Werbung
Deutsche Märkte schließen in 5 Stunden 59 Minuten
  • DAX

    18.496,83
    +19,74 (+0,11%)
     
  • Euro Stoxx 50

    5.100,91
    +19,17 (+0,38%)
     
  • Dow Jones 30

    39.760,08
    +477,75 (+1,22%)
     
  • Gold

    2.220,30
    +7,60 (+0,34%)
     
  • EUR/USD

    1,0790
    -0,0040 (-0,37%)
     
  • Bitcoin EUR

    65.241,06
    +203,91 (+0,31%)
     
  • CMC Crypto 200

    885,54
    0,00 (0,00%)
     
  • Öl (Brent)

    81,93
    +0,58 (+0,71%)
     
  • MDAX

    27.082,71
    -9,24 (-0,03%)
     
  • TecDAX

    3.456,05
    -1,31 (-0,04%)
     
  • SDAX

    14.306,55
    -103,58 (-0,72%)
     
  • Nikkei 225

    40.168,07
    -594,66 (-1,46%)
     
  • FTSE 100

    7.960,28
    +28,30 (+0,36%)
     
  • CAC 40

    8.249,20
    +44,39 (+0,54%)
     
  • Nasdaq Compositive

    16.399,52
    +83,82 (+0,51%)
     

Wie Rufmord im Internet die Karriere zerstören kann

Oft sind es Kollegen oder Bekannte, die einem Ruf und Karriere ruinieren. Was man dagegen tun kann – und warum man in China vorsichtig sein sollte.

Der Schock saß tief bei Katja Poppenberg, fast genauso tief wie der Ekel. Noch als Lehramtsstudentin wird die Frau auf Fotos von sich im Internet aufmerksam gemacht – auf einer Pornoseite. Die Bilder sind manipuliert. „Jemand hatte meinen Kopf auf einen nackten Frauenkörper gesetzt und die Montage zusammen mit anderen Fotos von mir ins Netz gestellt“, erinnert sich die Pädagogin. Auch Poppenbergs Name und Wohnort stehen auf der Seite.

Ein User des Schmuddelforums moniert die schlechte Qualität der Fotomontage. Ein anderer postet ein Bild von sich, das ihn beim Ejakulieren auf eines der Fotos zeigt. „Ich habe mich komplett ausgeliefert gefühlt“, sagt die heute 40-Jährige. Poppenberg erstattet damals Anzeige, einen Verdacht hat sie auch. Doch die Ermittlungen werden wegen mangelnder Beweise eingestellt.

Einige Jahre später tauchen wieder Fake-Fotos auf. Erneut sind Nacktbilder im Spiel, diesmal von einer angeblichen Privatwebsite Poppenbergs. „Ich war damals gerade in der Bewerbungsphase“, sagt die heutige Sport- und Englischlehrerin. „Diese Bilder hätten mich meine Karriere kosten können.“

WERBUNG

Auch wenn die Sache damals gut ausging und die schmierigen Inhalte inzwischen entfernt seien, habe sie bis heute ein mulmiges Gefühl, wenn sie online sei: „Meinen Namen google ich schon gar nicht mehr“, sagt Poppenberg. Zu groß sei die Furcht vor den Suchergebnissen.

Der Fall der Lehrerin aus Nordrhein-Westfalen zeigt: Nicht nur in der Politik, auch im Berufsalltag ist das Zeitalter der Fake News längst angebrochen. Falschmeldungen im Internet können Lebensläufe beschmutzen und Karrieren zerstören. Zwar gilt: „Auf dem C-Level sind Empfehlungen die wichtigste Währung“, wie Jörg Breiski, Headhunter bei Kienbaum, sagt. Auf den Stufen darunter zählt jedoch auch Google.

Laut einer Bitkom-Studie aus dem Jahr 2018 informieren sich zwei von drei Personalern online vorab über Kandidaten. Das macht Rufmordkampagnen für Konkurrenten, frustrierte Ex-Mitarbeiter und persönliche Widersacher attraktiv – auch wenn das natürlich niemand je so offen zugeben würde.

Dabei müssen die kompromittierenden Inhalte nicht mal manipuliert sein. Eine alte Jugendsünde, ein schräges Hobby oder ein unvorsichtiger Satz in der Lokalzeitung reichen, um an Karriereleitern zu sägen. Zwar gilt in Europa das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“, das nun durch zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts noch einmal konkretisiert wurde.

Fakt ist aber: „Viele scheuen die hohen Prozesskosten“, sagt Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht in Mainz. Er bekommt jedes Jahr etwa 50 Fälle auf den Tisch. Wer gegen Google oder Facebook klage, brauche Geduld und ein gutes finanzielles Polster. Allein in der ersten Instanz würden Kosten von 10.000 Euro und mehr anfallen – unter anderem wegen der offiziellen Übersetzungen der Gerichtsdokumente ins Englische.

Der Ruf ist ein hohes Gut. Doch die Schädigung geht „ruckzuck“, wie Christian Scherg, Chef und Gründer der Firma Revolvermänner, sagt. Er hat sich auf „Reputationsmanagement“ spezialisiert – so der Fachterminus für die Rettung des Rufs.

Zu Scherg kommen Vertreter von Dax-Konzernen oder Mittelständlern, aber auch Einzelpersonen wie Vorstände, Geschäftsführer und andere Führungskräfte, die sich um ihr Image sorgen. „Es gibt drei Stufen unserer Arbeit: Prävention, Intervention und Rehabilitierung.“ Die meisten, so der Experte, kämen aber erst, „wenn die Hütte schon lichterloh in Flammen“ stehe.

So finden Sie Ihren Rufmörder

Wer sind die Rufmörder? Man muss oft nicht lang suchen: Am häufigsten sind es laut Wolfgang Weber-Thedy Feinde „links und rechts in den eigenen Reihen“. Der PR-Berater lenkt von Zürich aus die Geschicke internationaler Topmanager. Ein Beispiel: Vor einigen Jahren half Weber-Thedy einem Rainmaker einer internationalen Großbank. Dessen Erfolg hatte den Neid von Kollegen geweckt – sie erhoben falsche Anschuldigungen, sagten ihm Vetternwirtschaft nach.

Kurze Zeit später war der Druck so hoch, dass der einst verehrte Leistungsträger seinen Job verlor. Laut Weber-Thedy habe er immerhin erwirkt, dass die Bank die Beschuldigungen offiziell kassierte und Medienberichte aus den Archiven verschwanden. „Aber da war die Erde längst verbrannt“, sagt Weber-Thedy.

Was ist zu tun? Für Reputationsexperten ist im Krisenfall – ähnlich wie bei einem Anwalt-Mandanten-Verhältnis – eines am allerwichtigsten: Vertrauen und Wahrheit. „Ohne dieses Mindestmaß an Ehrlichkeit und Vertrauen funktioniert eine Beratung nicht“, sagt Weber-Thedy. „Auch wenn man oft eher nur von Wahrheitswahrscheinlichkeiten sprechen kann“, wie Scherg ergänzt.

Geht es um falsche Tatsachenbehauptungen, könne man sich „gut zur Wehr setzen“, sagt Weber-Thedy – etwa per Verleumdungsklage oder Unterlassungserklärung. Treffen Vorwürfe jedoch ins Schwarze, wenn auch nur zum Teil, brauche es eine ausgeklügelte PR-Strategie. „Die Öffentlichkeit verzeiht so gut wie nichts“, sagt Weber-Thedy – gerade im Topmanagement, wo die Konkurrenz und der Neid groß sind.

Selbst Straftaten, die längst gesühnt und verjährt seien, oder Vorwürfe, die sich im Nachhinein als haltlos erwiesen hätten, kämen oft Jahre später noch als kommunikativer Bumerang zurück. Betroffene könnten, wenn kein Anlass für eine Nennung besteht, darauf pochen, dass in Berichten im Netz die Klarnamen verschwinden oder Einträge gelöscht werden. „Die Hauptsache ist, dass Sie mit unerwünschten Inhalten von der ersten Google-Trefferseite verschwinden“, sagt Scherg. Nur: Wie geht das?

Christian Keppel ist ein ruhiger, bedachter Mann. Doch dass sein Job manchmal auch Nahkampf sein dürfte, sieht man schon daran, dass er als eines der wenigen Accessoires in seinem Büro einen großen Boxsack aufgehängt hat. Keppel ist Chef der Firma Move Vision, die mit 13 Mitarbeitern das Portal DeinGuterRuf.de betreibt.

Über die Seite können Privatleute, Selbstständige und Unternehmen unliebsame Einträge auf Google, Facebook und Co. für gerade einmal 40 Euro entfernen lassen. Keppel erklärt das Vorgehen so: „Wir nehmen Kontakt zu Verfasser, Webseiten-Betreiber oder Hoster auf und bitten um Löschung.“ Klappt das nicht, bietet die Firma eine Suchmaschinenoptimierung an, die negative Inhalte in der Websuche nach hinten verdrängt.

Theoretisch kann solche Schritte jeder Internetuser selbst einleiten, aber, sagt Keppel, ein bisschen sei es wie beim Haarschnitt: „Den wollen die meisten Leute auch nicht selbst machen.“ Bei den Löschungen gibt DeinGuterRuf.de eine Erfolgsquote von 85 Prozent an. Das heißt: In 15 Prozent der Fälle klappt das Entfernen der Inhalte nicht.

Also: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste. Das ist leichter gesagt als getan. Selbst eine Geschäftsreise kann einem zum Verhängnis werden.

Vorsicht auf der Geschäftsreise in China

Die neueste Masche kommt aus China. Einzeltäter oder Gruppen lauerten einem internationalen Manager auf und bedrängten ihn, bis dieser sich zur Wehr setze. Anschließend werden laut Reputationsmanager Scherg Polizei und Medien informiert, die die Nachricht verbreiten, ein ausländischer Geschäftsmann sei handgreiflich oder ausfällig geworden.

Oft entwickelten sich daraus Wutreden in chinesischen sozialen Medien, über die dann wiederum internationale Medien berichteten. „Und dann ist das Netz voller Behauptungen, die Sie schwer wieder einfangen können“, sagt Scherg. Beweisen lasse sich nichts, aber in einigen Fällen liege der Verdacht nahe, „dass solche Aktionen gezielt von Konkurrenten lanciert“ würden, um Firmen und ihren Managern zu schaden.

So etwas passierte einem Daimler-Managers im Herbst 2016. Damals soll der hochrangige Mitarbeiter des Konzerns bei einem Streit in China um einen Parkplatz eine Einheimische beschimpft haben. Der Fall verbreitete sich auf Chinas Mikroblogging-Dienst Weibo. Es gab Boykottaufrufe, auch Name, Adresse, Telefon-, Ausweisnummern und Fotos des Managers und seiner Familie wurden auf die Plattform gestellt.

Daimler entschuldigte sich offiziell für den Vorfall und zog den Mitarbeiter – trotz Unschuldsvermutung – ab. Heute arbeitet der Manager bei der Konkurrenz. Aus Datenschutzgründen schweigt der Konzern zu dem Fall. Somit ist unklar, ob die Vorwürfe stimmen. Der betroffene Manager bezeichnet auf Handelsblatt-Anfrage die Anschuldigungen als „gänzlich unwahr und als solche belegbar“.

In einer Mail leitet er ein Überwachungsvideo weiter, das zeigt, wie ein Mann – und keine Frau – nach einem Streit um eine Parklücke mehrfach gegen den Wagen des Managers tritt, in dem seine Tochter sitzen soll. Aus Angst vor einem Angriff habe er sich mit Pfefferspray verteidigt. Eine Tonspur gibt es nicht. Auch fehlen Schnipsel von 20 Sekunden in dem Video. Weil er in den Wochen vor dem Vorfall immer wieder Drohmails erhalten habe, geht der Manager von einer vorbereiteten Tat gegen ihn aus.

Wer dahintersteckt, darüber wolle er nicht öffentlich spekulieren. „Ich persönlich habe mit dem Vorgang abgeschlossen“, sagt der Manager am Telefon. „Meine Familie und ich sind durch eine schwierige Zeit gegangen“ – das müsse er nicht noch mal erleben. Dass er sich doch noch einmal öffentlich äußere, tue er nur, um andere zur Vorsicht aufzurufen. Er selbst habe die Gefahr damals unterschätzt.

Für Katja Poppenberg ist die Geschichte relativ glimpflich abgelaufen, die Löschung kam damals gerade zur rechten Zeit. Inzwischen ist sie als Lehrerin schon einige Jahre verbeamtet.

War sie in der ersten Zeit nach den Fake-Fotos vorsichtig, mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit zu gehen, sagt sie heute: „Da stehe ich drüber.“ Ihr Erlebnis verarbeitet sie in ihrem Beruf. Ihre Beobachtung: Schülerinnen und Schüler teilen oft leichtfertig Fotos von sich in Gruppenchats und Social Media. Das Bewusstsein fehlt, was Cybermobbing und Falschinformationen für einen Schaden anrichten können – auch für die Karriere.