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Das schärfste Schwert wird nicht gezückt

Die Ablehnung des NPD-Verbots ist kein Verlust für die Demokratie. Der Staat muss nach anderen Lösungen im Kampf gegen radikale Kräfte suchen – wie zum Beispiel mit Mitteln des „präventiven Polizeirechts“. Ein Kommentar.

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Es ist ein herber Schlag für die Bundesländer. Gut vier Jahre ist es nun her, dass die 16 Innenminister ein neues Verfahren zum Verbot der rechtsextremen NPD beschlossen haben. Vor gut drei Jahren reichten sie beim den Verbotsantrag ein, inklusive zahlreicher Belege für völkische und rassistische Umtriebe. Nun steht das einstimmige Urteil der Karlsruher Richter fest: Nein, es reicht nicht. .

Zwar steht nach Einschätzung des Bundesverfassungsgerichts außer Zweifel, dass die NPD die Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung anstrebt – gemessen an ihren Zielen und dem Verhalten ihrer Anhänger. Die Partei wolle die bestehende Verfassungsordnung durch einen an einer ethnisch definierten „Volksgemeinschaft“ ausgerichteten autoritären Nationalstaat ersetzen. Ihr politisches Konzept missachte die Menschenwürde aller, die dieser ethnischen Volksgemeinschaft nicht angehören und ist mit dem Demokratieprinzip unvereinbar. Die NPD arbeite zudem planvoll auf die Erreichung ihrer Ziele hin.

Dann folgte das große „Aber“ der Richter: Wenn das Handeln einer Partei nicht darauf schließen lässt, die verfassungsfeindlichen Ziele erreichen zu wollen, bedarf es ein Parteiverbot nicht. Dies wäre schließlich die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaat gegen seine organisierten Feinde

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Tatsächlich war die NPD zuletzt zu einem politischen Zwerg geschrumpft. Im vergangenen September flog die Partei aus dem letzten Landtag, in dem sie noch saß. Auf kommunaler Ebene verfügen die Rechtsextremen derzeit bundesweit noch über etwa 360 Mandate. Bei der vergangenen Bundestagswahl bekam die Partei nur 1,3 Prozent der Stimmen. Auf überregionaler Ebene ist sie gegenwärtig lediglich mit einem Abgeordneten im Europäischen Parlament vertreten. Weniger als 6.000 Mitglieder stehen hinter der „Überfremdungsideologie“. Nach einer Millionenstrafe für Fehler im Rechenschaftsbericht steckt die NPD zudem in finanziellen Nöten.

Wenig Einfluss also und chaotische Zustände. Die NPD mag nationalistische Parolen verbreiten. Schlagkräftig genug, um eine echte Gefahr darzustellen, ist sie nicht. Sie ist praktisch bedeutungslos. Den Ausgang des Verfahrens mag die NPD als Sieg verkaufen. Das ändert nichts daran, dass sie im Niedergang scheint.

Das gescheiterte Parteiverbotsverfahren macht allerdings einmal mehr auf den Umstand aufmerksam, dass radikale Kräfte hierzulande zwar existieren, sich aber nicht zwingend bei einer Partei sammeln müssen. Das Verbot einzelner Parteien im Kampf gegen Extremismus ist nicht zuletzt deswegen umstritten. So hat die erstarkende AfD die NPD zweifellos marginalisiert, weil sich nun hier Protestwähler und Kritiker der Flüchtlingspolitik zusammenfinden. Und die AfD gab es noch gar nicht, als der NPD-Verbotsantrag beschlossen wurde.

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts muss Demokraten also nicht beunruhigen. Die NPD wird ihr Parteienprivileg behalten, ebenso wie ihr Parteivermögen und die bestehenden Mandate. Aber die Karlsruher Richter gaben in ihrer Urteilsbegründung zwei wichtige Hinweise: Auf Einschüchterung, Bedrohung und den Aufbau von Gewaltpotentialen muss mit den Mitteln des „präventiven Polizeirechts“ und des „repressiven Strafrechts“ rechtzeitig und umfassend reagiert werden, um die Freiheit des politischen Prozesses ebenso wie einzelne Betroffene wirkungsvoll zu schützen.

Das bedeutet, Polizei und Justiz müssen dringend gestärkt werden. Auch ein weiterer Aufruf erging an die Politik: Es sei am Gesetzgeber, zu entscheiden, ob in der aktuellen Situation auch andere Reaktionsmöglichkeiten sinnvoll seien, wie zum Beispiel der Entzug der staatlichen Finanzierung. Darüber müssen die demokratischen Parteien nun dringend nachdenken.

Für ein Verbot hatten die Länder letztlich also doch nicht genug in der Hand. Das ist ein Desaster, auch weil schon das erste Verbotsverfahren 2003 vom gekippt wurde. Damals waren V-Leute des Verfassungsschutzes bis in die NPD-Spitze eingeschleust worden, was eine korrekte Beweisführung unmöglich machte. Es dürfte nun auf lange Zeit der letzte Versuch von Bundesrat, Bundestag oder Bundesregierung gewesen sein, die NPD zu verbieten. Das gibt Raum, nach anderen Lösungen im Kampf gegen radikale Kräfte zu suchen.

KONTEXT

Wo die NPD stark ist

Starke Verwurzelung in Sachsen

Die Hochburgen der NPD liegen in Ostdeutschland und dort insbesondere in Sachsen. Nirgendwo ist die rechtsextreme Partei stärker verankert. Nach Angaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz verfügt die NPD in Sachsen über 80 Mandate in Gemeinderäten, Stadträten, Kreistagen und anderen kommunalen Vertretungen. Das ist knapp ein Viertel aller kommunalen NPD-Mandate in der Bundesrepublik.

Die meisten "West-Mandate" in Hessen

In ganz Deutschland zählte das Bundesamt zuletzt 338 kommunale NPD-Mandate (Stand November 2016) - fast vier Fünftel davon in Ostdeutschland (264). Die Zahlen ändern sich allerdings immer wieder leicht. In Westdeutschland liegt Hessen mit 23 vorn. In Thüringen waren es zuletzt 58 Mandate, in Mecklenburg-Vorpommern 49, in Brandenburg 47 und in Sachsen-Anhalt 30. In Landtagen ist die NPD nicht mehr vertreten, seitdem sie im September bei der Wahl in Mecklenburg-Vorpommern scheiterte.

Abwärtstrend bei den Mitgliedern

Die Verankerung der NPD in Ostdeutschland spiegelt sich auch in den Mitgliederzahlen wider. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes hatte die NPD 2015 bundesweit noch etwa 5200 Mitglieder. Und auch hier lag Sachsen mit rund 600 Mitgliedern vorn. Im Laufe des Jahres 2016 habe es aber bundesweit einen Abwärtstrend gegeben, heißt es.

Quelle: dpa