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Die Schule der Zukunft: Digital, sozial, hybrid

Unser Schulsystem wird in diesem Jahr auf eine harte Probe gestellt. Ein Stresstest, wie wir ihn uns besser nicht hätten ausdenken können. Er zeigt: Unser Schul- und Bildungssystem ist nicht zukunftsorientiert.

 Foto: dpa
Foto: dpa

Harte Worte, aber leider muss ich in vielerlei Hinsicht sagen, dass es genauso ist: Schule in Deutschland ist weder technologisch noch inhaltlich auf das ausgerichtet, was unsere Kinder in der Berufswelt erwartet, wenn sie Abitur machen. Denn die Welt wird digitaler werden, ob wir mitmachen oder nicht.

Dass es in Deutschland Aufholbedarf in Sachen digitale Bildung gibt, zeigt der aktuelle Bildungs- und Ausbildungsmonitor der Europäischen Kommission. Dieser wurde Mitte November veröffentlicht mit dem Schwerpunkt: Lehren und Lernen im digitalen Zeitalter. Der Länderbericht für Deutschland beginnt folgendermaßen: Digitales Equipment und Konnektivität liegen unter dem EU-Durchschnitt. Zwar haben Dreiviertel aller Schüler Zugang zu digitalen Lernmitteln, aber nur neun Prozent haben Zugriff auf Schulinternet.

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Mit der Schließung der Schulen im Frühjahr hat sich genau dieses Defizit deutlich gezeigt. So brachen Server unter der Masse an Nutzern zusammen, an manchen Schulen hatten Lehrer nicht einmal eine E-Mail-Adresse, an anderen Schulen mussten Schüler sich Tablets teilen und wieder an anderen gab es gar keine. Es muss sich etwas tun an Deutschlands Schulen. Flächendeckend.

Geld für digitale Bildung ist da, woran scheitert's?

Das Paradoxe: Es mangelt nicht an Geld. Mit dem „DigitalPakt Schule“ hat der Bund den Ländern fünf Milliarden Euro Fördergelder zur Verfügung gestellt, um Digitalisierung an unseren Schulen voranzutreiben. Die Länder haben sogar nochmal 500 Millionen Euro dazugelegt. Und mit Corona gibt es nochmal 1,5 Milliarden dazu. Im September las ich, dass von diesen Geldern bislang nur 15,7 Millionen tatsächlich in die Länder geflossen sind und davon noch nicht ein einziger Laptop gekauft wurde.

Klar, es muss erst einmal das nötige Ökosystem geschaffen werden, bevor wir Schülern die Tools an die Hand geben können. An vielen Schulen gab es schlichtweg nicht die technische Voraussetzung für ein digitales Klassenzimmer. Zudem muss der Lernstoff auf digitales Lernen umgestellt werden, es müssen Konzepte erarbeitet werden, damit dieses auch funktioniert. Wir können den Stoff, der seit Jahrzehnten nur offline unterrichtet wird, nicht einfach so online umziehen.

Der leuchtende Stern am digitalen Schulhimmel: Estland

Wir müssen das Rad allerdings auch nicht neu erfinden. Lassen Sie mich einen kurzen Abstecher machen in ein Land, das das digitale Klassenzimmer bereits sehr gut etabliert hat: Estland. Das Land investiert seit den 1990er-Jahren bereits massiv in digitale Bildung. Lehrer nutzen sogenannte Smartboards statt Tafeln. Der Schulalltag in Estland wird weitgehend über eine Online-Plattform organisiert, die fast alle Lehrer, Schüler und Eltern nutzen. Die Plattform erfüllt dabei unterschiedliche Funktionen, beispielsweise werden darüber Lehr- und Stundenpläne erstellt, Hausaufgaben eingestellt und Noten vergeben.

In Estlands Kindergärten gibt es Robotik-Projekte und Programmieren steht ab der ersten Klasse auf dem estnischen Lehrplan. Dass dieses System funktioniert, zeigen die Ergebnisse des PISA-Rankings: In Europa ist Estland Spitzenreiter. Skeptiker werden jetzt sicher sagen: Ja, aber Estland ist ein kleines Land, das können wir so gar nicht umsetzen. Vielleicht nicht genauso, aber bestimmte Aspekte können und sollten wir uns abgucken.

Wir holen uns TUMO aus Armenien

Auch anderweitig gibt es Konzepte, die funktionieren. Eines stammt aus Armenien und nennt sich TUMO. Dabei handelt es sich um ein innovatives pädagogisches Lernkonzept, bei dem Jugendliche im Alter von zwölf bis 18 Jahren in einem hochmodern ausgestatteten Zentrum nach der Schule zukunftsorientierte Skills mittels digitaler und kreativer Technologien lernen. Im Angebot stehen Robotik, Programmieren und 3D-Modellierung, aber auch Film oder Fotografie – das Ganze ist kostenfrei und freiwillig.

TUMO hat sich mittlerweile auch außerhalb Armeniens erfolgreich etabliert, unter anderem in Paris, Beirut und Moskau, und wird jetzt auch in Berlin durch die KfW aufgebaut.

Der didaktische Mehrwert des digitalen Lernens

Egal welches Schulsystem wir nutzen – offline, digital oder hybrid – entscheidend ist am Ende der didaktische Mehrwert. Und hier sehe ich einen großen Vorteil im digitalen Lernen. Denn alle Kinder sind anders. Und jedes Kind lernt in einem anderen Tempo und interessiert sich für andere Fächer. Unser jetziges Schulsystem schert alle über einen Kamm und berücksichtigt dabei weder Vorlieben noch Schwächen. Das kann digitales Lernen ändern.

Schüler, die besonders gut in Mathe sind oder sich besonders für Geschichte interessieren, könnten mit einer digitalen Lernplattform Inhalte in diesem Fach vertiefen und sich sogar Inhalte der nächsten Jahrgangsstufe anschauen. Leistungsschwache Schüler wiederum können Wissenslücken in ihrem Tempo füllen, in dem sie Material aus vorherigen Klassen noch einmal durcharbeiten. Dieses System kann Schülern helfen, in ihrem eigenen Tempo zu lernen. Wenn das Lernen dann zudem in spielerischer Weise funktioniert, wie es beispielsweise von Lernapps vorgelebt wird, kann Lernen sogar Spaß machen.

Und wir wissen alle: Was uns Spaß macht, tun wir viel lieber. Schüler, die besonderes Interesse an einem Fach haben, können sich so auf eigene Faust auch mehr Wissen aneignen. Und ist das nicht das Wunschszenario aller Eltern, wenn die Kinder freiwillig lernen?

Der soziale Faktor Schule

Eines kann und wird digitales Lernen allerdings nie ersetzen können: Den sozialen Austausch unter Menschen. Daher wird die Schule auch nie „überflüssig“ werden. Vor allem die letzten Monate haben uns gezeigt – und zwar Kindern wie Erwachsenen – wie wichtig der soziale Kontakt im Alltag ist. Denn Schulen sind viel mehr als Orte des Lernens. Sie sind eine Art Gemeinschaftszentrum und spielen eine entscheidende Rolle bei der Sozialisierung unserer Kinder. Zu sozialen Kompetenzen gehören beispielsweise Teamfähigkeit, Empathie oder generell Kommunikationsfähigkeit, aber auch Kritik- und Konfliktfähigkeit.

Aber – und das ist ein Aspekt, der nicht vergessen werden sollte – Schüler suchen sich „Ihresgleichen“ als Freunde. Dabei kann „Ihresgleichen“ auch davon abhängen, wie gut oder schlecht Mitschüler in ihren liebsten Fächern sind. An dieser Stelle kann digitales Lernen helfen, lernschwachen Schülern den Zugang zu einer Gruppe zu verschaffen, die ihnen sonst vielleicht verschlossen wären.

Ich könnte mir als Idealszenario ein hybrides Modell vorstellen, bei dem in der Schule die Grundlagen durch den Lehrer in einem Klassenraum gelehrt werden. Diese Grundlagen werden dann in Projektteams praktisch umgesetzt und das mithilfe digitaler Tools.

Ein Hybridmodell erlaubt es den Schülern, ihr Lerntempo zu verlangsamen, wenn es nötig ist, und in anderen Fächern schneller voranzukommen, wenn sie dazu in der Lage sind. Gleichzeitig bietet es ein Gegengewicht zum reinen Online-Schulunterricht dar, indem die Schülerinnen und Schüler in einer Klassenraumumgebung mit Lehrern und Gleichaltrigen bleiben. Die Schule der Zukunft könnte dann die Schlagwörter digital, sozial und hybrid wunderbar miteinander verknüpfen.

Mehr zum Thema: So gelingt selbstständiges Lernen im virtuellen Klassenzimmer.