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Russlands neuer Premier soll für Wirtschaftswachstum sorgen

Als Chef der Steuerbehörde hat Mischustin das Finanzamt digitalisiert. Nun soll er seine Kenntnisse bei der Modernisierung der russischen Wirtschaft einsetzen.

Wladimir Putin, (l) Präsident von Russland, spricht mit Michail Mischustin, vormals Leiter der russischen Steuerbehörde, im Kreml. Mischustin wird neuer Regierungschef Russlands. Foto: dpa
Wladimir Putin, (l) Präsident von Russland, spricht mit Michail Mischustin, vormals Leiter der russischen Steuerbehörde, im Kreml. Mischustin wird neuer Regierungschef Russlands. Foto: dpa

Nach dem überraschenden Rücktritt der russischen Regierung am Mittwoch hat das Unterhaus Michail Mischustin als neuen Ministerpräsidenten bestätigt. Die Duma-Abgeordneten stimmten wie erwartet am Donnerstag in Moskau mit überwältigender Mehrheit für den Wunschkandidaten von Kremlchef Wladimir Putin. Doch wer ist der Nachfolger des bisherigen Ministerpräsidenten Medwedew?

„Daten sind das Gold, Öl und Platin des 21. Jahrhunderts“, sagt Michail Mischustin. Wer heutzutage Informationen richtig sammeln und analysieren könne, schaffe einen Mehrwert. Die heute größten Konzerne der Welt seien alle in der Datenverarbeitung aktiv, begründete er seine Aussage.

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Der gebürtige Moskauer, Jahrgang 1966, kennt sich aus in der Welt der Daten und Zahlen: Seit zehn Jahren arbeitet der studierte Systemingenieur als Chef der russischen Steuerbehörde. In der Zeit hat er die veraltete und marode Verwaltung auf Vordermann gebracht. Mussten die Beamten früher Aktenberge wälzen, so ist der Papierkram inzwischen auf ein Minimum gesunken. Viele Russen geben ihre Steuererklärung inzwischen online ab.

Der russische Wirtschaftswissenschaftler Nikita Kritschewski nennt die Arbeit Mischustins „imponierend“. Bis auf die Kopeke (100 Kopeken entsprechen einem russischen Rubel) genau könne jeder Russe online seine Steuerschuld erfahren, ohne irgendwo hinlaufen oder Auskunft beantragen zu müssen. „So einen Service wie in der russischen Steuerbehörde gibt es nirgends auf der Welt. Und so eine Administrierung gibt es ebenfalls nirgendwo sonst“, fügte er hinzu. Die Kandidatur Mischustins sei „das Beste, was Putin vorschlagen konnte“, ist er überzeugt.

Seinen Hang zur Computertechnik entwickelte Mischustin bereits in den 90er Jahren, als er eine Zeitlang die NGO „Internationaler Computerclub“ leitete. Seit 1998 allerdings ist er überwiegend Beamter, diente sich unter dem damaligen Wirtschaftsminister und heutigen Sberbank-Chef German Gref zum stellvertretenden Wirtschaftsminister hoch.

Nach Grefs Rücktritt machte auch Mischustin einen kurzen Ausflug in die Privatwirtschaft und verdingte sich knapp zwei Jahre bei der damals zur Deutschen Bank gehörenden Investmentgesellschaft UFG Capital. Dann folgte die Rückkehr in den Staatsdienst als oberster Steuereintreiber.

Bessere Erfassung der Steuerschulden

Russlands Steuereinnahmen haben sich seither (in Rubel) fast vervierfacht, was zum großen Teil auf die bessere Erfassung der Steuerschulden zurückzuführen ist. Gleichzeitig ist die Anzahl der medienwirksamen Steuerrazzien – wie beispielsweise bei der Zerschlagung von Yukos 2003 in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen.

Sie ist kaum noch nötig, weil die Ämter digital fast alle Infos bekommen. Die Effizienz hat Mischustin den Finanzbeamten eingebläut. Bekannte bezeichnen ihn als arbeitsam und hart gegenüber sich und anderen. Nicht nur bei seinem Hobby, dem Eishockey, wo er in der von Wladimir Putin gegründeten Nachtliga spielt.

Er verfügt über ein enormes Zahlengedächtnis und liebt es, große Datenmengen zu analysieren. Das dürfte ihm auch auf seinem neuen Posten zugute kommen, den Mischustin dem Vernehmen nach schon längere Zeit anstrebte.

Allerdings hat diese Datenbesessenheit auch eine Schattenseite: 2019 hat das Finanzamt eine Cloud erschaffen, mit der sie alle Ausgaben und Einnahmen der Russen überprüfen will. Der Chef des Steuer- und Haushaltskomitees beim Business-Verband „Delowaja Rossija“, Kyrill Nikitin, meint: „Die Steuerbehörde weiß mehr über das Business und die Bürger, als wir uns vorstellen können.“

Einen Redakteur der „Financial Times“, der Mischustin im vergangenen Sommer interviewen wollte, verblüffte der Finanzamtschef, als er ihm innerhalb weniger Sekunden nachwies, wo und für wie viel der Journalist am Vorabend einen Kaffee getrunken hatte.

Kein Netzwerk in der großen Politik

Sein Wissen könnte Mischustin dabei helfen, eine effizientere Wirtschaftspolitik aufzubauen. Mischustin will für mehr Investitionen in Russland werben. „Es ist wichtig, dass sich das Geschäftsklima verbessert“, sagte er am Donnerstag im russischen Unterhaus im Parlament in Moskau. Menschen, die Geschäfte in Russland machten, sollten sich sicher fühlen. „Ihre Geschäfte sollen sich entwickeln können, neue Arbeitsplätze geschaffen und vor allem die Löhne angehoben werden“, sagte Mischustin in der Duma. Auch die deutsche Wirtschaft hatte immer wieder ein besseres Investitionsklima angemahnt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass gerade in erster Zeit eine Reihe russischer Geschäftsleute, aber auch hochgestellter kremlnaher Politiker die Flucht ins Ausland ergreifen. Denn bei Mischustin lagern alle Steuererklärungen. Und Wissen ist in Russland noch mehr Macht als anderswo.

Für die Macht von Putin bedeutet Mischustin allerdings vorerst keine Gefahr. Denn ein Netzwerk hat der Moskauer in der großen Politik nicht. Keiner der mächtigen Clans, die im Kreml um Einfluss ringen, steht ihm besonders nahe. Er ist weder mit dem Geheimdienst verbandelt, noch mit irgendwelchen Oligarchen. Mischustin ist ein Außenseiter.

Vor inzwischen 21 Jahren galt aber schon einmal ein Premierminister als Außenstehender, der die Gruppierungen im Kreml auf Distanz halten konnte: Wladimir Putin. Die Clans von damals hat er auch tatsächlich weitgehend zerschlagen. Nun sitzen seine Gefolgsleute an den Schalthebeln der Macht.