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Schweden verabschieden sich endgültig von ihrem Corona-Sonderweg

In der Pandemie hat Schweden lieber auf Empfehlungen statt auf Verbote gesetzt. Doch nun bringt die Regierung ein Pandemiegesetz auf den Weg – die rechtliche Grundlage für einen Lockdown.

Auf einmal muss es ganz schnell gehen: Bereits am Freitag dieser Woche wird das schwedische Parlament zu einer Sondersitzung zusammenkommen und über das sogenannte Pandemiegesetz abstimmen. Das Gesetz, das vom 10. Januar an gelten soll, ermöglicht es der Regierung, wegen Corona Geschäfte, Einkaufszentren, Sport- und Kulturstätten zu schließen. Trotz Kritik der Opposition wird die rot-grüne Minderheitsregierung vermutlich eine Mehrheit für das Gesetz bekommen.

Bislang fehlte der Regierung von Ministerpräsident Stefan Löfvén die rechtliche Grundlage für einen Lockdown. Zwar existierte ein ähnliches Gesetz schon im Frühjahr vergangenen Jahres, doch die Regierung machte davon nie Gebrauch. Als im Sommer die Infektionszahlen deutlich nach unten gingen, wurde die Laufzeit des zeitlich befristeten Gesetzes nicht verlängert.

Ein fataler Fehler: Im Herbst schnellten die Todes- und Infektionszahlen rasant nach oben, doch die Regierung konnte nur mit Empfehlungen reagieren und auf das Verständnis der Bürger hoffen.

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Dass die schwedische Regierung weiterhin auf Empfehlungen statt auf Verbote setzte, lag zum einen an der Hoffnung, die Menschen würden den Ratschlägen auch folgen; zum anderen eben an den fehlenden gesetzlichen Grundlagen.

Nachdem in den vergangenen Wochen die Infektions- und Todeszahlen noch einmal nach oben geschnellt waren und die Polizei immer häufiger über die Nichtbeachtung der Restriktionen berichtet hatte, sah sich schließlich die schwedische Regierung gezwungen, eine härtere Gangart einzuschlagen.

Erstmals seit Ausbruch der Pandemie empfiehlt das Land auch das Tragen einer Maske im öffentlichen Nahverkehr, zumindest in den Stoßzeiten. Bislang hatte sich die Gesundheitsbehörde mit ihrem Staatsepidemiologen Anders Tegnell stets geweigert, einen Mund-Nasen-Schutz zu empfehlen. Das Tragen einer Maske würde eine „falsche Sicherheit“ vermitteln, lautete das Argument. Nun also die Kehrtwende.

Strengere Empfehlungen zeigten keine Wirkung

Dass die vom Ausland oft als schwedischer Sonderweg bezeichnete Corona-Strategie, die auf Freiwilligkeit und Verantwortungsbewusstsein baute, nicht den erwünschten Erfolg brachte, ist den Verantwortlichen spätestens im Herbst klar geworden.

Krankenhäuser meldeten einen deutlichen Anstieg der Zahl von Covid-19-Patienten. In einigen Regionen riefen die Kliniken den Notstand aus, und in den Alten- und Pflegeheimen häuften sich erneut die Infektionszahlen. Ein schnelles Handeln war deshalb notwendig.

Bereits seit November gilt wieder ein Besuchsverbot in Alten- und Pflegeheimen. Restaurants und Bars dürfen am Abend keinen Alkohol mehr ausschenken, ab 22.30 Uhr müssen sie ganz schließen.

Regierungschef Löfvén ermahnte kurz vor Weihnachten in eindringlichen Worten seine Landsleute, auf jegliche Reisen zu verzichten und auch über die Festtage nicht mit mehr als acht Personen inklusive Kindern zu feiern. An Schulen und Universitäten wurde Mitte Dezember der Fernunterricht wieder eingeführt.

Seit Mitte Dezember wurden mithilfe der strengen Alkoholgesetze die Maßnahmen noch einmal verschärft: So dürfen nur noch vier Personen in einer Gesellschaft ein Restaurant besuchen. Der Alkoholausschank wird ab 20 Uhr verboten. Geschäfte und Einkaufszentren dürfen nur noch so viele Personen einlassen, dass es „kein Gedränge“ gibt, wie Regierungschef Löfvén unterstrich. Die Regeln sollen zunächst bis zum 24. Januar gelten.

Doch auch seit Einführung der neuen, strengeren Empfehlungen sind die Infektions- und Todeszahlen weiter gestiegen. Bislang sind in dem Zehn-Millionen-Einwohner-Land knapp 9000 Menschen an oder mit Covid-19 gestorben. Und in den Zahlen sind noch nicht die Todesfälle über Weihnachten und Neujahr mit eingerechnet. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität (Stand 5.1.) bei 409 Neuinfektionen, in Deutschland bei knapp 135.

Noch deutlicher wird der Unterschied im Vergleich zu den nordischen Nachbarländern: In Finnland liegt die Sieben-Tage-Inzidenz bei 32 und in Norwegen bei 67,5. Dänemark kommt auf 259 Neuinfektionen per 100.000 Einwohnern.

Namhafte Virologen forderten seit Langem ein Umdenken in Schweden. Die von der Regierung eingesetzte Corona-Kommission kritisierte in ihrem im Dezember vorgelegten Teilbericht die Corona-Strategie, die zum Ziel hatte, vor allem Menschen in Alters- und Pflegeheimen vor der Pandemie zu schützen. „Der Pflegebereich war unvorbereitet und schlecht ausgerüstet, um eine Pandemie zu bewältigen“, urteilte die Kommission. „Für diese Versäumnisse trägt die jetzige Regierung, wie auch die früheren, die eindeutige Verantwortung.“

Die Regierung will nun mithilfe des Pandemiegesetzes offenbar die Zügel enger anziehen. Welche Maßnahmen sie umsetzen will, ist noch nicht bekannt. Doch sollten die Fallzahlen weiter steigen, sind Schließungen von Einkaufszentren und Geschäften, Sportanlagen und Kulturstätten nicht ausgeschlossen.

König Carl Gustav hat bereits von einem Scheitern gesprochen

Die Opposition wird das Gesetz aller Voraussicht nach mittragen. Allerdings kritisiert sie scharf, dass mit dem Gesetz nicht gleichzeitig finanzielle Hilfen für betroffene Unternehmen und Institutionen verabschiedet werden.

Die zuständige Ministerin, Lena Hallengren, blieb vage. „Das ist natürlich etwas, das wir uns näher anschauen müssen“, erklärte sie. Dem Unternehmerverband reicht das nicht. „Es muss eindeutig festgelegt werden, mit welcher Unterstützung Unternehmen rechnen können“, erklärte der Chef des Verbandes, Günther Mårder.

Auch sonst wächst die Kritik an der bisherigen Corona-Strategie des Landes. Nachdem König Carl Gustav bereits von einem Scheitern gesprochen hat, sind auch die Zustimmungswerte für die Regierung und die Gesundheitsbehörde deutlich gesunken.

Als dann nach Weihnachten herauskam, dass der Chef der schwedischen Zivilschutzbehörde über die Feiertage nach Gran Canaria geflogen war, obwohl die Regierung mehrfach eindringlich von jeglichen Reisen abgeraten hatte, erschütterte dies noch einmal das Vertrauen in das Krisenmanagement.

Auch Regierungschef Löfvén und einige seiner Minister mussten sich Kritik gefallen lassen: Sie wurden in Einkaufszentren beim Kauf von Geschenken fotografiert oder – wie im Fall von Finanzministerin Magdalena Andersson – beim Skifahren in Nordschweden. Und das, obwohl die Regierung immer wieder appelliert hatte, „auf alle nicht absolut notwendigen Einkäufe und Reisen zu verzichten“.