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Rost unterm Lack

Mit großem Aufwand hat Opel in den vergangenen Jahren das eigene Image aufpoliert. Doch vor dem Verkauf an PSA zeigt sich: Der Ertrag der Kampagnen ist überschaubar – es fehlt weiter an der Substanz. Eine Analyse.

In wenigen Wochen soll der Verkauf an den französischen Konzern PSA über die Bühne gehen. Und wäre Opel ein Gebrauchtwagen müsste man ganz nüchtern feststellen, dass es rostet unterm Lack. Die ersten sechs Monate des Jahres zeigen erneut, dass die Rüsselsheimer substanzielle Probleme haben. Als einzige Marke, neben kleinen japanischen Konkurrenten, hat Opel in einem insgesamt wachsenden europäischen Markt weniger Autos verkauft als im Vorjahr - und das trotz Ergebniskosmetik.

Der jahrelange Chef Karl-Thomas Neumann, der an der Spitze jahrelang Optimismus verbreitete und Opel neues Selbstbewusstsein einimpfte, wird das Unternehmen verlassen, sobald der Verkauf an PSA komplett abgeschlossen ist. Die letzte Bilanz, die er hinterlässt, ist bescheiden. Auch wenn General Motors das Ergebnis von Opel nicht mehr explizit ausweist, dürfte im ersten Halbjahr ein dreistelliger Millionenverlust angefallen sein.

Die Marken Opel und Vauxhall, die in den Bilanzen des bisherigen Mutterkonzerns unter dem Kürzel GME geführt wurden, werden im Bericht zum zweiten Quartal nur noch unter „nicht fortgeführte Geschäftsaktivitäten“ ausgewiesen. Und genau hier steht im ersten Halbjahr unterm Strich ein Minus von 839 Millionen Dollar in der GM-Bilanz, wo im Vorjahr noch ein Plus von 114 Millionen Dollar stand. Wie groß der Anteil der Rüsselsheimer an diesem Verlust ist, bleibt unklar. Doch er dürfte beträchtlich sein.

Das lässt sich auch an den anderen Ergebnissen ablesen, die der Konzern veröffentlich hat. 599.000 Autos haben Opel und Vauxhall im ersten Halbjahr verkauft. Das sind 3,2 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum. In einem insgesamt wachsenden Markt schrumpft Opel damit weiter.

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Nachdem man im vergangenen Jahr das Ziel verpasst hat, schwarze Zahlen zu schreiben, wartet Opel nach dem ersten Halbjahr auf den „Abschleppwagen“ PSA. Unter Neumann hat sich ganz offensichtlich zu wenig getan, um die Marke substanziell neu aufzustellen.

Die aufwändigen Kampagnen wie „Umparken im Kopf“ hat es Marketingchefin Tina Müller zwar geschafft, die Imagewerte in den Umfragen zu verbessern. Bei den Verkaufszahlen ist das im Vergleich zum Gesamtmarkt nicht gelungen. „Die Marktposition von Opel in Europa hat sich unter ihrer Führung nicht verbessert – sondern kontinuierlich verschlechtert“, sagt Ferdinand Dudenhöffer, Leiter des Center of Automotive Research (CAR) der Universität Duisburg-Essen. Der Marktanteil von Opel und Vauxhall in Europa (EU 28 plus EFTA) ist innerhalb von vier Jahren um 0,7 Prozentpunkte auf 6,2 Prozent geschrumpft. Die einst stolze deutsche Volumenmarke Opel ist längst eine relativ regionale Angelegenheit: die meisten Autos verkauft die Marke in Deutschland und Großbritannien.

Darum werden die nächsten Monate doppelt spannend für Opel. Ein harter Brexit könnte die Opelaner in einer Phase treffen, in der die Rüsselsheimer ohnehin unter Druck stehen. Nur wenige Jahre haben sie Zeit, den Chef der neuen Konzernmutter PSA, Carlos Tavares, zu überzeugen, dass in Rüsselsheim wieder Gewinne geschrieben werden können. Um einen Absatzeinbruch auf der Insel zu kompensieren, wären noch größere Sparanstrengungen nötig.

Auch die Erfolgsmodelle geraten mehr und mehr unter Druck. Der SUV Mokka, aber auch der Corsa haben deutlich stärkere Konkurrenz bekommen und verkaufen sich nicht mehr so gut wie in der Vergangenheit. Neue Modelle wie die SUVs Grandland X und Crossland X, sowie der neue Insignia müssen zünden.

Darum greift Opel nach wie vor tief in die Trickkiste. Sein letztes Versprechen, den Anteil der Eigenzulassungen signifikant zu senken, hat der scheidende Chef Karl-Thomas Neumann nicht halten können.

Im Gegenteil: Mit einem Anteil von 46,2 Prozent war der Anteil der Opel-Autos, die auf Händler, den Konzern selbst oder Autovermieter zugelassen wurden, so hoch wie seit zehn Jahren nicht mehr. Solche Eigenzulassungen sind in der Branche ein beliebtes Instrument, um Fahrzeuge mit hohem Rabatt in den Markt zu pumpen. Und kaum eine Marke nutzt es so intensiv wie Opel. „Damit dürften die Gewinnmargen im ertragreichen deutschen Automarkt erneut sinken“, sagt Dudenhöffer.

Opel selbst nennt zwei Gründe für den hohen Anteil der Eigenzulassungen. Zum einen sei das Mitarbeiterleasing gewachsen – mehr Opel-Mitarbeiter setzen auf Fahrzeuge der eigenen Marke. Zum zweiten sei durch die Modelloffensive die Nachfrage nach Vorführfahrzeugen gewachsen. Doch alleine mit den zwei neuen Modellen Insignia und Crossland X ist der Anstieg kaum zu erklären.

Auf den neuen Opel-Chef Michael Lohscheller wartet viel Arbeit. Nach dem Abschluss des Verkaufs, der voraussichtlich Anfang August über die Bühne gehen könnte, hat er 100 Tage Zeit, PSA-Chef Tavares einen Plan vorzulegen, der beweisen soll, dass Opel noch substanziell zur Erfolgsmarke umgebaut werden kann. Innerhalb weniger Monate muss ihm das gelingen, was Neumann in fünf Jahren nicht gelang.

In Detroit scheint man mit Opel emotional schon abgeschlossen zu haben, finanziell allerdings noch nicht. Vor einigen Wochen verkündete GM-Finanzchef Chuck Stevens bereits, dass man von Kosten von 5,5 Milliarden Dollar durch den Verkauf von Opel an PSA ausgehe – eine Milliarde mehr als angenommen. Die Amerikaner übernehmen unter anderem die milliardenschweren Pensionsverpflichtungen von Opel.

Und auch im zweiten Quartal drückte die ungeliebte Europatochter nochmal kräftig auf den Gewinn. Der Überschuss fiel im Vergleich zum Vorjahr von 2,9 auf 1,7 Milliarden Dollar. Grund waren auch Abschreibungen von 1,3 Milliarden Dollar, die durch den Opel-Verkauf anfielen.

KONTEXT

So wichtig ist die Autoindustrie für Deutschland

Umsatz

Gemessen am Umsatz ist die Autobranche der mit Abstand bedeutendste Industriezweig in Deutschland: Die Unternehmen erwirtschafteten 2016 einen Umsatz von mehr als 405 Milliarden Euro. Das entspricht rund 23 Prozent des gesamten Industrieumsatzes. Mittelständisch geprägte Zulieferer sind für den Großteil der Wertschöpfung - etwa 70 Prozent - verantwortlich. Insgesamt werden mehr als 1300 Unternehmen der Branche zugerechnet.

Beschäftigte

Die Autounternehmen zählen in Deutschland direkt mehr als 800.000 Mitarbeiter. Indirekt sind es viel mehr, da für die Fahrzeugfertigung viele Teile, Komponenten und Rohstoffe zugekauft werden - etwa in der chemischen Industrie, der Textilindustrie, bei Maschinenbauern sowie in der Elektro-, Stahl- und Aluminiumindustrie. Auch Autohändler, Werkstätten und Tankstellen sowie weitere Dienstleister - etwa Versicherer - sind von der Autokonjunktur abhängig.

Exporte

Fahrzeuge sind der größte deutsche Exportschlager. Mehr als drei Viertel der in Deutschland hergestellten Pkw werden exportiert: 2016 waren es gut 4,4 Millionen. Die Ausfuhren von Kraftwagen und Kraftwagenteilen summierten sich 2016 auf mehr als 228 Milliarden Euro. Das entspricht fast einem Fünftel der gesamten deutschen Exporte. Ein Großteil des Auslandsumsatzes wird in den EU-Ländern erwirtschaftet.

Forschung

Weltweit investierte die deutsche Autoindustrie zuletzt fast 39 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung (FuE). Im Deutschland sind es knapp 22 Milliarden Euro, was mehr als ein Drittel der gesamten Ausgaben der heimischen Wirtschaft für Forschung und Entwicklung entspricht. Mehr als 110.000 Mitarbeiter sind in den Entwicklungsabteilungen beschäftigt. Von den weltweit 3000 Patenten zum autonomen Fahren entfallen etwa 58 Prozent auf deutsche Firmen.