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Risiko-Operation Mossul

Endlich geht es dem „Islamischen Staat“ an den Kragen – überall im Umland von Mossul verbreiten die bunt zusammengewürfelten Angreifer dieser Tage Siegeseuphorie. Reihenweise geben Kommandanten Interviews und sonnen sich in ersten Erfolgen. Beim Treffen der Internationalen Anti-Terror-Koalition in Paris nahmen die angereisten Verteidigungsminister sogar schon die zweite IS-Hochburg Raqqa ins Visier. Die Tage des „Islamischen Kalifat“ sind gezählt, hieß die Botschaft aus der französischen Hauptstadt. Nur einer fehlte in der illustren Kriegsrunde, der Irak, das Land, auf dessen Boden sich das ganze Drama in den kommenden Wochen und Monaten abspielen wird.

Noch nie musste eine so große Stadt aus den Händen von Jihadisten zurückerobert werden. Alle bisherigen Erfahrungen im Irak legen nahe, dass Mossul schon bald in Flammen stehen und seinen Einwohnern ein schreckliches Schicksal drohen könnte. Die Extremisten könnten Teile der Zivilbevölkerung als Geiseln nehmen und als menschliche Schutzschilde missbrauchen. Sie könnten sich in einem Teil der Stadt in einer Festung verschanzen, die von den Eroberern dann in monatelangen Haus-zu-Haus-Gefechten komplett in Schutt und Asche gelegt werden müsste. Oder die IS-Fanatiker könnten einfach mit Hilfe lokaler Komplizen untertauchen, Schläferzellen bilden und die Millionenstadt weiterhin von innen heraus mit blutigen Kommandoaktionen in Angst und Schrecken halten.

Seit Wochen warnen die Vereinten Nationen vor hunderttausenden Flüchtlingen, mindestens ein Drittel von ihnen Kinder, und appellieren an das Verantwortungsgefühl der Kriegsplaner – bisher vergeblich. Die Vorbereitungen zur Notaufnahme in der Umgebung sind absolut unzureichend. Unfassbar viele Familien könnten zwischen die Fronten geraten, während der Winter mit seinen eisigen Temperaturen naht.

Dabei wird sich in Mossul wohl das nationale Schicksal des Irak entscheiden. Kann es gelingen, das Zweitstromland mit der Rückeroberung der Stadt wieder stärker zu einen und auf den Weg eines friedlichen Zusammenlebens zurückzuführen? Oder wird die Operation Mossul den Zerfall des Irak endgültig besiegeln? Die Zentralregierung in Bagdad jedenfalls besitzt nach wie vor keine Strategie, die entfremdete sunnitische Minderheit endlich ausreichend in das politische Geschehen des Landes einzubinden.

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Die Reform des eigenen korrupten Regierungsapparates kommt nicht voran. Der blasse Regierungschef Haidar al-Abadi kann sich gegen die Hardliner in den eigenen schiitischen Reihen nicht durchsetzen. In diesen Zirkeln gelten die Bewohner Mossuls schlichtweg als IS-Komplizen oder zumindest als Sympathisanten.

Und so fehlt – wie zuvor in Ramadi und Fallujah – neben dem politischen Willen auch das Geld, mögliche Kriegszerstörungen zu beseitigen und der zweitgrößten Metropole eine jahrelange Agonie zu ersparen.


Misstrauen und Zwietracht

Abgesehen davon hat das IS-Kalifat die jahrhundertealte multikulturelle Textur von religiösen und ethnischen Gruppen heillos zerrüttet. Systematisch zündeten die Fanatiker Kirchen, Moscheen und Bibliotheken an, schändeten Pilgerstätten und Friedhöfe. Das berühmte Mausoleum des Propheten Jonas in Mossul, das jahrhundertelang als Wahrzeichen für die religiöse und kulturelle Verwobenheit der Region gegolten hatte, jagten sie gleich in den ersten Tagen in die Luft.

Entsprechend tief haben sich in die Gemüter der Menschen Misstrauen und Zwietracht eingefressen – egal ob zwischen sunnitischen und schiitischen Arabern, Kurden, Christen, Jesiden oder Turkmenen. So bewegend in den vergangenen Tagen die ersten Glockentöne nach der Rückeroberung christlicher Dörfer in der Niniveh-Ebene waren, so unvorstellbar scheint, wie die verschiedenen Volksgruppen künftig wieder als Nachbarn zusammenleben sollen.

Obendrein bringen sich auch die regionalen Kontrahenten in Position, um schon vor der Schlacht möglichst viel von der Mossul-Beute für sich zu reklamieren. Die nordirakischen Kurden schielen auf ihre Unabhängigkeit und wollen weitere Machtpflöcke einschlagen.

Die umstrittene Schwesterstadt Kirkuk haben sie im Zuge der IS-Wirren vor zwei Jahren bereits unter ihre Kontrolle gebracht, jetzt tragen ihnen Minderheiten wie die Christen und Jesiden auch die Herrschaft über die Ninive-Ebene von Mossul an. Die Türken haben ein Auge auf Mossul geworfen, weil sie die Stadt vor hundert Jahren in den post-osmanischen Turbulenzen nicht für sich reklamieren konnten.

Und die sunnitischen Araber wollen ihre Stadt ausbauen zu einer möglichst autonomen Machtbasis, in der nach dem Ende der IS-Tyrannei die verhasste schiitische Zentralregierung praktisch nichts zu sagen hat. Und so dürfte der Irak nach einem Zusammenbruch des Kalifats wieder zurückfallen in die Zeit vor dem IS. Die inneren Probleme, die den Jihadisten vor zwei Jahren ihre blitzartigen Erfolge erlaubten, kehren mit voller Wucht zurück. Und sie könnten sich dann als noch vertrackter und unlösbarer erweisen.

KONTEXT

Die vielen Namen der Extremistenmiliz IS

Isil

Die Abkürzung steht für "Islamischer Staat im Irak und der Levante" und ist vor allem im Englischen noch häufig zu hören. Sie kommt der Übersetzung des arabischen Namens recht nahe. Dort ist vom Islamischen Staat im Irak und "al-Scham" die Rede, also Großsyrien unter den Omajaden und später den Abbasiden.

Isis

Die Kurzform von "Islamischer Staat im Irak und Syrien".

Isig

Diese Abkürzung benutzt die Bundesanwaltschaft in ihren Pressemitteilungen. Sie steht für den "Islamischen Staat im Irak und Großsyrien".

IS

So nennt sich die Organisation selbst seit der Ausrufung ihres Kalifats 2014. Die Abkürzung steht für "Islamischer Staat". Kritiker lehnen diese Bezeichnung ab, weil sie den Anspruch der Miliz untermauere, einen echten Staat - und noch dazu einen islamischen - geschaffen zu haben. Manche sprechen deshalb vom "sogenannten Islamischen Staat".

Daesch oder Daisch

Als Alternative ist in den vergangenen Monaten vermehrt die Bezeichnung Daesch oder Daisch in Mode gekommen. Dies ist die arabische Abkürzung für die Bezeichnung "Islamischer Staat im Irak und al-Scham" (Al Daula al-Islamija fi al-Irak wa al-Scham). In den Ohren von Muttersprachlern klingt sie despektierlich, der IS selbst lehnt sie ab. Das ist ein Grund mehr für Gegner der Extremisten, sie zu verwenden.

KONTEXT

Die vielen Namen der Extremistenmiliz IS

Isil

Die Abkürzung steht für "Islamischer Staat im Irak und der Levante" und ist vor allem im Englischen noch häufig zu hören. Sie kommt der Übersetzung des arabischen Namens recht nahe. Dort ist vom Islamischen Staat im Irak und "al-Scham" die Rede, also Großsyrien unter den Omajaden und später den Abbasiden.

Isis

Die Kurzform von "Islamischer Staat im Irak und Syrien".

Isig

Diese Abkürzung benutzt die Bundesanwaltschaft in ihren Pressemitteilungen. Sie steht für den "Islamischen Staat im Irak und Großsyrien".

IS

So nennt sich die Organisation selbst seit der Ausrufung ihres Kalifats 2014. Die Abkürzung steht für "Islamischer Staat". Kritiker lehnen diese Bezeichnung ab, weil sie den Anspruch der Miliz untermauere, einen echten Staat - und noch dazu einen islamischen - geschaffen zu haben. Manche sprechen deshalb vom "sogenannten Islamischen Staat".

Daesch oder Daisch

Als Alternative ist in den vergangenen Monaten vermehrt die Bezeichnung Daesch oder Daisch in Mode gekommen. Dies ist die arabische Abkürzung für die Bezeichnung "Islamischer Staat im Irak und al-Scham" (Al Daula al-Islamija fi al-Irak wa al-Scham). In den Ohren von Muttersprachlern klingt sie despektierlich, der IS selbst lehnt sie ab. Das ist ein Grund mehr für Gegner der Extremisten, sie zu verwenden.