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Wann Berufsrechtsschutz-Policen helfen – und wann nicht

Berufsrechtsschutz ist in Zeiten von Corona gefragt, um im Kündigungsfall die Gerichtskosten abzudecken. Versicherte müssen aber Regeln beachten.

Rechtsschutzversicherung für den Bereich Arbeitsrecht erfährt in Zeiten von Corona eine starke Nachfrage. Foto: dpa
Rechtsschutzversicherung für den Bereich Arbeitsrecht erfährt in Zeiten von Corona eine starke Nachfrage. Foto: dpa

Als Detlef Scheele, der Chef der Bundesagentur für Arbeit, jüngst die Daten für den Arbeitsmarkt im April präsentierte, sprach er von „Zahlen, die uns auch etwas den Atem stocken lassen“. 415.000 Menschen mehr als noch im April 2019 waren diesmal ohne Job. Ein Anstieg, wie es ihn noch nie zu dieser Jahreszeit gegeben hat. Und der sich wegen der anhaltenden Wirtschaftsflaute in Zeiten von Corona auch in den kommenden Monaten fortsetzen dürfte.

Für immer mehr Menschen wird daher eine Versicherung interessant, die in normalen wirtschaftlichen Zeiten eher ein Schattendasein fristet. Die Rechtsschutzversicherung für den Bereich Arbeitsrecht erfährt in Zeiten von Corona eine starke Nachfrage. So haben sich seit Januar die Anfragen dazu vervierfacht, heißt es beim Vergleichsportal Check24.

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Die Antworten auf die wichtigsten Fragen zu den komplexen Themenbereichen Rechtsschutz, Arbeitsrecht und Kündigung im Überblick:

Was ist der Sinn einer Rechtsschutzversicherung?
Jährlich werden über drei Millionen Verfahren in erster Instanz vor einem deutschen Gericht verhandelt. Die Rechtsschutzversicherung hilft dabei, die Kosten für die Betroffenen im Rahmen zu halten. Generell gibt es Rechtsschutz in den vier Bereichen Verkehr, Privat, Arbeit und Wohnen. Obwohl der Rechtsschutz keine Pflichtversicherung ist, hat jeder zweite Haushalt in Deutschland eine Police.

Ist der Berufsrechtsschutz automatisch in diesem Paket dabei?
Nein, alle Bereiche können einzeln abgeschlossen werden. Es gilt das Baukastenprinzip. Wem jetzt die Kündigung droht, muss somit darauf achten, dass der Bereich Arbeits- oder Berufsrechtsschutz eingeschlossen ist. Dann kommt die Versicherung grundsätzlich für Anwalts- und Gerichtskosten auf.

Auf Anwaltsseite werden allerdings nur die Kosten nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) übernommen. Dabei handelt es sich um eine Art Mindestlohn für Anwälte. Anwaltliche Koryphäen verlangen mehr und rechnen in der Regel ein Stundenhonorar ab. Die Differenz zum RVG-Satz müsste der Kläger dann selbst übernehmen.

Neuverträge mit Wartefrist

Welche Fristen sind zu beachten?
Wie bei vielen anderen Versicherungen gilt: erst Abschluss, dann Leistung. Wem also bereits eine juristische Auseinandersetzung droht, dem nützt der Vertragsabschluss in diesem Fall nichts mehr. Die meisten Versicherer vereinbaren sogar eine Wartezeit von zwei bis drei Monaten nach dem Abschluss bis zum ersten Rechtsstreit. Bei bestehenden Policen gibt es häufig ein Sonderkündigungsrecht des Versicherers, sollte ein Kunde in zu viele Verfahren verstrickt sein. Die Faustregel liegt hier bei zwei Fällen in zwölf Monaten.

Wie hoch sind die Kosten einer Rechtsschutzversicherung?
Policen mit allen vier Bausteinen Privat, Verkehr, Beruf und Wohnen gibt es bereits für 200 bis 300 Euro im Jahr. Das allerdings nur, wenn der Kunde über Jahre hinweg die Versicherung nie in Anspruch nimmt. Ansonsten können die Kosten schnell steigen. Gewöhnlich gilt dabei ein Selbstbehalt von 250 Euro im Schadensfall.

Auch hängt die Prämie ähnlich wie bei der Kfz-Versicherung vom Wohnort ab. Wo viel geklagt wird, sind die Kosten höher. „Rechtsschutz ist nicht generell günstig“, heißt es bei der Stiftung Warentest, die im April erst wieder Tarife für Nichtselbstständige getestet hat. 21 von 53 Tarifen schnitten demnach mit dem Urteil „gut“ ab.

Welche Auseinandersetzungen deckt die Berufsrechtsschutzversicherung ab?
Die Themen sind vielschichtig und drehen sich nicht nur um eine mögliche Kündigung, sondern auch um die Anerkennung von Berufskrankheiten oder um Erwerbsminderung. Insgesamt können all diese Themenbereiche den Versicherten im Extremfall jedoch in eine existenzbedrohende Lage bringen.

Welchen Service gibt es für Nichtversicherte?
Die meisten Anbieter beraten in einem Erstgespräch auch Nichtkunden. Wer hiervon profitiert hat, überlegt womöglich für künftige Fälle, eine Versicherung abzuschließen.

Kann ein laufender Vertrag verändert werden?
Ja, weil sich auch die Lebensumstände verändern. Wer in Rente geht, braucht keinen Arbeitsrechtsschutz mehr. Ebenso können sich Kunden ohne Auto den Baustein Verkehrsrechtsschutz sparen.

Kein Anwaltszwang

Welche Rechte hat ein Arbeitnehmer, sollte ihm jetzt die Kündigung drohen?
Wer eine Kündigung erhält, kann innerhalb von drei Wochen Klage beim Arbeitsgericht einreichen. Ansonsten ist die Kündigung rechtskräftig. Eine nachträgliche Klagezulassung ist zwar möglich, beispielsweise bei Krankheit. Die Hürden dafür sind aber hoch.

Wie sollte er dabei vorgehen?
Generell gibt es bei Prozessen am Arbeitsgericht in der ersten Instanz keinen Anwaltszwang. Als Service bietet das Gericht die sogenannte Rechtsanwaltsstelle, an der die Klage aufgenommen und in Form gebracht wird. Wichtig ist anschließend die Unterschrift des Klägers.

Wie sieht es mit den Gerichtskosten aus, wenn der Prozess verloren wird?
Die Rechtsschutzversicherung übernimmt auch dann die Kosten. Die sind am Arbeitsgericht gewöhnlich auch nicht sehr hoch, da häufig keine Zeugeneinvernehmungen durchgeführt werden und lediglich Portokosten anfallen. Anders als in anderen Bereichen vor Gericht müssen bei einem verlorenen Prozess zumindest in der ersten Instanz nicht die Kosten der Gegenseite übernommen werden. In jeder weiteren Instanz dann aber schon. „Deswegen klagen viele Arbeitnehmer in erster Instanz auch dann, wenn die Klage aussichtslos erscheint“, so die Erfahrung von Philipp Byers von der britischen Kanzlei Watson, Farley & Williams. Der erfahrene Münchener Arbeitsrechtler vertritt in der Regel die Unternehmensseite bis hin zu Großkonzernen.

Was ist der Unterschied zwischen einem Aufhebungsvertrag und einer Kündigung?
Bei einer ordentlichen Kündigung handelt es sich um ein einseitiges Vorgehen des Arbeitgebers. Dagegen kann sich der Arbeitnehmer mit einer Kündigungsschutzklage wehren. Das ist in den überwiegenden Fällen die Regel. Ein Aufhebungsvertrag ist dagegen ein einvernehmliches Rechtsgeschäft, das ohne arbeitsgerichtliche Auseinandersetzung endet. Festgelegt ist ein Stichtag des Ausscheidens, auch Dinge wie die Benutzung des Dienstwagens bis dorthin oder ein Anrecht auf einen Bonus sind dort enthalten. „Ein guter Aufhebungsvertrag ist derjenige, der alles abschließend regelt“, so Philipp Byers.

Wie unterscheidet sich eine fristlose Kündigung von einer ordentlichen Kündigung?
Bei einer ordentlichen Kündigung wird die vertraglich vereinbarte Kündigungsfrist eingehalten. Eine fristlose Kündigung ist gewöhnlich die Folge eines groben Vertrauensverlusts des Arbeitgebers zum Arbeitnehmer. Ein Beispiel dafür ist der Griff in die Kasse. Bei einer fristlosen Kündigung muss der Arbeitnehmer sofort gehen und bekommt ab da auch kein Geld mehr.

Rechte im Kündigungsfall

Welche Rechte hat er durch lange Betriebszugehörigkeit, Kinder, die Lebenssituation, aber auch durch die Mitgliedschaft in einer Gewerkschaft?
Gewerkschaftsmitglieder dürfen im Falle einer Kündigungswelle weder bevorzugt noch benachteiligt werden. Sie haben jedoch das Anrecht auf juristische Unterstützung durch die Gewerkschaft.

„Soziale Kriterien wie Betriebszugehörigkeit, Alter, unterhaltspflichtige Kinder oder Schwerbehinderung spielen bei betriebsbedingten Kündigungen eine sehr große Rolle“, sagt Byers. Generell müssen bei fachlich gleicher Eignung sowie gleicher hierarchischer Ebene diejenigen gehen, die am wenigsten sozial schutzbedürftig sind. Häufig wird dabei ein Punktesystem eingesetzt.

Was ist bei einer Trennung an Abfindung möglich, und wie berechnet sich diese?
Rein juristisch muss bei Kündigung keine Abfindung gezahlt werden. In der Praxis ist es aber meist so, dass ein Arbeitgeber kein Interesse mehr an der Fortführung des Arbeitsverhältnisses hat. Um dann den zeitlichen Aufwand einer gerichtlichen Auseinandersetzung zu vermeiden, wird in den meisten Fällen ein Vergleich geschlossen, der eine Abfindung beinhaltet.

Zu einem Aufhebungsvertrag gehört die Abfindung zwar ebenfalls nicht automatisch. Jedoch dürfte sich in der Praxis kein Arbeitnehmer zu einer Aufhebung ohne Abfindung bereit erklären. „Die Höhe der Abfindung hängt unter anderem von den äußeren Umständen, den Erfolgsaussichten einer wirksamen Kündigung und der wirtschaftlichen Potenz des Unternehmens ab, aber auch vom Verhandlungsgeschick beider Seiten“, so Byers. Als Faustregel für die Höhe gilt die Höhe des Monatsgehalts mal den Jahren der Betriebszugehörigkeit mal dem Faktor 0,5.

Welche Besonderheiten gibt es dabei?
Mit dem Begriff „Lästigkeitsabfindung“ bezeichnen Juristen ein pragmatisches Vorgehen des Arbeitgebers, der einem „lästigen“ Mitarbeiter ein besonders gutes Abfindungsangebot unterbreitet, um das Arbeitsverhältnis ohne weitere Auseinandersetzungen zu beenden. Eine sogenannte „Sprinterprämie“ bieten Arbeitgeber häufig dann, wenn ein größerer Personalabbau ansteht und er sich eine Vielzahl von Klagen ersparen will.

Solche Angebote sind in der Regel finanziell attraktiv und haben eine zeitlich begrenzte Laufzeit. Der Arbeitnehmer soll sich so schnell entscheiden, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, so die Intuition des Arbeitgebers. „Oftmals melden sich dann aber auch diejenigen, die dort gar nicht mehr arbeiten wollen und die eine Trennung finanziell nicht besonders hart treffen würde“, beobachtet Philipp Byers. Auf Führungsebene kommen solche Angebote zum Einsatz, um sich ohne große Öffentlichkeit still und geräuschlos zu trennen.