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Schulden aufnehmen für die Kurspflege – ein Trend mit großem Risiko

Immer mehr Konzerne nehmen Kredite auf, um eigene Aktien zurückzukaufen. Auch deutsche Firmen mischen mit. Dabei sollten sie eigentlich gewarnt sein.

Auf der Suche nach Rendite angesichts der Niedrig- und Nullzinspolitik denken sich die Unternehmen immer neue Strategien aus, um das Geld ihrer Aktionäre zu mehren. Besonders gerne kaufen börsennotierte Unternehmen eigene Aktien zurück – und treiben so die Kurse nach oben. Immer häufiger verschulden sich die Unternehmen sogar, um die Kurspflege zu finanzieren. Schließlich müssen sie für die zusätzlichen Kredite oder Anleihen faktisch keine Zinsen zahlen.

Adidas und Siemens wollen bis 2021 eigene Anteilscheine im Wert von jeweils drei Milliarden Euro zurückkaufen, Fresenius Medical Care (FMC) nimmt bis zum Jahr 2020 eine Milliarde Euro dafür in die Hand. Die Munich Re gibt schon seit Langem jährlich eine Milliarde Euro für Rückkäufe aus. Auf diese Weise verknappen die Unternehmen das Aktienangebot, zugleich steigen der Gewinn und die Dividende je Aktie.

Erst vor wenigen Wochen kündigte auch SAP an, im kommenden Jahr 1,5 Milliarden Euro in Form von Aktienrückkäufen oder Dividenden – wohlgemerkt über die übliche Ausschüttung hinaus – an die Aktionäre weiterzureichen.

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„Die erhöhte Kapitalausschüttung im nächsten Jahr unterstreicht die große Bedeutung, die die SAP einer angemessenen Rendite für unsere Aktionäre und einer disziplinierten Verwendung unserer finanziellen Mittel beimisst“, erklärten die neuen Vorstandschefs Jennifer Morgan und Christian Klein. Sie hatten die Führung nach dem überraschenden Abgang des langjährigen Konzernchefs Bill McDermott übernommen – und als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Anlegergeschenke verkündet.

Der Trend zum Rückkauf kommt aus den USA. Handelsblatt-Berechnungen belegen: Für Aktienrückkäufe und Dividenden gaben die 500 größten US-Konzernen im abgelaufenen Jahr 1,3 Billionen Dollar aus. Dem stand ein Nettogewinn von 1,1 Billionen Dollar gegenüber.

Insgesamt kauften die 500 größten amerikanischen Konzerne im vergangenen Jahrzehnt Aktien für knapp fünf Billionen Dollar zurück. Das sind im Schnitt fast 500 Milliarden Dollar pro Jahr. „Alle anderen Käufer wie Haushalte, Publikumsfonds und Pensionsfonds liegen deutlich dahinter“, urteilt Ulrich Stephan, Chefanlagestratege der Deutschen Bank.

Egal ob geliehen oder selbst verdient – das Kapital, das die Unternehmen in Rückkäufe und Ausschüttungen stecken, steht nicht für Investitionen zur Verfügung. Berechnungen der amerikanischen Investmentbank JP Morgan zeigen, dass die S & P-500-Konzerne im vergangenen Jahr 31 Prozent ihrer liquiden Mittel für Aktienrückkäufe verwendeten. Der zweitgrößte Ausgabeposten waren Investitionen mit 27 Prozent, gefolgt von Dividenden mit 18 Prozent. Jeweils zwölf Prozent flossen in die Forschung und Entwicklung sowie in Akquisitionen.

Weltweit mit Abstand größter Rückkäufer ist Apple. In den vergangenen zehn Jahren kaufte der iPhone-Riese für 327 Milliarden Dollar eigene Anteilscheine auf. Die Summe entspricht dem Nettogewinn aller 30 Dax-Konzerne in den vergangenen vier Jahren.

Der Tech-Konzern griff dabei auf sein Kapitalpolster zurück, nahm also keine Schulden auf. Das sieht bei vielen Unternehmen anders aus. Der Ölriese Exxon Mobil kaufte seit 2009 eigene Aktien für 112 Milliarden Dollar auf. Aktuell bilanziert Exxon Nettofinanzverbindlichkeiten von 47,4 Milliarden Dollar. Vor zehn Jahren hatte Exxon noch mehr Cash und Guthaben als Schulden.

Oftmals drängen Aktionäre ihre Unternehmen zu der teuren Kurspflege. So gab Ebay den Forderungen seiner Großaktionäre nach, über Dividenden und Aktienrückkäufe binnen zwei Jahren sieben Milliarden Euro auszugeben. Das entspricht etwa einem Fünftel der gesamten Börsenbewertung. Zuvor waren bei Ebay mit den US-Hedgefonds Elliott Management und Starboard Value zwei aktivistische Investoren eingestiegen.

Ausgerechnet die rasant wachsende IT-Branche, in der eigentlich Zukunftsinvestitionen an erster Stelle stehen, liefert die größten Rekorde an Anlegergeschenken: So gibt der Netzwerkausrüster Cisco innerhalb von zwei Jahren 31 Milliarden Dollar für Aktienrückkäufe aus. Beim Chipproduzenten Qualcomm flossen in nur zwölf Monaten 22 Milliarden Dollar in Aktienrückkäufe und weitere 3,3 Milliarden Dollar in Dividenden. In den vergangenen zehn Jahren nahm Qualcomm eigene Aktien für 54,5 Milliarden Dollar vom Markt.

Die Folgen des Rückkaufbooms sind immer weniger Aktien: Die Zahl der handelbaren Apple-Aktien hat sich seit 2015 um ein Fünftel verringert. Der Computerhersteller IBM halbierte in den letzten 25 Jahren die Zahl seiner Anteilscheine.

Von solchen Dimensionen ist Europa weit entfernt. Hier kauften die Konzerne im laufenden Jahr eigene Aktien für rund 50 Milliarden Euro zurück. Der niederländisch-britische Mischkonzern Unilever erwirtschaftete in den zwölf Monaten bis Juni 2019 einen Nettogewinn von 9,4 Milliarden Euro. Dem standen Aktienrückkäufe von vier und Dividenden von weiteren 4,4 Milliarden Euro gegenüber.

Drastischer ist das Missverhältnis bei Nestlé: Ex-Fresenius-Chef Ulf Mark Schneider war angetreten, um aus dem traditionsreichen Schweizer Nahrungsmittelriesen einen schlagkräftigeren Konzern zu formen. Schlagkräftig ist vor allem Nestlé-Aktionär Daniel Loeb: Mit seinem Hedgefonds Third Point hält er gut ein Prozent der Nestlé-Aktien. Erst erstritt der streitbare Amerikaner ein Aktienrückkaufprogramm, ehe er den Verkauf von Firmenanteilen forderte, die 15 Prozent des Gesamtumsatzes entsprechen sollen.

In der Bilanz hinterlässt der Strategiewechsel verheerende Spuren: In den vier Quartalen bis Juni 2019 kaufte Nestlé eigene Aktien für 6,3 Milliarden Euro zurück, weitere 6,4 Milliarden Euro flossen als Dividende an die Aktionäre. Der Nettogewinn betrug 8,2 Milliarden Euro. Die Folge sind höhere Schulden: Die Nettoverschuldung stieg binnen eines Jahres von 24,9 auf zuletzt 34,2 Milliarden Euro. Die Schuldenquote mit dem Verhältnis aus Nettoverschuldung und Eigenkapital wuchs dramatisch von 50,2 auf 74,1 Prozent.

Solange die Zinsen niedrig bleiben und Anleger und Banken die Schulden finanzieren, geht diese Spirale weiter. Doch die Finanzchefs müssten eigentlich gewarnt sein. 2008 hatten deutsche Unternehmen Aktien im Wert von 16,9 Milliarden Euro zurückgekauft – so viel wie nie. Grundlage war der Wirtschafts- und Ertragsboom 2007. Als kurz darauf die Finanzkrise ausbrach, sanken die Aufträge, Umsätze, Gewinne und Aktienkurse – den Firmen fehlte das Geld.

Daimler erwarb bis Oktober 2008 in mehreren Programmen 137 Millionen eigene Aktien für 7,6 Milliarden Euro. Nur ein halbes Jahr später war die Finanznot groß: Im Frühjahr 2009 stieg das Emirat Abu Dhabi mit 1,95 Milliarden Euro ein und wurde so mit 9,1 Prozent der Anteile Daimler-Großaktionär. Zumindest Daimler kauft seitdem keine Aktien mehr zurück.