Niveau zu halten“, heißt es in einer Stellungnahme der Neckarsulmer. Denn die Wettbewerber hätten kaum mitgezogen. Der harte Preiskampf im Lebensmittelhandel hat Lidl offenbar keine Chance gelassen, dass Projekt auf Dauer fortzuführen. Der Vorgang zeigt zudem eindrücklich: Der Preis ist für die Mehrzahl der Kunden offenbar wichtiger als das Tierwohl, auch wenn sie in zahllosen Umfragen das Gegenteil behaupten.

Lidl sagte jedoch zu, die Bauern weiter unterstützen zu wollen: „Wir werden die deutsche Landwirtschaft weiterhin fördern, indem wir die andauernden Gespräche konstruktiv unterstützen und auf Produkte aus heimischer Landwirtschaft setzen.“ Bereits Mitte Januar hatte sich schon angedeutet, dass der Bonus kurzerhand wegfallen könnte, weil sich am Schweinemarkt eine Trendwende andeutete. Tatsächlich löst sich der sogenannte Schweinestau vor den Schlachthöfen langsam auf und die Einstallungen für die nächste Mast gehen deutlich zurück. „Der Schweinestau kann aktuell mit relativ hoher Geschwindigkeit abgebaut werden“, teilte die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands e.V. (ISN) mit.

Schlachtkapazitäten werden hochgefahren

So konnte der Überhang an schlachtreifen Schweinen Anfang Februar deutlich um 120.000 auf rund 760.000 Tiere verkleinert werden. Anfang des Jahres waren es noch mehr als eine Million gewesen. Zusätzlich zu den Angebotsrückgängen hat sich in den vergangenen Wochen gezeigt, dass die Schlachtmengen sukzessive weiter erhöht werden konnten. Aktuell seien nur noch die Schlachtstandorte von Steinemann in Georgsmarienhütte und Willms-Fleisch in Loxstedt von Corona-Infektionen bei Mitarbeitern betroffen und müssen Kapazitätsbeschränkungen um etwa zehn Prozent hinnehmen, teilt die Interessengemeinschaft mit. Insgesamt stünden derzeit aber so viele Schlachthaken zur Verfügung, wie schon seit Juni 2020 nicht mehr. In den ersten drei Wochen des Jahres konnte der Stau schon um 180.000 Schweine verkleinert werden. „Dass sich der Abbau von 760.000 Schweinen im Überhang noch einige Wochen hinziehen wird, kann sich jeder leicht ausrechnen, aber wir sind mittlerweile auf einem sehr guten Weg“, sagt ISN-Chef Torsten Staack. „Wenn es in dieser Geschwindigkeit weitergeht oder sich die Geschwindigkeit noch weiter erhöht, ist ein Ende dieser monatelangen katastrophalen Ausnahmesituation in Sicht. Mit diesem Ziel vor Augen heißt es jetzt: Nicht nachlassen!“

Kanzlerin ist gefragt

Ursache für den Abbau ist neben der Steigerung bei den Schlachtungen besonders der Rückgang des nachwachsenden Angebotes, weil die deutschen Landwirte ihr Angebot angepasst haben. Seit Anfang des Jahres fällt das Angebot an nachwachsenden Schweinen deutlich kleiner aus. Dies ist zum einen auf geringere Ferkelimporte zurückzuführen. So wurden aus den Niederlanden und Dänemark seit September wöchentlich zwischen 35.000 und 45.000 Ferkel weniger als üblich importiert. Zum anderen trägt auch die rückläufige deutsche Ferkelproduktion einen erheblichen Teil zum Angebotsrückgang bei, sodass derzeit etwa sieben bis acht Prozent weniger Schweine die Schlachtreife erreichen als zu Jahresbeginn 2020. Im Handel mit Schlachtschweinen kehre der Optimismus langsam zurück und so sei der Abbau inzwischen auch auf einem sehr guten Weg, kommentiert ISN. Nun müsse vor allem der Absatz von Schweinefleisch, etwa durch die Öffnung von Drittländern, unterstützt werden. „Wir brauchen mehr Absatzventile in wichtige Märkte aus Drittländern“, sagt Staack. „Das wird man nur dann erreichen können, wenn sich auch die Regierungsspitze - also die Kanzlerin - mit Nachdruck in die Gespräche mit den Drittländern einschaltet.“

Weniger Schweine importiert

Im Jahresverlauf musste die deutsche Schweinefleischerzeugung durch die coronabedingten Einschränkungen der Schlachtkapazitäten Federn lassen, aber auch der Abbau der Schweinebestände in Deutschland lässt sich an den Zahlen ablesen. Laut amtlichen Daten des Statistischen Bundesamtes kamen 2020 mit 53 Millionen Tieren bundesweit 3,5 Prozent weniger Schweine an den Haken als im Jahr zuvor. Einerseits wurden die Schlachtungen importierter Schweine deutlich zurückgefahren und zusätzlich wurden mehr Schlachtschweine ins Ausland vermarktet. Die Schlachtungen von Schweinen aus dem Inland gingen um 1,7 Prozent auf knapp 51 Millionen Tiere zurück. Die Schlachtung ausländischer Tiere wurde massiv heruntergefahren, um den Schweinestau zu entschärfen. So sank die Zahl importierter Schweine, die in deutschen Betrieben geschlachtet wurden, um mehr als 30 Prozent auf 2,3 Millionen Tiere. Insgesamt betrug die im Jahr 2020 in Deutschland produzierte Menge an Schweinefleisch 5,1 Millionen Tonnen und damit 2,4 Prozent weniger als 2019. „An diesem geringeren Rückgang im Vergleich zur Zahl der Schlachtungen wird deutlich, dass die Schlachtgewichte aufgrund des Schweinestaus im vergangenen Jahr spürbar angestiegen sind“, so die Erklärung der ISN.

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