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Scholz legt milliardenschwere „Kraftreserve“ für den Bundeshaushalt an – Opposition protestiert

Finanzminister Scholz plant 2020 mit einem Defizit von 218 Milliarden Euro. Das seien mehr Schulden als notwendig, moniert die Opposition.

Der Vizekanzler stellt den zweiten Nachtragshaushalt vor. Zur Finanzierung des Konjunkturpakets will er 62,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Foto: dpa
Der Vizekanzler stellt den zweiten Nachtragshaushalt vor. Zur Finanzierung des Konjunkturpakets will er 62,5 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Foto: dpa

Olaf Scholz kommt mit einer Viertelstunde Verspätung in die Bundespressekonferenz, um seinen zweiten Nachtragshaushalt vorzustellen. Zuvor war der Finanzminister noch im Haushaltsausschuss des Bundestages. Dort musste er seinen Zusatzetat verteidigen. Es gab einige kritische Nachfragen der Haushaltsexperten, weshalb die Sitzung länger dauerte als geplant.

Nachdem der Bundestag bereits im März zugestimmt hatte, dass Scholz in diesem Jahr Rekordschulden in Höhe von 156 Milliarden Euro aufnehmen darf, soll es nun einen Nachschlag geben. Scholz plant im zweiten Nachtragshaushalt mit weiteren 62,5 Milliarden Euro, um damit das gerade von der Großen Koalition beschlossene Konjunkturprogramm zu finanzieren.

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„Das ist ein Wumms-Paket“, sagte Scholz bei der Präsentation seines Haushalts. Ziel sei es, die Wirtschaft wieder anzukurbeln. Der Finanzminister zitierte eine Liedzeile aus den 1980er-Jahren: „Jetzt wird wieder in die Hände gespuckt, wir steigern das Bruttosozialprodukt.“ Und dafür sind nach Scholz' Ansicht auch Schulden von insgesamt 218,5 Milliarden Euro gerechtfertigt und notwendig. „Weniger wäre nicht genug“, sagte der SPD-Politiker.

Das sieht man in der Opposition anders. Scholz mache „deutlich mehr Schulden, als nötig wären“, monierte FDP-Haushaltsexperte Otto Fricke. Tatsächlich hat es im Bundesfinanzministerium einen Strategiewechsel gegeben.

Noch bei Vorstellung des Konjunkturpaketes hieß es, dass man vermutlich mit 25 bis 30 Milliarden Euro auskäme, weil aus dem ersten Nachtragshaushalt noch Geld übrig sei. Doch dann stieg die Summe immer weiter an und man landete schließlich bei 62,5 Milliarden Euro.

Weitere Puffer

Der Grund ist, dass Scholz Reserven anlegt. Entgegen der ursprünglichen Haushaltsplanung verzichtet er in diesem Jahr darauf, 10,6 Milliarden aus einer Rücklage zu entnehmen. Damit bleibt die Reserve bei gut 48 Milliarden Euro. Sie stehen in Zukunft zur Verfügung.

Parallel dazu baut Scholz weitere Puffer auf: So sollen nun 26,2 Milliarden Euro in den Energie- und Klimafonds (EKF) fließen, um damit ab 2021 unter anderem die Senkung der EEG-Umlage zu finanzieren. Diese Maßnahme ist im Konjunkturpaket vorgesehen. Auch weitere Sondervermögen werden aufgestockt. Warum bittet Scholz den Bundestag jetzt um Kreditermächtigungen, wenn das Geld teilweise erst in den kommenden Jahren benötigt wird? Die Opposition sieht einen Grund darin, dass im kommenden Jahr Bundestagswahl ist.

„Da neue Schulden im Wahlkampf immer schlecht aussehen, nutzt Finanzminister Scholz einen Trick: Er parkt jetzt aufgenommene Kredite in vermeintlichen Rücklagen, um sie im Wahlkampfjahr verwenden zu können, ohne eine Nettokreditaufnahme auszuweisen“, sagte FDP-Finanzpolitiker Fricke. „Das sind die Taschenspielertricks eines Finanzministers, der gerne ins Kanzleramt umziehen möchte.“

Haushälter aus der Koalition sehen das durchaus ähnlich, auch wenn sie das öffentlich nicht sagen würden. Schließlich haben Union und SPD gleichermaßen ein Interesse daran, im kommenden Jahr nicht mit negativen Überraschungen im Haushalt aufzufallen. Auch in der Vergangenheit haben Finanzminister stets drauf geachtet, dass sie durch den Haushalt im Wahljahr nicht zu unpopulären Maßnahme gezwungen werden.

„Kraftreserve für den Bundeshaushalt“

Scholz begründet die hohen Schulden in diesem Jahr mit der Unsicherheit in der Coronakrise. Die Bundesregierung ist nun finanziell auch für mögliche Rückschläge gerüstet, ohne dass direkt wieder ein Nachtragshaushalt notwendig würde. „Das ist eine richtige Kraftreserve für den Bundeshaushalt“, sagte Scholz.

Der Bundesfinanzminister hält die steigende Verschuldung des Bundes für verkraftbar. Andere Länder hätten schon vor der Pandemie mehr Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gehabt, als Deutschland nach der Krise haben werde, sagte der Vizekanzler.

Die Schuldenquote steigt von unter 60 auf rund 77 Prozent. Zum Vergleich: In der Finanzkrise war sie auf 82 Prozent geklettert. Wegen der guten wirtschaftlichen Entwicklung in den vergangenen Jahren sank sie dann 2019 auf unter 60 Prozent.

Auch das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) hält den Anstieg des Schuldenstandes für unproblematisch Nach Berechnungen des Instituts, die dem Handelsblatt vorliegen, springt der Bruttoschuldenstand 2020 sogar nur auf 72 Prozent und sinkt im kommenden Jahr wegen des starken BIP-Anstiegs schon wieder auf 70 Prozent ab. Die Berechnungen sind Teil der IfW-Konjunkturprognose, die am Donnerstag vorgestellt wird.

Ob und wie das Konjunkturprogramm die öffentlichen Haushalte belastet, hängt zentral von seiner Wirkung ab. „Sollte es die wirtschaftliche Aktivität deutlich stimulieren, ist mit erheblichen Selbstfinanzierungseffekten zu rechnen“, schreibt das IfW in seiner Analyse.

Bundestag muss Ausnahme genehmigen

Unter Berücksichtigung und Verrechnung der bereits vor dem Konjunkturpaket beschlossenen Maßnahmen beläuft sich das Volumen der akuten Krisenbekämpfungsmittel auf insgesamt über 130 Milliarden Euro, knapp vier Prozent des BIP, schreibt das IfW. Das Konjunkturpaket ist damit deutlich umfangreicher als die beiden Konjunkturpakete während der Finanzkrise, die ein Volumen von etwa 2,7 Prozent aufwiesen.

Da das Defizit in diesem Jahr höher liegt, als es die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse vorsieht, muss der Bundestag eine Ausnahme genehmigen. Damit verbunden ist die Pflicht, einen Tilgungsplan vorzulegen. Die Schulden sollen ab 2023 innerhalb von 20 Jahren wieder abgebaut werden.

Wie schnell der Haushalt wieder in normalen Fahrwasser sein wird, hängt auch davon ab, wie lange die Sozialkassen in den roten Zahlen sind. Aufgrund der leicht steigenden Arbeitslosigkeit, vor allem aber wegen der hohen Nachfrage nach Kurzarbeit brauchen die Sozialkassen allein in diesem Jahr fast 15 Milliarden Euro an Extra-Steuergeldern aus dem Bundeshaushalt.

So werden die Sozialkassen laut IfW dieses Jahr ein Minus von gut 43 Milliarden Euro verbuchen. Im nächsten Jahr wird die Lage zwar etwas besser sein, unter dem Strich steht aber auch dann noch ein gewaltiges Defizit: Das IfW rechnet auch für 2021 mit einem Minus von gut 28 Milliarden Euro.

Mehr: CDU-Generalsekretär Ziemiak will Schulden aus der Coronakrise bis 2030 wieder abbauen.