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Rückruf mit Risiko für den Dieselkunden

VW-Abgasskandal - Rückruf mit Risiko für den Dieselkunden

Die Zahl der VW-Diesel-Besitzer, die ihr Auto wegen des Abgasskandals zurückgeben wollen, geht mittlerweile in die Tausende. Ein neues Schlaglicht auf die Klagewelle wirft nun ein Fall in Aachen: Der Käufer eines -Tiguan verklagt seinen Autohändler vor dem Landgericht.

Dem Gericht zufolge kommt es bei der Frage, ob der Kläger sein Fahrzeug zurückgeben kann, womöglich auch darauf an, ob er an der Rückrufaktion teilnimmt oder nicht. Es sei grundsätzlich problematisch, wenn ein Käufer nach einer Rücktrittserklärung sein Auto in die Werkstatt bringt, um sich die neue Software aufspielen zu lassen. In diesem Fall könnte der Käufer laut Gericht seine Rechte im Hinblick auf das Rücktrittsrecht verlieren.

Über die konkrete Klage hat das Gericht noch nicht entschieden. Im Kern geht es den Klägern in Deutschland aber darum, ein aus ihrer Sicht mangelhaftes Auto zurückzugeben. Die beklagten VW-Händler und auch der Konzern selber wehren sich mit dem Argument, dass die Autos ohne Probleme und mit einem nur geringen Aufwand nachgerüstet werden können. Negative Auswirkungen auf den Verbrauch oder die Leistung soll es nicht geben. Für manche Modelle laufen jetzt die Rückrufaktionen.

In den Vereinigten Staaten und Kanada hat sich der VW-Konzern mit den Zivilklägern auf einen Vergleich geeinigt. Allein in den zahlt Volkswagen bis zu 15 Milliarden Dollar, um das Problem aus der Welt zu schaffen. Jeder einzelne Autobesitzer erhält einige tausend Dollar Entschädigung und kann sein Auto zudem zurückgeben oder reparieren lassen.

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In Deutschland und Europa ist das Rechtssystem anders – es gibt keine Massenklagen wie in den USA. Daher bleibt Autobesitzern in der Regel nur der Weg der individuellen Klage. Innerhalb der Gewährleistungsfrist müssen Kläger gegen den Händler vorgehen, ansonsten gegen den Hersteller selbst.

In den bisherigen Prozessen kamen die Gericht zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen: Das Landgericht Bochum etwa schmetterte eine Klage ab. Zuletzt hatte das Landgericht Krefeld zwei Klagen stattgegeben. Das Landgericht Passau und das Landgericht Essen haben darüber hinaus entschieden, dass geschädigte Käufer auch einen Deckungsanspruch gegen ihre Rechtsschutzversicherung haben.

Der Aachener Fall ist deswegen interessant, weil das Gericht explizit auf die Erfolgschancen Bezug nimmt, wenn der Kunde auf das Rückrufangebot eingeht.

„Alle Käufer, die bereits den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt haben oder Gewährleistungsansprüche geltend machen, sollten sich genau überlegen, ob und mit welchen Vorbehalten sie an der Rückrufaktion teilnehmen. Anderenfalls laufen sie Gefahr, ihre Ansprüche zu verlieren“, sagt Rechtsanwalt Dirk Sinnig, der den Kläger in Aachen vertritt.

KONTEXT

Dieselgate wird für VW immer teurer

Teure Folgen

Für Volkswagen sind die finanziellen Risiken durch die Abgasaffäre immer noch schwer zu kalkulieren. Zwar hat der Konzern nach dem 15-Milliarden-Dollar-Vergleich in den USA mehr Klarheit darüber, was ihn der Skandal um manipulierte Dieselautos dort kosten wird. Zugleich nimmt der Druck auf die Wolfsburger in Europa zu, die Kunden auch hier zu entschädigen. Europas größtem Autokonzern drohen weitere Kosten für Rückrufe, Aktionärsklagen und Strafen, die sich auf weit mehr als zehn Milliarden Euro auftürmen könnten. Analysten schätzen, dass die Aufarbeitung des Skandals den Konzern am Ende insgesamt zwischen 20 und 35 Milliarden Euro kosten wird, sogar von bis zu 50 Milliarden ist vereinzelt die Rede. Es folgt eine Übersicht der absehbaren Kosten.

Der US-Vergleich

Die Einigung mit Hunderten Sammelklägern, Behörden und US-Bundesstaaten kostet Volkswagen bis zu 15,3 Milliarden Dollar (umgerechnet rund 13,6 Milliarden Euro). Der größte Teil entfällt auf den Rückkauf von 475.000 manipulierten Dieselwagen mit 2,0-Liter-Motoren, für den gut zehn Milliarden Dollar reserviert sind. Die tatsächlichen Kosten hängen davon ab, wie viele Dieselbesitzer ihre Wagen zurückgeben und ob die US-Behörden eine Umrüstung genehmigen.

Entschädigung für US-Händler

Seinen rund 650 US-Händlern will VW Insidern zufolge mindestens 1,2 Milliarden Dollar Entschädigung zahlen, weil sie seit fast einem Jahr keine Dieselautos mehr verkaufen durften. Eine Grundsatzvereinbarung ist getroffen, für eine endgültige Einigung gab ein Gericht den Parteien bis Ende September Zeit.

Weitere Strafen und Klagen in den USA

Mit dem US-Justizministerium laufen derzeit Verhandlungen über eine Strafzahlung wegen der Abgasmanipulation. Das "Wall Street Journal" berichtete unlängst, dem deutschen Autobauer könne eine Strafe von mehr als 1,2 Milliarden Dollar aufgebrummt werden. Analysten rechnen mit einer Summe zwischen einer und drei Milliarden Euro. Einige US-Bundesstaaten wollen zudem zivilrechtlich versuchen, einen höheren Schadensersatz durchzusetzen, weil sie mit dem Vergleich nicht zufrieden sind. Dabei geht es um Hunderte Millionen Dollar.

Lösung für Drei-Liter-Autos lässt auf sich warten

Keine Einigung gibt es weiterhin für die rund 85.000 größeren Fahrzeuge mit Drei-Liter-Dieselmotor. VW zeigt sich zuversichtlich, dass eine Reparatur gelingen kann. Bis Ende Oktober hat das Gericht in San Francisco Volkswagen Zeit gegeben, um Lösungsvorschläge einzureichen. Für den 3. November setzte Richter Charles Breyer eine weitere Anhörung an. Sollte Volkswagen gezwungen werden, auch diese teureren Wagen zurückzukaufen, würde das weitere Milliarden verschlingen. Analysten schätzten die Kosten auf bis zu 2,5 Milliarden Euro.

Rückrufe in Europa

Ein großer Brocken ist auch die Umrüstung der rund 8,5 Millionen Dieselautos in Europa. Schätzungen reichen von gut einer bis drei Milliarden Euro, die das kosten dürfte. Der Autoanalyst Arndt Ellinghorst von Evercore ISI rechnet zudem damit, dass sich schrumpfende Marktanteile von Volkswagen und geringere Preise im Ergebnis bemerkbar machen werden.

Entschädigung auch in Europa?

Bundesweit klagen Autobesitzer vor mehreren Gerichten wegen überhöhter Stickoxidwerte auf Rückabwicklung des Kaufs oder Schadensersatz. Allein vor dem Landgericht Braunschweig sind rund 70 solcher Klagen anhängig. Eine Entschädigung der Kunden in Europa lehnt VW nach wie vor ab, obwohl sich Forderungen nach einem ähnlichen Vergleich wie in den USA mehren. Sollten diese dennoch fällig werden, könnte das Volkswagen finanziell das Genick brechen, fürchten Experten. Der Autoanalyst Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler geht von einem Wertverlust in einer Größenordnung von 500 Euro je Fahrzeug aus. "Es ist schwierig zu sagen, ob VW am Ende doch einen symbolischen Betrag zahlen wird." Branchenexperte Ellinghorst hält es für wahrscheinlich, dass die Kunden in Europa kein Geld sehen werden.

Ärger rund um den Globus

Weltweit droht Volkswagen in mehreren Ländern Ungemach. "Wir haben die ganze Welt am Hals", sagte Konzernchef Matthias Müller unlängst. Südkorea, zweitgrößter Markt für Dieselfahrzeuge in Asien, zog die Zulassungen für VW- und Audi-Modelle zurück und verhängte eine Strafe von 14,3 Millionen Euro. In Australien fordern Besitzer von VW-Dieseln Entschädigung von umgerechnet 6700 Euro pro Fahrzeug, die Verbraucherschutzbehörde klagt ebenfalls gegen VW. In Italien brummte die Wettbewerbsbehörde VW eine Strafe von bis zu fünf Millionen Euro auf, in Großbritannien forderte der Umweltausschuss vom Parlament eine härtere Gangart gegen VW. Auch in Kanada ringt der Konzern noch um die Beilegung des Abgasskandals. Würde das US-Entschädigungsmodell auf den nördlichen Nachbarn übertragen, müsste der Konzern womöglich mit einer weiteren Belastung in Milliardenhöhe rechnen.

Aktionärsklagen

Weltweit sieht sich Volkswagen zudem mit milliardenschweren Schadensersatzklagen von Investoren und Kleinaktionären konfrontiert. Die Inhaber von Aktien und Anleihen werfen Volkswagen vor, zu spät über das Ausmaß des Abgasskandals informiert zu haben und wollen einen Ausgleich für Kursverluste durchsetzen. Zu den Klägern gehören große US-Pensionsfonds, der Norwegische Staatsfonds, aber auch der Versicherungskonzern Allianz und die Dekabank. Das Land Bayern hat ebenfalls angekündigt, wegen Kursverlusten seines Pensionsfonds für die Landesbeschäftigten vor Gericht zu ziehen. Hessen und Baden-Württemberg prüfen einen solchen Schritt. Beim Landgericht Braunschweig liegen 290 Schadensersatzklagen mit Forderungen von zusammen rund vier Milliarden Euro.

Die Krise als Einnahmequelle für Anwälte

Die Scharen an Anwälten, die Volkswagen weltweit wegen des Dieselskandals beschäftigt, verschlingen ebenfalls Geld. Der Autoexperte Pieper geht von bis zu einer Milliarde Euro aus, sein Kollege Ellinghorst schätzt die Anwaltskosten auf mehrere hundert Millionen.

Quelle: Reuters