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Wie die Regierungspartei mit Sozialversprechen auf Stimmenfang geht

Zum Start ins Studium sollte auch ein Blick auf den Versicherungsschutz geworfen werden. Foto: dpa

Die nationalkonservative Partei PiS will an diesem Sonntag ihre Wiederwahl sichern. Unternehmer kritisieren die Wahlversprechen scharf.

Schwarze Kohlenberge ragen im Hafen Stettins in den Himmel. Große Mengen kommen aus dem schlesischen Revier, wo gerade eine Kohlegrube neu eröffnet wurde. Der Rest kommt aus Russland, um im nebenstehenden Kraftwerk verfeuert zu werden. „Da Polens Wirtschaft richtig boomt, brauchen wir immer mehr Strom“, sagt Daniel Saar, der polnische Chef von DB Port in Stettin, die einen Teil des Hafens betreibt. Kohlestrom bisher. Denn Polen ist nur bereit, die Kohleverstromung aus Klimaschutzgründen zu senken, wenn dafür noch mehr Geld aus Brüssel kommt.

An Polen scheiden sich die Geister. Der größte EU-Staat im Osten hat die am stärksten wachsende Wirtschaft aller 28 Staaten: 5,1 Prozent im vergangenen Jahr, 4,4 Prozent werden in diesem Jahr erwartet. Als einziges Land Europas kam Polen ohne Rezession durch die Weltfinanzkrise vor zehn Jahren.

Für die deutsche Wirtschaft wird das Land immer bedeutender: Daimler baut in Jawor eine Motoren- und Batteriefabrik, Volkswagen hat neun Werke in Polen, Bosch-Siemens-Hausgeräte fertigt und forscht bei Lodz. Der deutsch-polnische Handel wuchs im ersten Halbjahr um fünf Prozent auf erstmals über 60 Milliarden Euro. Polen ist damit sechstgrößter Handelspartner Deutschlands – knapp hinter Italien und vor Großbritannien. Einerseits.

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Andererseits hat Brüssel Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eröffnet wegen des Eingriffs in die Justiz. Gerade am Donnerstag reichte die EU-Kommission eine erneute Klage ein. Auch die Beschränkung der Pressefreiheit kritisiert sie. De facto hat die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) den öffentlich-rechtlichen TV-Sender TVP übernommen. Zudem streitet Polen, das mit 175 Milliarden den Großteil der 365,2 Milliarden Euro Fördergelder für die osteuropäischen Neumitglieder von 2004 bis 2020 bekommt, über die Fortsetzung des EU-Aufbaus Ost, Migrantenverteilung in Europa und die Klimapolitik.

Das Verhältnis ist schwieriger geworden, seitdem die nationalkonservative Partei PiS regiert. An diesem Sonntag werden die Polen entscheiden, ob PiS mit Regierungschef Mateusz Morawiecki an der Spitze weitere vier Jahre die Geschicke des Landes bestimmen darf. Umfragen sehen die Partei mit 42 bis 48 Prozent deutlich vorn. Ob es erneut für eine absolute Mehrheit reicht, ist noch unklar.

Kaczynski als Strippenzieher

Strippenzieher im Hintergrund der PiS ist der reaktionäre ehemalige Regierungschef Jaroslaw Kaczynski. Die Wahlkampfstrategie des 70-Jährigen: eine Verdoppelung des Mindestlohns auf 4.000 Zloty (umgerechnet 924 Euro) monatlich bis 2023, eine 13. und 14. Rentenzahlung und eine Anhebung der EU-Agrarsubventionen für polnische Bauern auf westeuropäisches Niveau. „Unser Ziel ist es, einen echten Sozialstaat zu schaffen, mit echtem Wohlstand für die Bewohner“, umreißt er in Wahlkampfreden sein Ziel.

Dass die PiS das Parlament seit Monaten suspendiert hat, regt niemanden in Polen mehr richtig auf angesichts der vielen Skandale der PiS-Populisten. Gegen die umstrittene Justizreform gingen aber so viele Polen auf die Straße wie zu Zeiten der Solidarność-Gewerkschaftsbewegung, mit der die Polen 1989 den Kommunismus hinwegfegten.

Polen sei ein gespaltenes Land, klagt Marzena Frankowska, Vorstandschefin von Metalika, einem Zusammenschluss von 40 Metallproduzenten mit 4.000 Beschäftigten im Nordwesten Polens. Sie kritisiert, die Gesetzeslage unter der PiS-Regierung sei „viel restriktiver für Unternehmen, früher war alles viel liberaler“.

Auch das ambitionierte Sozialprogramm, vor allem die Verdoppelung des Mindestlohns, besorgt Unternehmer. Er kenne allein in Stettin fünf Firmen, die nach einer Wiederwahl der PiS ins ostdeutsche Pasewalk übersiedeln wollten, verrät ein polnischer Wirtschaftsexperte, der namentlich nicht genannt werden will.

Finanz- und Wirtschaftsminister Jerzy Stanislaw Kwiecinski hingegen verteidigt die versprochene Anhebung. Für die meisten Unternehmen stelle die Erhöhung „keine Gefahr“ dar, sagt er dem Handelsblatt. „Außerdem ist es höchste Zeit, das Image eines Landes mit billigen Arbeitskräften abzulegen, anderenfalls werden wir nur für Investitionen mit einem geringen Mehrwert interessant sein.“

Jeremi Mordasiewicz vom polnischen Arbeitgeberverband Lewiatan ist anderer Ansicht: Die Verdoppelung des Mindestlohns würde zu unbezahlbaren Lohnsteigerungen führen und dazu, dass Firmen Menschen entlassen, um sie später schwarz zu beschäftigen. In Polen kämen eine Verschärfung des Arbeitsrechts hinzu, der steigende Staatsanteil im Bankensektor und „der Versuch, überall bei uns Geld zu finden, um die irrwitzigen Sozialausgaben zu finanzieren“. Seine Unternehmerkollegen hätten „regelrecht Angst“.