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Südchinesisches Meer, Indien, Hongkong: China und die Welt sind auf Kollisionskurs

Chinas Regierung verhält sich international zunehmend aggressiv. Die Wirtschaft gerät dabei zwischen die Fronten – nicht nur im Handelskrieg.

Deng Xiaoping gilt vielen als Gegenpol zu Chinas aktuellem Staats- und Parteichef Xi Jinping. Deng öffnete Chinas Märkte, seine Außenpolitik war pragmatisch: „Das Licht verstecken, im Dunkeln wachsen“, so lautete sein Motto. Doch seitdem Xi Jinping die Macht übernommen hat, kann von Zurückhaltung keine Rede mehr sein. Die Volksrepublik steht dem Rest der Welt derzeit in so vielen Konflikten gegenüber wie noch nie in ihrer jüngeren Geschichte.

Die jüngste Eskalation erfolgte, als in China alle schliefen: Im Streit um die Autonomie Hongkongs hat US-Präsident Donald Trump ein Sanktionsgesetz gegen China unterzeichnet.

Damit solle China für „repressive Aktionen“ gegen die Menschen in Hongkong zur Rechenschaft gezogen werden, sagte Trump am Dienstagabend (Ortszeit) bei einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. Das Gesetz gebe der Regierung wirksame neue Werkzeuge, um gegen Personen und Institutionen vorzugehen, „die Hongkongs Freiheit auslöschen“.

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Erst tags zuvor hatte zudem US-Außenminister Mike Pompeo Öl in das Feuer der diplomatischen Spannungen gegossen, als er Chinas Ansprüche auf Ressourcen im Südchinesischen Meer „völlig gesetzeswidrig“ nannte. Das gelte auch für Pekings Einschüchterung anderer asiatischer Anrainerstaaten in dem Gebiet.

Die USA und andere Staaten widersprechen seit Langem Chinas ausgedehnten Ansprüchen in der Region. Die Volksrepublik beansprucht 90 Prozent des Gebiets, auf das jedoch auch andere Staaten wie Vietnam, Taiwan und die Philippinen zum Teil Anspruch erheben.

Dass Washington Peking formell in die Schranken weist, ist eine neue Eskalationsstufe in dem Konflikt. Der Vorgang trägt dazu bei, die ohnehin angespannte Stimmung zwischen den beiden Ländern weiter anzuheizen. Das Verhältnis zwischen den USA und China stehe vor der schwersten Herausforderung seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen, sagte Chinas Außenminister Wang Yi erst vergangene Woche in Peking.

Zahlreiche Konflikte

Doch nicht nur mit den USA steht Peking im Konflikt. In den vergangenen Monaten sind immer mehr Krisenherde dazugekommen. China tritt zunehmend aggressiv auf. Hanns Günther Hilpert, Leiter der Forschungsgruppe Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin, sieht den wichtigsten Grund für die geänderte Strategie Pekings darin, dass sich die Einschätzungen und Bewertungen der eigenen strategischen Lage und Chancen in China grundlegend geändert haben.

„Dieser Prozess begann nach der globalen Finanzkrise 2009 und hat jetzt an Fahrt aufgenommen“, so Hilpert. Hinzu komme, dass im gegenwärtigen Covid-19-Umfeld Gelegenheiten gesehen werden, die eigenen Positionen zu verbessern sowie international eine selbstbewusstere, robustere Haltung einzunehmen und zu vollziehen.

Unternehmen geraten dabei immer mehr zwischen die Fronten, nicht nur, wenn die USA und Peking sich mit Strafzöllen überziehen oder die Verwendung von bestimmten Technologien aus den jeweiligen Ländern verbieten.

So eskalierte jüngst ein seit Jahrzehnten schwelender Streit zwischen China und Indien im indischen Grenzgebiet. Mehrere Soldaten starben. Seitdem versucht sich Indiens Regierung zunehmend von China zu distanzieren. Der Streit hatte bereits handfeste wirtschaftliche Konsequenzen. Indische Behörden verboten Dutzende Smartphone-Apps aus China – darunter die Video-App Tiktok. Medienberichten zufolge plant der indische Premierminister Narendra Modi neue Zölle für Produkte made in China.

Im Verhältnis mit Australien haben sich politische Differenzen bereits zu einem Handelskonflikt ausgeweitet. In diesem Fall ist es China, das seine Macht als Käufer nutzt: Nachdem Australien die Regierung in Peking mit der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung des Coronavirus-Ausbruchs verärgert hatte, stoppte China im Mai einen großen Teil der Rindfleischimporte aus Australien und brachte Strafzölle für australische Gerste auf den Weg.

Beobachter sahen darin eine unmittelbare Reaktion auf die politischen Auseinandersetzungen. Das Klima hat sich seither kaum verbessert. Für neuen Konfliktstoff sorgte das „Sicherheitsgesetz“ in Hongkong, das Australien scharf kritisiert.

Prompte Reaktion aus Peking

Auf die Äußerungen von US-Außenminister Pompeo zum Vorgehen Chinas im Südchinesischen Meer reagierte Peking prompt. Ein Sprecher des Außenministeriums warf den USA am Dienstag vor, die Region zu destabilisieren. Die USA hätten wiederholt hochentwickelte Militärflugzeuge und -schiffe in das Südchinesische Meer geschickt, so der Sprecher.

Das Verhältnis zwischen den USA und China hat sich nach kurzer Atempause, als der sogenannte Phase-1-Deal erzielt wurde, weiter verschlechtert – auch wegen der Ausbreitung des Coronavirus. US-Präsident Donald Trump wirft Peking vor, die Welt über den Ursprung des Virus getäuscht zu haben.

So aggressiv wie keiner seiner Vorgänger hat sich Trump dem Ziel verschrieben, Chinas Expansion zurückzudrängen und die beiden größten Volkswirtschaften der Welt zu entkoppeln. Die Strafzölle haben den Handel auf beiden Seiten drastisch reduziert und der US-Notenbank zufolge den Marktwert amerikanischer Firmen um 1,7 Billionen US-Dollar gesenkt.

Er glaube aktuell nicht an einige Einigung, sagte der US-Präsident am Dienstag dem Sender CBS News, und sehe derzeit keine Wiederaufnahme der Gespräche: „Ich habe im Moment kein Interesse daran, mit China zu reden.“

Die Spannungen werden von dem Vorgehen Pekings in Hongkong angeheizt. Am Dienstagabend hat Trump vom US-Senat beschlossene Sanktionen gegen chinesische Beamte und Unternehmen unterzeichnet. Vor dem Hintergrund des chinesischen Sicherheitsgesetzes für Hongkong erklärte der US-Präsident zudem die Vorzugsbehandlung der Sonderverwaltungszone für beendet.

„Keine besonderen Privilegien, keine besondere wirtschaftliche Behandlung und kein Export sensibler Technologien“, sagte Trump auf einer Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses. Hongkong werde jetzt genauso behandelt wie das chinesische Festland, fügte er hinzu. Er habe ein Gesetz und eine Exekutivverordnung unterzeichnet, um China für das neue Sicherheitsgesetz „zur Rechenschaft zu ziehen“.

Die Regierung in Peking kündigte nur kurze Zeit später Vergeltungsmaßnahmen an. China werde Sanktionen gegen amerikanische Einzelpersonen und Unternehmen verhängen, erklärte das chinesische Außenministerium am Mittwoch. Die Volksrepublik lehne die jüngste Aktion des US-Präsidenten Donald Trump entschieden ab und fordere die Regierung in Washington auf, sich nicht mehr in Chinas innere Angelegenheiten einzumischen, berichtete das staatliche Fernsehen.

Verbündete: USA und Japan

All das trägt nach Ansicht von Experten dazu bei, dass selbst ein militärischer Konflikt nicht mehr als ausgeschlossen gilt. Für weitere Verstimmungen sorgt auch das Gerangel um Taiwan, das die Regierung Chinas als abtrünnige Provinz betrachtet. Taipeh und Washington hatten sich in letzter Zeit angenähert, was Peking missfällt.

Einen Verbündeten in der asiatischen Region haben die USA mit Japan. Das Land stellt sich bereitwillig den USA als eine der wichtigsten globalen Militärbasen zur Verfügung. Denn die Regierung um Shinzo Abe wird zunehmend nervös mit Blick auf Chinas Bestrebungen in der Region.

Das am Dienstag veröffentlichte Verteidigungsweißbuch von Japans Regierung sieht mit einer Silhouette des Nationalbergs Fuji und Kirschblüten auf seinem rosafarbenen Cover zwar freundlich aus. Innen kommen die Militärstrategen allerdings rasch unverblümt auf die wichtigsten Konflikte mit der Volksrepublik zu sprechen.

Der erste dreht sich um ein paar unbewohnte Felsinseln im Ostchinesischen Meer, die auf Japanisch Senkaku- und auf Chinesisch Diaoyu-Inseln heißen. Sie werden von Japan kontrolliert, aber auch von China und Taiwan beansprucht. China schickt seit Jahren Schiffe und Flugzeuge in das Seegebiet, um seinen Anspruch zu unterstreichen, sehr zum Ärger Japans.

„China hat unerbittlich die einseitigen Versuche fortgesetzt, den Status quo durch Zwang im Seegebiet um die Senkaku-Inseln zu ändern“, urteilt das Verteidigungsweißbuch. Dies habe zu „einer ernsten Besorgnis geführt“.

Darüber hinaus kritisiert das Land auch die „Militarisierung“ des Südchinesischen Meers durch China scharf als den einseitigen Versuch, „den Status quo durch Nötigung zu ändern, um vollendete Tatsachen zu schaffen“.

Verspieltes Vertrauen

Japan setzt im Verhältnis zu China seit Jahren auf eine Doppelstrategie aus Gegenmacht und Zusammenarbeit, besonders auf wirtschaftlichem Gebiet. Selbst als die westliche Welt sich auf China wegen der Coronavirus-Pandemie einzuschießen begann, blieb Japan lange auffallend still.

Doch seit den Hongkonger Sicherheitsgesetzen verschärft sich der Ton der Regierung. Abe selbst winkt Unternehmen in seinem Corona-Hilfspaket mit Subventionen, wenn sie Fabriken aus China zurück nach Japan oder in andere Länder verlagern wollen.

Mit der Implementierung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong hat Peking viel Kritik auf sich gezogen. Neben den USA gehören Australien, Kanada und Großbritannien zu den schärfsten Kritikern des Gesetzes.

Der Konflikt trübt das Verhältnis mit Großbritannien erheblich ein. Vor fünf Jahren noch hatte man in London Präsident Xi Jinping den roten Teppich ausgerollt und zu einem Empfang mit Königin Elisabeth II. eingeladen. Aber die „goldene Ära“ in den Beziehungen der beiden Länder, die der frühere Premierminister David Cameron ausgerufen hatte, ist längst vorbei. London verurteilte das Vorgehen Pekings in Hongkong nicht nur scharf.

Nach der Einführung des Sicherheitsgesetzes bot Premierminister Boris Johnson darüber hinaus einem Teil der Bevölkerung der ehemaligen Kronkolonie auch einen britischen Pass an. Offen warnen chinesische Diplomaten inzwischen, dass das Vorgehen von Premier Johnson „Konsequenzen“ haben werde. Für weitere Spannungen dürfte die Entscheidung der britischen Regierung sorgen, den chinesischen Technologiekonzern Huawei nicht am Ausbau des 5G-Netzes zu beteiligen.

Entwarnung für die Zukunft gibt es derzeit nicht. „China wird weiterhin versuchen, die eigene Position schrittweise zu verbessern“, sagte SWP-Experte Hilpert, die Widerstände in der Nachbarschaft und weltweit nehmen aber zu.

Mehr: Die Regierungen in Peking und Washington gehen im Streit miteinander zunehmend rücksichtloser vor. Europa gerät immer mehr zwischen die Fronten.