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Die Renaissance der Ausbildung

Politik und Wirtschaft wollen mit einen neuen Allianz aus Bund, Wirtschaft und Gewerkschaften wieder mehr Schüler und Betriebe für die Lehre gewinnen.

Ein Auszubildender im KFZ-Handwerk misst in einem Ausbildungszentrum die Dicke der Bremsscheibe. Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften planen eine neue Kraftanstrengung, um der Ausbildung wieder Schwung zu verleihen. Foto: dpa
Ein Auszubildender im KFZ-Handwerk misst in einem Ausbildungszentrum die Dicke der Bremsscheibe. Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften planen eine neue Kraftanstrengung, um der Ausbildung wieder Schwung zu verleihen. Foto: dpa

Die duale Berufsausbildung verlor jahrelang an Bedeutung – gleichzeitig blieben zehntausende Lehrstellen unbesetzt und zigtausend Bewerber unversorgt. Die Sorge vor Fachkräftemangel nahm zu. Nun planen die Bundesregierung, Wirtschaft und Gewerkschaften eine neue Kraftanstrengung, um der Ausbildung wieder Schwung zu verleihen: Sie wollen sowohl mehr junge Menschen vom Wert einer Lehre überzeugen, aber auch wieder mehr Betriebe für die Ausbildung gewinnen.

Das geht aus dem Entwurf für das Programm der „Allianz für Aus- und Weiterbildung 2019 – 2021“ hervor, die dem Handelsblatt vorliegt. Die Partner wollen das Konzept an diesem Montag vorstellen. Beteiligt sind von Bundesseite das Bildungs-, Wirtschafts- und Arbeitsministerium.
Karliczek will „alle Ausbildungsplätze besetzen“

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Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) gibt hohe Ziele aus: „Wir müssen es schaffen, dass alle Ausbildungsstellen besetzt werden und möglichst alle jungen Menschen einen qualifizierten Berufsabschluss erlangen“, sagte sie dem Handelsblatt. Das sei aber nur möglich, „wenn Wirtschaft, Verbände, Gewerkschaften und der Staat gemeinsam an einem Strang ziehen“. Darum sei „die Neuvereinbarung der Allianz für Aus- und Weiterbildung heute vielleicht sogar wichtiger denn je“.

Im Juni hatte das Kabinett das von Karliczek eingebrachte neue Berufsbildungsgesetzes beschlossen, das ab 2020 einen Mindestlohn für Azubis von zunächst 515 Euro im ersten Lehrjahr vorsieht und so die Lehre attraktiver machen soll. „Als nächstes kommt die Modernisierung des Aufstiegs-BAföGs“, so die Ministerin.

Die Wirtschaft soll nach dem gemeinsamen Plan die Gesamtzahl der angebotenen Plätze „stabilisieren“, obwohl die Zahl der Schulabgänger tendenziell sinkt. Dazu sollen möglichst viele Betriebe neu oder wieder für die Ausbildung gewonnen werden – auch Kleinstbetriebe, Gründer nach der Startphase und Unternehmer mit Migrationshintergrund. In den letzten Jahren war der Anteil der ausbildenden Betriebe immer weiter gesunken. Zuletzt bildete nicht mal mehr jeder fünfte Betrieb aus.

Chance auch für schwächere Schulabgänger

Doch auch die Dax-Konzerne haben ihre Plätze für Azubis über die Jahre deutlich reduziert, ergab unlängst eine Umfrage des Handelsblatts. Der Softwarekonzern SAP bildet überhaupt keine Lehrlinge, sondern nur duale Studenten aus.

Zudem machen sich die Allianzpartner dafür stark, „dass deutlich mehr Plätze offen für alle Schulabschlüsse angeboten werden“. Darauf hatten vor allem die Gewerkschaften gedrängt. Der DGB hatte kritisiert, dass in Industrie und Handel nur jeder dritte Platz auch Jugendlichen mit maximal einem Hauptschulabschluss offen steht.

Dies ist auch ein Grund dafür, dass 2018 erneut fast 270.000 Schulabgänger zunächst nur im „Übergangsbereich“ unterkamen, dessen Brückenfunktion in eine Lehre als wenig effektiv kritisiert wird.

Um mehr Unternehmen dazu zu motivieren, auch schwächere Schulabgänger als Azubis aufzunehmen, soll die „Assistierte Ausbildung“ ausgeweitet werden: Bisher kam diese Unterstützung, die etwa zusätzliche Berufsschulstunden vorsieht, jährlich rund 10 000 Azubis zugute, die größere Probleme haben. Künftig soll die Bundesagentur für Arbeit (BA) ein höhere Budget bereitstellen und das Programm flexibler gestalten.

Andererseits konnte 2018 fast jeder dritte Betrieb nicht alle Plätze besetzen, 18.000 bekamen keine einzige Bewerbung. Das trifft vor allem die Gastronomie, Lebensmittelfachverkauf und Handwerk. Doch selbst die Maschinenbauer warnen, dass die „Ausbildungslücke zur Wachstumsbremse“ wird. In dieser zentralen Branche waren Anfang August noch 34.000 Ausbildungsstellen in technischen Berufen nicht besetzt, bei 21.000 unvermittelten Bewerbern.

Um mehr Jugendliche zu bewegen, auch eine Lehre fern der Heimat in Betracht zu ziehen, drängen die Allianz-Partner auf ein flächendeckendes Angebote von Azubi-Tickets in allen Ländern. Daneben wollen sie sich dafür einsetzen, die auswärtige Unterbringung mehr zu fördern.
Beschlossen ist bereits die Erhöhung der Ausbildungsbeihilfe, die Azubis bei der BA beantragen können, wenn sie eine eigenen Wohnung brauchen oder schon Kinder haben. Der Höchstbetrag für Lebensunterhalt und Wohnen steigt von derzeit 622 Euro auf 716 Euro monatlich. Ab 1. August 2020 sind es dann 723 Euro pro Monat. Auch das Ausbildungsgeld, mit dem die Bundesregierung die berufliche Eingliederung von Behinderten fördert, wird erhöht.

In Problemregionen, wo es für 100 Bewerber weniger als 90 Plätze gibt, oder solchen im Strukturwandel, wie etwa die Braunkohlereviere, will der Bund Pilotprojekte fördern. Diese sollen einerseits die Verbundausbildung von mehreren Betrieben unterstützen, aber auch die „kooperative außerbetriebliche Ausbildung“.

Letztere fördert die BA schon heute, in dem etwa das erste Lehrjahr komplett bei einem Träger, die folgenden dann im Betrieb stattfinden. Insgesamt kommen aktuell im Bundesdurchschnitt auf 100 Lehrstellen 93 Bewerber – im Vorjahr waren es noch 99.

Flüchtlinge als großes Potenzial für die Lehre

Großes Potenzial sehen die Allianz-Partner in den Flüchtlingen: sowohl für deren Integration als auch für den Fachkräfte-Markt. Dazu müsse aber auch die Ausbildungsförderung für die Geflüchteten geöffnet werden, heißt es im Konzept.

Zudem brauche es eine „bundesweit einheitliche, integrationsfreundliche Anwendung der 3+2-Regelung, die Rechtssicherheit für Betriebe und deren Auszubildende mit Fluchthintergrund schafft“. Danach dürfen auch solche Flüchtlinge, die nicht anerkannt sind, die Ausbildung beenden und danach mindestens zwei Jahre arbeiten. Aktuell sind rund 35.000 junge Flüchtlinge auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Um die Ausbildung auch für Oberstufenschüler attraktiver zu machen, pocht die Allianz – die auch mit den Kultusministerien kooperiert – auf eine bessere Berufsorientierung.

Diese müsse endlich alle Schularten erfassen, auch die Gymnasien, und früher als heute beginnen. Die Wirtschaft verpflichtet sich, mehr Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen, damit Schüler früh Betriebe kennen lernen können. Doch auch Studienabbrecher und „Studienzweifler“ sollen verstärkt für einen Wechsel in die Lehre umworben werden.
Mehr: Der Mittelständler Münstermann hat Schulen und Wirtschaft in seiner Region vernetzt. Diese Initiative findet seitdem bundesweit Nachahmer.