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Roche kommt mit seinem Geschäftsmodell besser durch die Pandemie als Novartis

Keiner der beiden Schweizer Pharmakonzerne ist bei der Impfstoffentwicklung relevant. Doch Roche profitiert von Coronatests und Diagnostikmaschinen.

Bei der Pandemie-Bekämpfung mitzumischen scheint für jeden großen Pharmakonzern eine Frage der Ehre zu sein. Novartis ist einer dieser großen Konzerne, doch mit Impfstoffen oder Medikamenten gegen Covid-19 können die Schweizer nicht aufwarten: Vom Vakzingeschäft haben sie sich getrennt, und auch das Medikament Hydroxychloroquin zur Behandlung von schweren Covid-19-Verläufen erwies sich als nicht wirksam. Und so bleibt Novartis nur, Biontech und Pfizer bei der Produktion ihres Impfstoffs zu unterstützen.

Ortskonkurrent Roche hingegen profitiert mit seiner Diagnostiksparte von der hohen Nachfrage nach Coronatests. Spartenchef Thomas Schinecker erwartet auch für 2021 ein „starkes erstes Halbjahr“. Die Verteilung des Impfstoffs werde noch dauern, sagte er dem Handelsblatt. „Davon hängt ab, wie viel getestet wird.“

Der Wettbewerb zwischen Roche und Novartis ist nicht nur einer zwischen zwei Baseler Pharmariesen. Er dient auch als Vergleich von zwei gegenläufigen Strategien, wobei sich die von Roche in der Pandemie stärker auszahlt – trotz des vielfach gepriesenen Trends zur Fokussierung.

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Novartis-Chef Vasant Narasimhan hat das einstige Konglomerat seit seinem Amtsantritt 2018 noch einmal fokussiert: Die Augenheilkunde wurde abgespalten und an die Börse gebracht – getreu dem Motto, dass „Pure Player“ an den Börsen höher bewertet werden.

Bereits zuvor hatte sich Novartis von den Impfstoffen, der Tiermedizin und freiverkäuflichen Medikamenten getrennt. Der seit 2008 amtierende Roche-Chef Severin Schwan hält im Gegensatz dazu an der breiten Aufstellung als forschender Arzneimittelhersteller und Diagnostikkonzern fest. Und er punktet in der Coronakrise mit dem diversifizierten Geschäftsmodell.

Es erhöht nämlich nicht nur die Wahrscheinlichkeit, zur Bekämpfung der Pandemie beitragen zu können. Es kommt derzeit auch bei Börsianern, Analysten und Branchenexperten besser an. Viele erwarten deshalb, dass Roche seinen Vorsprung auf den lokalen Konkurrenten in den kommenden Monaten ausbauen dürfte.

Novartis-Aktie weiter weg vom Vorkrisenniveau als Roche-Aktie

Die Aktien beider Unternehmen haben trotz der Börsenrally bislang nicht die Verluste seit Ende Februar 2020 wettmachen können. Doch während die Novartis-Aktie rund 15 Prozent unter dem Vorkrisenniveau handelt, beträgt der Abschlag bei der Roche-Aktie nur rund elf Prozent. Stefan Schneider, Analyst und Pharmaexperte bei der Schweizer Privatbank Vontobel, empfiehlt die Roche-Aktie zum Kauf. Sein Zwölf-Monats-Kursziel für Roche liegt knapp 30 Prozent über dem aktuellen Kurs. Bei Novartis rät Schneider zum Halten der Aktie – die Papiere haben innerhalb der nächsten zwölf Monate aus seiner Sicht kaum Aufwärtspotenzial.

Bei beiden Unternehmen hängen mehr als drei Viertel des Umsatzes vom Pharmageschäft ab. Sowohl Roche als auch Novartis mussten 2020 in dieser Sparte Einbußen hinnehmen, weil in der Coronakrise weniger Menschen zum Arzt oder ins Krankenhaus gingen, weil weniger Medikamente verschrieben und Operationen verschoben wurden. Zudem sind die Patente einiger großer Medikamente ausgelaufen, denen Generika nun Umsatz abnehmen.

Die Diagnostiksparte von Roche jedoch brachte im März 2020 den ersten Coronatest auf den Markt. Es folgten Antikörpertests sowie Schnelltests. Zunächst musste Roche massiv investieren, um die Produktionskapazitäten für die Tests in Rekordgeschwindigkeit auszuweiten. Doch in den vergangenen zwei Quartalen haben sich die Investitionen bereits ausgezahlt: Die Erlöse der Diagnostiksparte wuchsen mit jeweils 18 und 28 Prozent.

Die Folge dieses Wachstums: Umsatzeinbußen in den übrigen Geschäftsbereichen konnte Roche zu einem großen Teil ausgleichen. Der Anteil der Diagnostiksparte am Gesamtumsatz von 58,3 Milliarden Franken stieg von 21,1 Prozent im Vorjahr auf 23,7 Prozent.

Zudem kann der Konzern seine Position in der Diagnostik auch über die Pandemie hinaus festigen, erwartet Vontobel-Analyst Schneider. Denn Roche verkauft nicht nur Tests, sondern auch die sogenannten „Cobas“-Maschinen, mit denen Labore große Mengen von Proben automatisiert analysieren können. Zwar betont Roche-Manager Schinecker, das Unternehmen mache mit dem Absatz der Hardware praktisch keinen Gewinn. „Die Marge machen wir mit den einzelnen Tests.“

Trotzdem sind die Cobas-Maschinen mit Preisen im mitunter mittleren sechsstelligen Bereich für viele mittelständische Labore große Anschaffungen, die sie langfristig an Roche binden. Der Konzern bietet bereits Tests für andere Virenerkrankungen, etwa HIV, Hepatitis C oder Tuberkulose, an. Zudem profitiert Roche von deutlichen Skaleneffekten, weil die meisten Vorprodukte für viele Tests identisch sind.

Roche hat Hoffnungsträger zur Corona-Therapie, Novartis nicht

Anders als Roche kann Novartis bislang keinen Hoffnungsträger vorweisen, der in der Pandemie die Rückschläge im Kerngeschäft ausgleicht. Neben der Pharmasparte hat der Konzern mit Sandoz noch ein Generika-Geschäft, dessen Anteil am Gesamtumsatz in Höhe von 48,7 Milliarden Dollar in der Pandemie gesunken ist – von 20,5 auf 18,7 Prozent.

Dabei sah es zunächst anders aus: Zu Beginn der Pandemie galt das Sandoz-Medikament Hydroxychloroquin als Hoffnungsträger bei der Behandlung von schweren Covid-19-Verläufen. Doch Ende April 2020 schritt die eidgenössische Zulassungsbehörde Swissmedic ein und wies auf „das Risiko von schwerwiegenden unerwünschten Arzneimittelwirkungen“ bei der Behandlung von Corona-Patienten mit Hydroxychloroquin hin. Seither ist das Medikament vor allem durch den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump bekannt geworden, der es entgegen dem Rat von Medizinern zur Einnahme bei einer Corona-Infektion empfahl.

Bei der Entwicklung einer Corona-Therapie arbeitet Novartis unter anderem mit dem Schweizer Unternehmen Molecular Partners zusammen. Doch auch hier scheint Roche mit der Kooperation mit dem US-Biotechunternehmen Regeneron im Vorteil zu sein. Die Antikörper-Therapie liegt derzeit zur Prüfung bei der EU-Arzneimittelbehörde Ema vor. Wer auch immer am Ende die Nase vorn hat – Novartis-Pharmachefin Marie-France Tschudin erwartet, dass ein Mittel gegen Corona auch langfristig gefragt sein wird: „Ich denke nicht, dass das Ende dieser Art von Atemwegserkrankungen nah ist“, sagt sie. „Dieses Virus oder eine Mutation davon wird uns noch lange begleiten.“

Fakt ist jedoch: Mit Blick auf die kommenden Jahre sind die Auswirkungen der Pandemie auf die Geschäftsmodelle der beiden Baseler Pharmariesen überschaubar. Beide Konzerne sind seit einigen Jahren damit beschäftigt, neue Therapien zu entwickeln, weil die Patente sogenannter Blockbuster-Medikamente auslaufen.

Langfristig werden sich zunehmend Therapien durchsetzen, die mithilfe neuartiger Technologien etwa Krebs-, Nerven- oder chronische Krankheiten wie Diabetes heilen können, erwartet Norbert Hültenschmidt, Pharmaexperte und Partner bei der Unternehmensberatung Bain & Company.

Bei der Entwicklung neuer Wachstumstreiber setzt die Pharmaindustrie auch auf Zukäufe von Biotech-Partnern, sagt Hültenschmidt. „Über 90 Prozent der Innovation kommt von außen oder wird mit externen Partnern entwickelt.“ Daher schließt allein die Schweizer Pharmabranche pro Jahr mehrere hundert Deals für Produkte und Technologien ab, schätzt er.

Beide Unternehmen sind abhängig von Übernahmen

Unter CEO Schwan habe sich Roche durch Übernahmen frühzeitig auf diese Trends eingestellt, lobt Vontobel-Analyst Schneider. „Die Firma richtet ihre Pipeline inzwischen auf neuartige Behandlungsmethoden wie etwa die Gentherapie aus.“ Er lobt: „Roche avancierte zu einem tonangebenden Unternehmen im Onkologiebereich“, also in der Krebsforschung, und dränge zudem in die Neurowissenschaft und den Bereich Bluterkrankungen. Das zeigten auch die jüngsten Zahlen der Pharmasparte: Während der Umsatz der Blockbuster 2020 um bis zu sieben Prozent zurückging, verzeichnete Roche bei den Neuentwicklungen zweistellige Zuwächse.

Bei Novartis sei die Entwicklung weit weniger geradlinig verlaufen, so Schneider. Das Unternehmen habe einen Wandel durchgemacht, „vom Pharmakonzern zu einem diversifizierten Gesundheitsunternehmen und nun die Rolle rückwärts zu einem Pharmaunternehmen mit starkem Fokus auf Gen- und Zelltherapien“.

Nach wie vor sei der Novartis-Umsatz geprägt von Medikamenten, denen bald Konkurrenz durch Generika droht – auch wenn der Umsatzanteil der Neuentwicklungen Managerin Tschudin zufolge von 33 Prozent 2019 auf 43 Prozent stieg. Narasimhan habe dem Konzern zwar durch zahlreiche Übernahmen Zugriff auf neue Therapien verschafft, so Schneider. Doch der Vontobel-Experte betont: „Das ist in unseren Augen die richtige Strategie, aber ihre Umsetzung wird viele Jahre in Anspruch nehmen.“

Für das noch von der Corona-Pandemie beeinflusste laufende Jahr fällt der Ausblick bei Novartis verhalten aus: Vorstandschef Narasimhan kündigte ein Wachstum im niedrigen einstelligen Bereich an.

Roche-Chef Severin Schwan traut dem von ihm geführten Konzern einen Anstieg des Umsatzes um einen niedrigen bis mittleren einstelligen Prozentbetrag zu. Damit hält der Konzern seine Prognose stabil, obwohl neben der Viruspandemie auch die Konkurrenz durch Nachahmermedikamente für wichtige Krebsarzneien das dominierende Pharmageschäft beeinträchtigen dürfte. In der Pandemie hilft das breiter aufgestellte Geschäftsmodell dem Unternehmen, Kurs zu halten.