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Schottlands Fischer sauer auf London

Der Hafen von Peterhead. Die Fischerei war eines der emotionalsten Themen bei den Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU.
Der Hafen von Peterhead. Die Fischerei war eines der emotionalsten Themen bei den Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU.

Die Fischerei war eines der emotionalsten Themen bei den Brexit-Verhandlungen zwischen Großbritannien und der EU. Haben sich die harten Verhandlungen für die britische Branche gelohnt? Ein Ortsbesuch.

Peterhead (dpa) - Wer erst mittags nach Peterhead kommt, wird denken, dass hier der Hund begraben liegt. Oder in diesem Fall wohl eher: der Fisch. Außer dem Geschrei der Möwen ist kaum ein Geräusch zu hören. Doch die Stille täuscht.

Wer früh aufsteht, der kann ihn erleben, den Herzschlag der Kleinstadt an der schottischen Nordseeküste. Am Hafen herrscht dann reges Treiben, große Laster fahren zu Dutzenden ab. Peterhead, keine 20.000 Einwohner, gut drei Stunden Autofahrt von Edinburgh nach Norden, ist der größte Fischmarkt Europas. Jedes dritte britische Fischerboot legt hier an.

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Ein modernes Gebäude hat längst den alten Fischmarkt abgelöst, auf dem Dach Solarpaneele. Meerestiere im Wert von 190 Millionen Pfund (219 Mio Euro) wurden hier 2020 gehandelt, trotz Corona-Pandemie nicht so viel weniger als im Rekordjahr 2019 (210 Mio Pfund). Doch die Aussichten sind trübe - und schuld ist der Brexit. Dabei waren es gerade die Fischer, die auf den EU-Austritt gesetzt hatten, um «endlich wieder Zugang zu unseren Gewässern» zu erhalten und sich die Fischgründe nicht mehr mit den EU-Kollegen teilen zu müssen.

Doch nach gut vier Monaten, in denen Großbritannien wieder ein «selbstständiger Küstenstaat» ist, wie die Regierung im weit entfernten London nicht müde wird zu betonen, ist der Frust groß. «Die Brexit-Einigung blieb weit hinter dem zurück, was sich die Branche erhofft hatte», sagt Elspeth Macdonald, die Chefin des Schottischen Fischereiverbandes SFF, der Deutschen Presse-Agentur.

Es waren harte Verhandlungen zwischen Brüssel und London - und mittendrin die Fischerei. Obwohl die Branche nur einen Bruchteil der britischen Wirtschaft ausmacht, wären die Gespräche fast am Streit über die Quoten gescheitert. Auf EU-Seite machte vor allem Frankreich Druck, dessen Fischer sonst aus dem Ärmelkanal fast vertrieben worden wären. Dort kam es zwischen britischen und französischen Fischern sogar zu Zusammenstößen auf offener See, so erbittert tobte der Streit.

Vereinbart wurde letztlich, dass die EU in einer Übergangsphase von fünfeinhalb Jahren bis 2026 schrittweise auf 25 Prozent ihrer bisherigen Fangquote in britischen Gewässern verzichtet, gemessen am Wert des Fischs. Sollte London den Zugang später weiter beschneiden, könnte Brüssel mit Zöllen antworten. Beobachter werteten die Vereinbarung als großes Zugeständnis Londons. Nach Monaten der Praxis sagt SFF-Chefin Macdonald: Die Beobachter hatten Recht. «Die Regierung hat der Industrie Versprechungen gemacht, die sie nicht eingehalten hat.»

Vor allem kleine Unternehmen spürten die Folgen. Davon gibt es vor allem in Peterhead viele, sie sind etwa auf Kabeljau spezialisiert. «2026 ist sehr weit entfernt», sagt Macdonald. «Und es ist eine sehr lange Zeitspanne, während der das Vereinigte Königreich mit einer sehr schlechten Lösung leben muss.» Mit Lastwagen und Tonnen verrottetem Fisch fuhren Schottlands Fischer aus Protest im Londoner Regierungsviertel Westminster vor. Für nachhaltigen Eindruck sorgten sie dort nicht. Der Tory-Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, bekannt für eine gewisse Exzentrik, betonte im Parlament: «Entscheidend ist, dass wir unseren Fisch zurückhaben. Es sind jetzt britische Fische. Und damit bessere und glücklichere Fische.»

Hinzu kommt: Weil Großbritannien ohne Mitgliedschaft in Binnenmarkt und Zollunion ein Drittstaat ist, erschweren Zölle und andere Hemmnisse wie Gesundheitszertifikate den Handel mit frischen Waren wie Fischen. Die Just-in-time-Lieferketten vor allem der schottischen Händler geraten beim Handel mit der EU durcheinander.

An der Hafenmole steht Ronald und ist stocksauer. Vielleicht ist es ganz gut, dass der Fischer Englisch mit dickem schottischen Akzent spricht - dann sind seine vielen Schimpfworte nicht so gut zu verstehen. «Alles geht hier den Bach runter», meckert der ältere Mann. Seit dem Brexit seien die Anlandungen viel weniger geworden, seine Söhne hätten ihr Boot längst verkauft.

Vor allem in den Wochen nach dem Stichtag war es in Peterhead deutlich leerer als sonst. Der Chef des schottischen Verbands der Getränke- und Lebensmittelhändler, James Withers, twitterte damals Bilder aus dem Inneren der Markthalle - «Europas größter Fischmarkt in Peterhead gleicht einer Geisterstadt», schrieb er dazu.

Für Fischer Ronald ist klar, wo die Schuldigen sitzen. «Für Johnson waren wir nur eine Schachfigur in den Verhandlungen», schimpft er auf den britischen Premier. Da trifft es sich doch gut, dass in Schottland an diesem Donnerstag (6. Mai) ein neues Parlament gewählt wird, könnte man meinen. Das Votum gilt als Stimmungstest für die Unabhängigkeit, die Regierungspartei SNP wird bei entsprechender Mehrheit ein zweites Referendum - das erste 2014 gewannen die Befürworter der Union mit Großbritannien - vorantreiben.

Aber nein, auch der SNP traut Ronald keinen Umschwung zu. «Im Gegenteil, alles, was die machen, ist, unsere Steuern noch weiter zu erhöhen», behauptet er. «Die Fischer sind politikmüde», sagt Verbandschefin Macdonald erklärend. Die Mehrheit sei aber gegen die Unabhängigkeit. Denn die SNP will das Land zurück in die EU führen. Und dann, so fürchtet Macdonald, sei die Chance auf die eigenen Fischgründe, ohne Konkurrenz aus der EU, erst recht vertan.