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Schafft die Girls-Ecken ab!

Das Argument war so sonderbar wie abenteuerlich. Das US-Arbeitsministerium will „zwingende Beweise“ für eine „extreme“ Diskriminierung von Frauen bei Google gefunden haben und verklagt den Konzern. Demnach soll der Suchmaschinenanbieter weiblichen Mitarbeitern zumindest im Jahr 2015 im Durchschnitt weniger gezahlt haben als Männern. Die Behörde will die Angelegenheit genauer untersuchen, Googles Angestellte befragen und Gehaltsunterlagen einsehen.

Google weist den Vorwurf einer Gehaltsdiskriminierung zurück, will die relevanten Informationen aber nicht herausgeben. Laut „Guardian“ bezeichnete der Suchmaschinenanbieter die Anfrage des Ministeriums als zu aufwendig. Sie nehme 500 Arbeitsstunden und Kosten in Höhe von 100.000 Dollar in Anspruch und widerspreche zudem der Verfassung. Man habe bereits eine halbe Million Dollar in entsprechende Anfragen der Behörde investiert. Der angemahnte Gehaltsunterschied bestehe zudem überhaupt nicht, argumentiert das Unternehmen.

Das wirft die Frage auf, warum Google dann nicht einfach den Beweis dafür antritt. An finanziellen Ressourcen dürfte es dem Unternehmen nicht mangeln. Die Konzernmutter Alphabet verfügt über eine Marktkapitalisierung von 650 Milliarden Dollar und fuhr im abgelaufenen Quartal einen Gewinn in Höhe von 5,43 Milliarden Dollar ein. Zumal Frauen bei Google krass unterrepräsentiert sind, besonders bei den Programmierjobs. Ähnlich sieht es bei Facebook oder Apple aus. Von Uber ganz zu schweigen, das gerade die eigene frauenfeindliche Atmosphäre untersucht. Silicon Valley hat ein Frauenproblem, ganz klar.

Doch immerhin führen Debatten über Diskriminierung im Valley dazu, dass etwas passiert. Google, Facebook und Apple bemühen sich um eine vielfältigere Belegschaft, auch wenn interne Diversity-Programme nur langsam Fortschritte zeigen. Bei den großen Konferenzen treten fachlich starke Frauen auf, wie Regina Dugan, Chefin von Facebooks neuer Hardware-Einheit „Building 8“, Youtube-Chefin Susan Wojcicki oder Android-Managerin Stephanie Saad Cuthbertson.

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Und Deutschland, das so gern auf das sexistische Valley schimpft? Das hinkt hinterher. Unternehmen und Politik sollten erstmal bei sich selbst aufräumen. Bei aller berechtigten Kritik an Sexismus an der Westküste legen Studien schließlich nahe, dass es in Sachen Gleichberechtigung in der deutschen Digitalszene noch düsterer für Frauen aussieht.


In der Start-up-Welt herrscht Macho-Denken

Laut einer aktuellen Erhebung der Universität Bamberg in Zusammenarbeit mit der Stellenbörse Monster stammen nur 17,4 Prozent aller Bewerbungen für IT- Positionen von weiblichen Job-Aspiranten. Quer durch die Technologiebranche sind laut Branchenverband Bitkom nur 15 Prozent der Mitarbeiter weiblich – das ist die Hälfte des Werts, den Google erreicht (31 Prozent).

Laut des Mannheimer Zentrums für europäische Wirtschaftsforschung gehört nur bei 13 Prozent aller deutschen Start-ups eine Frau zum Gründungsteam, im Silicon Valley sind es immerhin 17 Prozent. Die wenigen Frauen, die in den jungen deutschen Hightech-Firmen arbeiten, verdienen offenbar auch noch deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Laut einer Umfrage von Branchendienst Berlin Startup Jobs und der Hochschule Aalen beträgt der Gehaltsunterschied 25 Prozent.

Für die blamable Situation in Deutschland gibt es viele Ursachen. Zu den offensichtlichen gehört, dass in der Macho-Start-up-Welt Gründer meist anders im Kopf haben, als sich über Vielfalt Gedanken zu machen. Umso wichtiger, dass Frauen selbst Firmen gründen, eine andere Start-up-Kultur kreieren und zu Vorbildern werden. Dafür gibt es mit Start-ups wie Clue der Berliner Gründerin Ida Tin bereits Beispiele, die inzwischen auch an der Westküste wahrgenommen werden. Männer fördern Männer, Frauen Frauen, das haben viele Studien gezeigt.

Mindestens ebenso wichtig ist aber, wie die deutsche Tech-Szene ihre Frauen inszeniert. Zum Beispiel auf Konferenzen. Folgenden Satz sollten Veranstalter aus dem Repertoire streichen: „Wir brauchen noch eine Frau auf dem Panel, sondern werden wir zu männerlastig.“ Frauen sollten eingeladen werden, weil sie fachlich etwas beizutragen haben.

Das gleiche gilt für die Auswahl der öffentlich zu besprechenden Themen. Keine Frau aus der Technologiebranche will vor allem oder gar ausschließlich Fragen über Diskriminierung, Sexismus oder die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beantworten, selbst wenn das wichtige Themen sind. Es sei denn, der männliche Dax-Vorstand erzählt dann auch, wie er abends die Kinder ins Bett bringt. Frauen aus der Technologiebranche wollen vor allem über Technologie reden. Abgeschafft gehören zudem sämtliche „Girls“-Ecken, „Girls-Lounges“ sowie auch alle anderen Formen der öffentlichen Verniedlichung. Frauen sind Frauen, keine Girls, Mädchen oder Mädels.

Immer dienstags schreiben Britta Weddeling und Axel Postinett, Korrespondenten des Handelsblatts im Silicon Valley, im Wechsel über neue Trends und den digitalen Zeitgeist im Tal der Nerds.