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Vom schwarzen Gold zur grünen Energie

Strenge Umweltvorschriften, erodierende Ölpreise: Das Geschäft der Ölmultis schmiert ab. Konzerne wie BP oder Shell investieren daher Milliarden in grüne Energien. Doch im Ökokosmos geht ihr Wettbewerbsvorteil verloren.

Es sind erschütternde Zahlen: Lediglich 25 Unternehmen sollen für mehr als die Hälfte der industriellen Treibhausgasemission verantwortlich sein, die seit 1988 in die Umwelt geblasen wurden. Das ist das Kernergebnis einer neuen Studie des Climate Accountability Instituts und des Carbon Disclosure Projekts, zwei gemeinnützigen Organisation, die sich für eine umweltfreundliche Wirtschaft einsetzen. Zu den 25 größten Klimasündern der Welt zählen laut der Studie gleich 18 Ölkonzerne. Darunter befinden sich alle Größen der Industrie – von Saudi Aramco über Exxon Mobil bis hin zu Total.

Das Image der Umweltverpester nagt an den fossilen Giganten. Beim World Petroleum Congress in Istanbul, einem nur alle drei Jahre stattfindenden Elitetreffen der Ölbranche mit wechselnden Veranstaltungsorten, zeigen sich führende Vertreter der Industrie geläutert. „Wir müssen unser Geschäft fit machen für eine kohlenstoffarme Welt“, sagte Bob Dudley, Chef des britischen Multis BP. Sein Dauerrivale, Shell-CEO Ben van Beurden, hatte bereits zuvor erklärt: „Wir werden bis zu eine Milliarde Dollar pro Jahr in unsere Division Neue Energien bis zum Ende der Dekade investieren.“

Sowohl Dudley als auch van Beurden unterstützen das Klimaabkommen von Paris und wollen dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen weltweit zu senken. Dafür will Dudley beispielsweise „weiter in Erneuerbare investieren“ und auf Erdgas als Brückentechnologie setzen, um die Energieversorgung auch dann sicherzustellen, wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht.

BP hat freilich schon einmal versucht, sich in einen grünen Konzern zu verwandeln und ist krachend gescheitert. Ende der 1990er Jahre tilgte der ehemalige Vorstandschef John Browne im Zuge einer ausgeklügelten PR-Kampagne das „british“ aus dem Firmennamen. Das Kürzel BP sollte künftig für „beyond petroleum“ stehen, also für Geschäfte jenseits des Öls. Doch der grüne Geschäftszweig wollte nie so recht gedeihen.

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Browne verbrannte mehrere Milliarden Dollar mit Investments in Windräder und Solarzellen, dann wurde seine Strategie beerdigt. Dieses Mal dürften den großen Worten in Sachen Ökoenergie bei den Ölkonzernen aber mehr Taten folgen als einst bei BP, meint Maurice Berns. Der Leiter der Öl- und Gassparte bei Boston Consulting glaubt zwar, dass der Fokus der Ölmultis auch künftig bei der Herstellung von fossilen Brennstoffen liegen werde, aber reines Greenwashing könne man den Konzernen nicht mehr vorwerfen.

„Die Investitionen und Ankündigungen der Ölkonzerne in Erneuerbare und alternative Technologien einzusteigen, sind real. Die Konzerne versuchen wirklich diese Geschäfte ins Laufen zu bringen“, sagte Berns dem Handelsblatt. Es seien Teams direkt unterhalb der Vorstandsebene gebildet worden, die dieses Thema vorantreiben sollen.

Der Schwenk der Ölkonzerne hin zu grüner Technik ist in erster Linie eine Folge der erodierenden Ölpreise. Das Kerngeschäft der Multis schmiert ab, weil ein Barrel Rohöl (159 Liter) mit rund 48 Dollar heute nicht einmal halb so viel wert wie noch Anfang 2014. Insgesamt hat der Ölpreisverfall tiefe Spuren in den Bilanzen der Konzerne hinterlassen. Allein bei den fünf unabhängigen Multis Exxon Mobil, Shell, BP, Chevron und Total ist der Umsatz von zusammengerechnet 1,64 Billionen Dollar im Jahr 2014 auf nur noch 916 Milliarden im vergangenen Jahr geschrumpft. Gleichzeitig ist der Gewinn des Quintetts um 75 Prozent eingebrochen – auf nur noch 18,2 Milliarden Dollar.


Öl-Konzerne wollen ein Spitzen-Investment bleiben

Mit dem Ölpreisverfall alleine lässt sich die Neuausrichtung bei BP, Shell und Co. aber nicht erklären. Auch die internationalen Anstrengungen beim Klimaschutz und die Umwälzungen in der Energiewelt zwingen die Konzerne zum Wandel. Denn wegen des Vormarschs des Elektroautos und potenziellen Fahrverboten für Verbrenner in Großstädten wie München oder Hamburg drohen die Ölkonzerne ihren wichtigsten Absatzmarkt zu verlieren: die Zapfsäule.

„Volvo hat angekündigt, ab 2019 keine Autos mehr mit Verbrennungsmotor zu bauen. Sollten auch andere Autohersteller so handeln, stünden die Ölmultis vor enormen Problemen“, analysiert Walter Pfeiffer. Der Ölmarkexperte der Unternehmensberatung Roland Berger ist sicher: „Ein schneller Abschied der Autoindustrie vom Verbrenner ist das größte Risiko für die Ölkonzerne.“

Tatsächlich wird in der Ölindustrie längst nicht mehr über Peak-Oil diskutiert, also darüber, wann der Höhepunkt der Ölproduktion eintritt, sondern über Peak-Demand – das Ende des Wachstums bei der Ölnachfrage. Angeheizt wird diese Debatte vor allem durch die massiven Kostensenkungen bei grünen Technologien. So sind etwa die Preise für Solarmodule nach Berechnungen der Erneuerbaren-Energien-Agentur Irena alleine im Zeitraum zwischen 2009 und 2015 um mehr als 80 Prozent gesunken.

„In vielen Fällen sind Erneuerbare jetzt wettbewerbsfähig“, erklärte BP-Chef Dudley. Es gebe daher insbesondere bei Windenergie oder Biosprit „gute Geschäftsszenarien“, um zu investieren, so Dudley. Doch es ist äußerst fraglich, warum gerade Ölkonzerne wie BP in der neuen Energiewelt Erfolg haben sollten.

„Das Ziel der Ölkonzerne ist, dauerhaft ein Investment der Spitzenklasse zu sein“, erklärt Unternehmensberater Pfeiffer. Bisher rechnen sich aber die Investments in erneuerbare Energien in größerem Umfang nicht wirklich. „Gegen abgeschriebene Kohlekraftwerke können Solar- und Windanlagen bei rückläufigen Subventionen trotz Kostensenkungen bisher kaum konkurrieren“, sagt Pfeiffer. Konzerne wie der französische Ölriese Total wollen bei Erneuerbaren auf der ganzen Wertschöpfungskette aktiv sein. Doch auch das ist nicht unbedingt erfolgsversprechend.

So ist Total beispielsweise seit 2011 Mehrheitseigentümer des amerikanischen Solarmodulherstellers SunPower. Zwischen 2012 und 2016 hat die Photovoltaiktochter der Franzosen allerdings Verluste von zusammengerechnet 978 Millionen Dollar angehäuft –bei einem Jahresumsatz von etwa 2,3 Milliarden Dollar. Selbst wenn es Total nun gelingen sollte, seine Solarbeteiligung nachhaltig in die schwarzen Zahlen zu führen, muss sich der Konzern darauf einstellen, dass die Renditen im Ökostromgeschäft tendenziell deutlich geringer ausfallen als in der Ölförderung.

Total-Chef Patrick Pouyanné sieht in elektrischem Strom aber die „Energieform des 21. Jahrhunderts“. In dieser neuen Welt, geht seinem Konzern allerdings der vielleicht wichtigste Wettbewerbsvorteil verloren. Während Skaleneffekte im Öl- und Gasgeschäft enorm helfen die Kosten zu drücken und günstiger an Kapitel zu kommen, ist schiere Größe allein in der dezentralen Welt der erneuerbaren Energien längst nicht mehr so entscheidend.

Die Ölkonzerne würden gerade eine „große Wette auf die Zukunft eingehen“, sagt John Feddersen. Der Chef des britischen Analysehauses Aurora Energy Research zweifelt aber, ob die Strategie der Multis, Milliarden in Erneuerbare zu investieren, wirklich aufgeht. Zumindest Stand heute scheint die langfristige Hoffnung der Ölkonzerne, schwarzes Gold durch grüne Energie zu ersetzen und dabei massig Geld zu scheffeln, ziemlich illusorisch.