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KARLSRUHE (dpa-AFX) -Wie lange darf ein privater Abschleppdienst Standgebühren für ein abtransportiertes Auto kassieren und dürfen diese bis in die Tausende steigen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat sich am Freitag mit einem Fall aus Sachsen befasst, in dem das Unternehmen 4935 Euro verlangt. Das Dresdner Oberlandesgericht (OLG) hatte diesem aber im Berufungsverfahren nur 75 Euro zugesprochen.
Zivilgerichte hätten solche Sachlagen unterschiedlich beurteilt, sagte die Vorsitzende Richterin Bettina Brückner in Karlsruhe. Zudem sei es oft kompliziert, alltägliche Probleme im Zivilrecht zu lösen; das sei auch bei Studierenden gefürchtet. Seine Entscheidung will der fünfte Zivilsenat am 17. November verkünden. (Az.: V ZR 192/22)
Der große Unterschied bei den Beträgen im konkreten Fall kommt dadurch zustande, dass der Fahrzeughalter wenige Tage nach dem Abschleppen die Herausgabe seines Autos verlangt hatte. Die Firma verweigerte dies aber, solange die Abschleppkosten von rund 270 Euro und Standgebühren von 15,00 Euro täglich nicht bezahlt würden. Der Streit zog sich hin: Als am Landgericht Dresden verhandelt und der Wagen herausgegeben wurde, stand er seit 329 Tagen auf dem Gelände der Abschleppfirma - so ergibt sich die Summe von mehr als 4900 Euro.
Während der Kläger nach Auffassung des Landgerichts sämtliche Kosten zahlen sollte, hob das Oberlandesgericht diese Entscheidung in weiten Teilen auf. Der Halter müsse zwar für das Abschleppen und die Unterbringung auf dem Gelände der Abschleppfirma bezahlen - jedoch nicht unbegrenzt, sondern nur so lange, bis er unmissverständlich klargestellt habe, dass er sein Fahrzeug zurückhaben wolle.
Dass das Unternehmen das Auto weiter einbehielt, um die Bezahlung der Abschleppkosten sicherzustellen, war dem OLG-Urteil zufolge zwar zulässig. Standgebühren verdienen könne es damit aber nicht mehr. Die Abschleppfirma ging dagegen in Revision.
"Für die Sichtweise des Berufungsgerichts könnte einiges sprechen", sagte Brückner in einer ersten Einschätzung des Falls. Die Richter und Richterinnen diskutierten mit den Vertretern beider Seiten auch alternative Wege: etwa das abgeschleppte Auto auf einem öffentlichen Parkplatz abzustellen und gegebenenfalls mit einer Parkkralle zu versehen, bis die Abschleppkosten beglichen sind.
Brückner machte deutlich, dass sich dabei viele Fragen stellen: In welchem Radius müsste ein kostenloser Parkplatz zu finden sein? Wie lange muss man danach suchen? Dürfen teure Autos in unbeleuchteten Gewerbegebieten abgestellt werden? Und was ist, wenn auf einem Sitz gut einsehbar ein Handy - also potenzielles Diebesgut - liegt?