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Österreichs Wirtschaftsministerin: „Müssen Produktion in Schlüsselbereichen nach Europa zurückholen“

Margarete Schramböck will Europas Wirtschaft unabhängiger machen. Im Fall der Austrian Airlines nimmt sie die Lufthansa in die Pflicht.

Österreichs Wirtschaftsministerin plädiert dafür, Produktionsstandorte wieder in die EU zu verlagern. Foto: dpa
Österreichs Wirtschaftsministerin plädiert dafür, Produktionsstandorte wieder in die EU zu verlagern. Foto: dpa

Europa zuerst, fordert Österreich als Lehre aus der Coronakrise. Österreichs Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck (ÖVP) fordert, Industrieproduktion wieder in die EU zurückzuholen, um autonomer von Asien und Amerika zu werden und die wachsende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. „Ich plädiere für eine Renaissance des Produktionsstandorts Europa.

„Wir müssen Produktion in Schlüsselbereichen wieder nach Europa zurückholen“, sagte die Vertraute von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ebenfalls ÖVP) dem Handelsblatt in Wien. „In Österreich und Europa müssen wir autarker werden, um die Wiedergeburt der Produktion zu ermöglichen. Das sichert unsere Unabhängigkeit im Krisenfall und schafft Arbeitsplätze.“

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Als Beispiele nennt die frühere Telekom-Austria-Managerin Schlüsselindustrien wie Halbleiter, Batterien, Wasserstoff und auch die Pharma- und Gesundheitsbranche. „Europa muss seine Anstrengungen im Binnenmarkt verstärken, um in der Krise nicht auf Importe aus China angewiesen zu sein“, fordert die 50-Jährige. „Es darf keine Denkverbote in Europa geben. Das Coronavirus war ein dramatischer Weckruf, auch den Produktionsstandort Europa wiederzubeleben.“

Der Staat könne sich nicht nur auf Forschung und Entwicklung konzentrieren, sondern er müsse auch die Herstellung von zentral wichtigen Produkten wieder ermöglichen. Der dramatische Mangel an Masken und Schutzausrüstungen sei eine starke Warnung gewesen. Ähnlich wie Deutschland hatte sich Österreich in den vergangenen Jahren vor allem auf die Förderung der Innovationsforschung konzentriert. Dafür schuf die Regierung in Wien sogar eine großzügige Forschungsprämie.

Nun vollzieht die Koalition mit der Hinwendung zur industriellen Produktion eine strategische Kehrtwende. Österreich sei sehr stolz darauf, eine Produktion von hochwertigen FFP-Masken nun in Vorarlberg hochzuziehen. „Wir müssen Europa krisensicher machen. Das ist die Lehre aus den vergangenen Wochen“, sagte Schramböck dem Handelsblatt.

Druck auf Österreich ist höher

Von den EU-Mitgliedsländern fordert die Wirtschaftsministerin unterdessen ein Umdenken im Umgang mit den Unternehmen. „Wir brauchen ein neues Wettbewerbsrecht in Europa. Denn wir stehen nicht in erster Linie in der EU untereinander in Wettbewerb, sondern primär in Konkurrenz zu China und den USA“, sagte die konservative Politikerin. Auch Beschaffungen in Europa müssten neu gedacht und geregelt werden. Es sei notwendig, auf Produzenten in der EU zurückzugreifen und nicht auf „irgendwelche in Asien“.

Österreich steht wirtschaftlich derzeit unter einem noch größeren Druck als Deutschland. Der Alpenrepublik droht in diesem Jahr ein historisch großer Wirtschaftseinbruch von bis zu 7,5 Prozent, wie der Chef des österreichischen Wirtschaftsforschungsinstituts, Christoph Badelt, prognostiziert. Das Haushaltsdefizit könne sich bis auf zehn Prozent belaufen. „Dafür sorgen die Notfallmaßnahmen und eine sehr schwache Steuerentwicklung“, sagte Österreichs führender Ökonom.

Vor diesem Hintergrund drängt die österreichische Wirtschaftsministerin nun auf eine schnelle Wiederherstellung des EU-Binnenmarktes. „In der Coronakrise hat der europäische Binnenmarkt einen Schaden erlitten. Ich dränge im EU-Handelsministerrat darauf, den Zusammenhalt in Europa wiederherzustellen“, erklärte Schramböck. Denn gerade für eine exportorientierte Wirtschaft wie der österreichischen sind offene Grenzen für Waren, Dienstleistungen, Personen und Kapital das Wichtigste in der Krise.

Aus ihrer Enttäuschung über deutsche Exportverbote macht die Tirolerin keinen Hehl. „Unsere Verwunderung war groß, dass ausgerechnet einige Länder im europäischen Binnenmarkt, an erster Stelle Deutschland, den Export von medizinischen Hilfsmitteln verboten hatten und so Lastwagen mit wichtigem Material tagelang an der Grenze zu Deutschland aufgehalten wurden“, kritisierte die Wirtschaftsministerin.

Weitere Grenzöffnungen

Nun gehe es darum, den freien Verkehr von Bürgern im Binnenmarkt schnell wiederherzustellen. Deutschland und Österreich hatten erst am Freitag Erleichterungen für Berufspendler am „kleinen deutschen Eck“ bei Salzburg eingeführt. So ist der Grenzübertritt von Österreich nach Bayern und umgekehrt für Selbstständige, für den Warenverkehr oder schlichtweg für Arztbesuche wieder ungehindert möglich. Aus der Sicht Wiens ist diese Lockerung aber nur ein Anfang.

„Nun ist aber notwendig, den grenzüberschreitenden Personenverkehr weiter zu lockern, wenn die Zahlen der Infizierten nicht steigen“, sagt die Wirtschaftsministerin. „Ich hoffe auf einen schnellen Erfolg der bilateralen Gespräche, die sehr gut laufen.“ Einen Termin für die Grenzöffnung nannte sie aber auf Nachfrage nicht.

Das Drängen auf schnelle Lockerungen im deutsch-österreichischen Grenzverkehr hat handfeste Gründe. Denn Österreich hofft im Sommer auf die Rückkehr der deutschen Touristen. „Wichtig ist, die Nachfrage auch außerhalb von Österreich wieder anzukurbeln“, betont die Wirtschaftsministerin.

Die Alpenrepublik erwirtschaftet mehr als 15 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP) mit dem Fremdenverkehr. Angesichts fehlender Gäste aus dem Ausland droht Tausenden von Hotels, Restaurants und Gasthöfen zwischen Bodensee und Neusiedler See die Pleite.

„Im Tourismus leiden wir unter einem Nachfrage- und Angebotsschock“ bekennt Schramböck. Derzeit schnürt die Regierung ein Maßnahmenpaket, um dem Fremdenverkehr in seiner schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg zu helfen. Eine Prämie zur Schließung von Hotels und Gaststätten sei aber nicht geplant. Im Gegenteil, die Regierung werde alles dafür tun, die Betriebe zu erhalten.

Derzeit bearbeitet die Regierung wirtschaftspolitisch viele Baustellen. Eine davon ist die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines (AUA), die seit Ausbruch der Coronakrise im März ihren Flugbetrieb am Wiener Drehkreuz eingestellt hat. AUA-Chef Alexis von Hoensbroech braucht eine Finanzspritze von bis 800 Millionen Euro, um das Überleben der Lufthansa-Tochter zu garantieren.

Warten auf die Lufthansa

Derzeit laufen die Gespräche. Noch aber hofft die Wirtschaftsministerin auf einen starken Einsatz der Lufthansa, um das Überleben der österreichischen Tochter zu sichern. „Der Mutterkonzern steht in der Verantwortung, in dieser Phase Hilfe zu leisten“, sagt Schramböck an die Adresse der Lufthansa. „Die Hauptverantwortung in dieser schweren Zeit liegt bei den Eigentümern der Austrian Airlines.“ Derzeit laufen auch Gespräche mit der Covid-19-Finanzierungsagentur Cofag in Wien. „Wir warten auf konstruktive Vorschläge der Lufthansa“, bemerkte die Wirtschaftsministerin.

Doch der Mutterkonzern selbst steht ohne deutsche Staatshilfe mit dem Rücken zur Wand. In der Bundesregierung in Berlin gibt es Streit über ein milliardenschweres Rettungspaket für die in der Coronakrise schwer gebeutelte Lufthansa. Der Dax-Konzern hatte die Austrian Airlines vor elf Jahren übernommen. Österreich hatte der Lufthansa bei der Übernahme bereits 500 Millionen Euro als Mitgift gegeben.

Auf eine Staatsbeteiligung bei der Lufthansa oder der AUA ist die Regierung in Wien nicht aus. „Staatsbeteiligungen haben für uns keine Priorität“, sagte Schramböck. „Bevor wir über Staatsbeteiligung reden, plädiere ich dafür, unsere Mittel im 38 Milliarden Euro großen Hilfspaket in der Coronakrise auszuschöpfen.“

Die AUA erzielte 2019 einen Umsatz von 2,1 Milliarden Euro. Das bereinigte Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebit) sank allerdings auf nur noch 19 Millionen Euro. „Wir sind unverschuldet in diese Krise geraten. Nun ist es unsere Verantwortung, Austrian Airlines zukunftsfit für die Zeit nach Corona zu machen“, sagte CEO von Hoensbroech. Er hat angekündigt, ein Fünftel der AUA-Flotte auszurangieren.