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ROUNDUP: Selenskyj beruft Melnyk als Botschafter der Ukraine in Berlin ab

KIEW/BERLIN (dpa-AFX) - Ein streitbarer Kämpfer für die Anliegen seines Landes muss seinen Posten räumen: Andrij Melnyk ist als ukrainischer Botschafter in Deutschland abberufen worden. Das teilte die Präsidentschaftskanzlei in Kiew am Wochenende mit. Gründe für die Abberufung wurden in dem Dekret nicht genannt. Melnyks Kollegen in Norwegen, Tschechien, Ungarn und Indien müssen ihre Posten ebenfalls abgeben. Selenskyj sprach von einem normalen Vorgang.

"Diese Frage der Rotation ist ein üblicher Teil der diplomatischen Praxis", sagte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag in einer Videobotschaft, ohne einen der fünf Botschafter namentlich zu nennen. Ob Melnyk nach seiner Entlassung für ein anderes hochrangiges Amt in Kiew oder anderswo vorgesehen ist, blieb zunächst offen. Ebenso blieb offen, wann genau der 46-Jährige Berlin verlassen wird.

Die ukrainische Botschaft in Berlin wollte das Dekret nicht kommentieren. Eine Sprecherin des Auswärtigen Amtes teilte auf Anfrage mit: "Gegenüber dem Auswärtigen Amt wurde eine Abberufung des Botschafters bislang nicht notifiziert."

Die "Bild" und die "Süddeutsche Zeitung" hatten vor wenigen Tagen unter Berufung auf ukrainische Quellen berichtet, Melnyk solle abberufen werden und ins Außenministerium nach Kiew wechseln. Noch im Herbst könnte er stellvertretender Außenminister werden, schrieb die "Bild".

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Melnyk war seit Januar 2015 Botschafter in Deutschland - eine außergewöhnlich lange Zeit für einen Diplomaten auf einem Posten. Auch Kommentatoren in Kiew sagten am Samstag, dass dies etwa das Doppelte der üblichen Entsendungszeit gewesen sei.

Sein Abschied aus Deutschland fällt Melnyk nach eigenem Bekunden nicht leicht. "Deutschland bleibt in unseren Herzen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" am Sonntag. "Der Abschied fällt uns schwer." Melnyk sagte weiter: "Ich war zweimal in Deutschland auf Posten, ich habe eine sehr enge Beziehung zu diesem Land, die streckenweise auch eine Art Hassliebe war."

Seine Amtszeit werde formell "vermutlich in wenigen Wochen zu Ende gehen", zitierte die Zeitung ihn. Dann würden er und seine Familie in die Ukraine ausreisen. In seiner Zeit als Botschafter, also etwa seit Beginn des von Russland gesteuerten Krieges in der Ostukraine, habe er "andere Jobangebote abgelehnt", um seine Mission in Deutschland weiterführen zu können.

Melnyk machte sich nicht erst seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine als scharfer Kritiker der Bundesregierung einen Namen. Immer wieder prangerte er insbesondere die deutsche Russland-Politik an. In den vergangenen Monaten sparte er auch nicht mit scharfer Kritik an Kanzler Olaf Scholz (SPD). Dem SPD-Politiker und seinen Ministern warf er unter anderem vor, zu zögerlich Waffen für den Kampf gegen die russischen Angreifer in die Ukraine zu liefern. Einmal bezeichnete er den Kanzler als "beleidigte Leberwurst".

"Andrej Melnyk war ein Diplomat der besonderen Sorte: Mehr Politiker als Diplomat, laut, unbequem und äußerst streitbar", sagte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann dem ARD-Hauptstadtstudio über den Ukrainer. Mit seinen Äußerungen habe er durchaus auch Grenzen überschritten. "Er war der lautstarke Kämpfer für ein Land, das sich in einem furchtbaren Krieg befindet." Der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter betonte, dass Melnyk bereits vor dem Beginn des Kriegs in der Ukraine auf die russische Bedrohung hingewiesen und um Unterstützung geworben habe. "Dass er hier nicht immer den diplomatischen Ton traf, ist angesichts der unfassbaren Kriegsverbrechen und des Leids für das ukrainische Volk mehr als verständlich", sagte er der "Augsburger Allgemeinen".

Zuletzt geriet der 46-Jährige selbst massiv in die Kritik wegen Äußerungen über den ukrainischen Nationalisten und Antisemiten Stepan Bandera. Dieser war während des Zweiten Weltkriegs Anführer des radikalen Flügels der Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN). Nationalistische Partisanen aus dem Westen der Ukraine waren 1943 für ethnisch motivierte Vertreibungen verantwortlich, bei denen Zehntausende polnische und jüdische Zivilisten ermordet wurden.

Melnyk bestritt in einem Interview mit dem Journalisten Tilo Jung, dass Bandera ein Massenmörder von Juden und Polen gewesen sei. Der Nationalist sei gezielt von der Sowjetunion dämonisiert worden. Die israelische Botschaft hatte dem Botschafter daraufhin "eine Verzerrung der historischen Tatsachen, eine Verharmlosung des Holocaust und eine Beleidigung derer, die von Bandera und seinen Leuten ermordet wurden" vorgeworfen.

Melnyk sagte anschließend erst tagelang nichts dazu, reagierte dann aber am Dienstag mit einem Tweet auf die Vorwürfe. Seine Worte adressierte er ausdrücklich auch an die "lieben jüdischen Mitbürger". Melnyk sprach von absurden Vorwürfen, die er entschieden zurückweise. "Jeder, der mich kennt, weiß: immer habe ich den Holocaust auf das Schärfste verurteilt." Die Nazi-Verbrechen des Holocaust seien eine gemeinsame Tragödie der Ukraine und Israels.

Im Gespräch mit der "Schwäbischen Zeitung" räumte er zuletzt Fehler in seiner Kommunikation ein. Er könne Kritik an seiner Person verstehen. "Wir sind alle Menschen und man macht Fehler. Man versucht auch, diese Fehler zu korrigieren und aus ihnen zu lernen. Viele emotionale Aussagen bedauere ich im Nachhinein."