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Schlafen auf dem Klimakiller

Das Projekt trägt einen vielversprechenden Namen: „Dream Production“. Traumhaft soll sein, was an diesem Freitag im Chemiepark Dormagen nordwestlich von Köln eingeweiht wird. Es ist eine Produktionsanlage, die den Klimakiller Nummer eins als Rohstoff nutzt. Kohlendioxid wird hier in Kunststoff-Schäume eingebaut, die an Hersteller von Matratzen geliefert werden. Schlafen auf dem Klimakiller.

Erfunden hat dieses Verfahren der Chemiekonzern Covestro. Die Tochtergesellschaft der Bayer AG hat es nach mehreren Jahren Forschung mit finanzieller Unterstützung des Bundes zur Marktreife gebracht. -Chef Patrick Thomas drückt am Freitag den Knopf zum Start der weltweit ersten Anlage zur kommerziellen Nutzung von Kohlendioxid für Kunststoffe.

Die Grundidee ist einfach und bestechend: Bislang werden Kunststoffe fast vollständig aus Erdöl hergestellt. Im klimaschädlichen CO2 ist der gleiche Kohlenstoff enthalten, den man für die Herstellung von Schäumen und anderen Werkstoffen braucht. Kohlendioxid ist nahezu unbegrenzt vorhanden und noch dazu praktisch gratis. Also eigentlich ein idealer Rohstoff für die Chemie.

In der Praxis stieß die Nutzung lange Zeit auf große Probleme. Das Kohlendioxid muss eingefangen werden, und seine Aufspaltung ist sehr aufwendig. Man braucht dafür einen wirksamen Katalysator und ein stabiles Verfahren. In einem gemeinsamen Projekt mit den CAT Catalytic Center in Aachen entwickelten die Wissenschaftler einen Katalysator, der das träge Kohlendioxid zum Reagieren bringt. „Wir haben das Verfahren mehrere Jahr intensiv getestet“, erläutert Christoph Gürtler, der das Projekt bei Covestro betreut. „Jetzt können wir durchstarten.“

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In der neuen Produktionsanlage des Konzerns wird Kohlendioxid für die Herstellung so genannter Polyole genutzt. Sie sind Bausteine für Kunststoffschäume, wie sie in Matratzen, Polstermöbeln und Autositzen verwendet werden. Bisher hat Covestro diese Polyole zu 100 Prozent aus Öl hergestellt. Künftig sollen zehn bis 20 Prozent aus dem Kohlendioxid kommen.

Covestro hat rund 15 Millionen Euro in die Anlagen investiert, rund 5000 Tonnen sollen in Dormagen pro Jahr hergestellt werden. Das benötigte Kohlendioxid kommt als Abfallprodukt aus einer benachbarten Anlage im Chemiepark, in der Ammoniak hergestellt wird.


„Bei der Matratzen ist noch lange nicht Schluss“

An derartigen Projekten zur Nutzung des klimaschädlichen Gases arbeiten viele Wissenschaftler weltweit. „Es geht um das industrielle Recycling eines Stoffes, der in Massen vorhanden ist“, sagt der Physiker Michael Carus, Gründer des Nova Instituts in Hürth.

Das Problem: In der Praxis muss sich dies auch mit Blick auf die Kosten lohnen. Bei einem extrem niedrigen Ölpreis sind solche neuen und zumeist teureren Verfahren schnell im Nachteil. Covestro verweist auf die Vorteile, da in der neuen Anlage per se weniger Öl verbraucht wird. Eine nachhaltigere Produktionsweise werde auch von Kunden eingefordert, heißt es bei dem Unternehmen.

Der Chemiekonzern wird aber für die „Dream Production“ nicht nur gefeiert. Die Organisation „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ hat Umweltexperten zusammentrommelt, die gegen das Projekt wettern: Sie halten es für Augenwischerei, weil kein ökologischer Fortschritt erzielt werde. Ihr Argument: CO2 sei nur mit sehr hohem Energieaufwand zu aktivieren – unter dem Strich wird also im Vergleich zu ölbasierten Produktion keine Verbesserung erzielt.

-Manager Gürtler weist diese Vorwürfe als „nicht zu Ende gedacht“ zurück. Die zur Aktivierung des CO2 notwendige Energie wird bei unserem System von einem Reaktionspartner, einem Epoxid „mitgebracht“ und der richtige Katalysator sorgt für eine effiziente Reaktion – es werde also kein zusätzlicher Aufwand etwa in Form von Hitze von außen benötigt. Dies ist durch eine Studie der RWTH gezeigt worden.

Eine Untersuchung der RWTH Aachen unterstreicht den Nutzen von CO2 als Rohstoff. Natürlich sei es für den Klimaschutz am besten, wenn gar kein Polyole produziert würden, heißt es darin. Doch das sei unrealistisch. Die Substitution von Öl durch Kohlendioxid biete Vorteile bei Emissionen und Rohstoff-Einsatz. Als Weltretter sieht sich Covestro nicht: Man könne ja nicht die ganze Welt einschäumen, um auf diese Weise riesige Mengen Kohlendioxid zu recyceln, sagt Gürtler. „Wir können aber mit solchen Verfahren den Verbrauch von Öl senken.“

Nach dem Serienstart der Produktion in Dormagen will Covestro bald weitere Projekte vorstellen, bei denen ein etablierter Kunststoff mit weniger Ölverbrauch hergestellt werde könnte, etwa bei Dichtungen. „Bei den Matratzen ist noch lange nicht Schluss“, sagt Gürtler. Qualitativ hätten die mit CO2 gefertigten Matratzen-Schäume keinen Nachteil gegenüber den herkömmlichen. Auf den Schlaf solle das neue Verfahren ohnehin keine Auswirkungen haben.

KONTEXT

Die größten Chemiekonzerne der Welt

Platz 10

PPG Industries (USA)15,36 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz

Quelle: Firmenangaben, Thomson Reuters via statista.de / Stand Oktober 2015, jeweils letzte verfügbare Angaben

Platz 9

Air Liquide (Frankreich)18,57 Milliarden US-Dollar

Platz 8

Henkel (Deutschland)19,86 Milliarden US-Dollar

Platz 7

Linde (Deutschland)20,61 Milliarden US-Dollar

Platz 6

DuPont (USA)34,91 Milliarden US-Dollar

Platz 5

Lyondell Basell (USA)41,77 Milliarden US-Dollar

Platz 4

Saudi Basic Industries (Saudi-Arabien)50,14 Milliarden US-Dollar

Platz 3

Bayer (Deutschland)51,08 Milliarden US-Dollar

Platz 2

Dow Chemical (USA)58,17 Milliarden US-Dollar

Platz 1

BASF (Deutschland)89,87 Milliarden US-Dollar