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„Ich rechne mit 32.000 Punkten“ – Wieso Asset-Manager Jens Wilhelm optimistisch auf die Zukunft des Dax blickt

An Aktien führt im Leben von Jens Wilhelm kein Weg vorbei. Entdeckt hat der Vorstand von Union Asset Management das Wertpapier schon als Schüler beim Planspiel Börse – und ganz losgelassen hat ihn das Thema nie mehr. Heute gehört Wilhelm dem Präsidium des Deutschen Aktieninstituts als Mitglied an. Auch seine zwei Kinder besitzen bereits einen Aktiensparplan.

Herr Wilhelm, der Dax wird 30 Jahre alt. Welche Bedeutung hat heute der Aktienindex, der 30 deutsche Topkonzerne umfasst, darunter klangvolle Namen wie das Softwarehaus SAP oder der Mischkonzern Siemens? Macht er in heutigen, global geprägten Zeiten überhaupt noch Sinn?
In jedem Fall. Anleger können auf diese Weise in einem Index investiert sein, dessen Unternehmen sie kennen. Gleichzeitig sind alle Konzerne international aufgestellt. Anleger kaufen mit dem Heimatindex eine Eintrittskarte in die Weltwirtschaft ohne Währungsrisiko.

Aber ist er nicht als Performanceindex, der Dividenden einschließt, ein besonderes Konstrukt, wenn alle Welt sich an Kursindizes ausrichtet?
Eigentlich ist ein Performanceindex besser. Er lässt sich leichter mit anderen Investmentmöglichkeiten vergleichen. Das einzige Manko: Weltweit herrschen Kursindizes vor.

Wäre nicht der Euro-Stoxx-50-Index mit seinen europäischen Werten der bessere Index?
Natürlich lassen sich Portfolios auch breiter aufstellen. Im konjunkturlastigen Dax fehlt es an großen Technologiekonzernen neben dem Softwarekonzern SAP. Da muss in Deutschland etwas passieren, sonst wird die Industrie zwischen den Technologieriesen aus den USA und China zerrieben.

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Wann hatten Sie das erste Mal mit dem Eliteindex zu tun?
Ziemlich am Anfang meiner beruflichen Laufbahn. Meine Lehre bei der Bank für Gemeinwirtschaft beendete ich 1987, da gab es noch den „FAZ“-Aktienindex als wichtigstes Börsenbarometer. Danach hat sich der Dax mit seiner Familie der Unterindizes recht schnell breitgemacht. Es wurden Derivate auf den Index gehandelt, er setzte sich durch.

Für welche Aktie haben Sie sich damals begeistert?
Meine erste Aktie war Bayer. Aber schon während meiner Gymnasialzeit habe ich beim Planspiel Börse, dem Börsenspiel der Sparkassen, mitgemacht. Das war mein eigentlicher Einstieg. Damals begann ich mich für die Aktie, die Börse zu interessieren.

Was war Ihr größter Erfolg im Dax?
Gleich zum Start ins Berufsleben als Fondsmanager habe ich die Boomjahre im Dax 1993 und 1997 mit einem Kursanstieg von über 40 Prozent erlebt. Das war sensationell und hat viele in die Aktie gelockt. Damals kamen die Mischfonds in Mode. Vorher hatten sich die privaten Anleger nur für Anleihen interessiert. Auch mich prägte die Zeit.

Welche Aktien haben Sie damals genauer beobachtet?
Ich habe mit einem Fonds für französische Aktien begonnen. Nach meinem Studium in Frankreich konnte ich gut mit Vorstandschefs bei unseren Nachbarn in ihrer Heimatsprache reden. Unter Aufsicht eines erfahrenen Kollegen habe ich damals den DIT Frankreich, einen Fonds der Dresdner Bank, von einer Kollegin übernommen, die in Elternzeit gegangen ist.

Gab es einzelne Top-Aktien, an die Sie sich noch erinnern?
Die Einzelhandelskette Carrefour startete ihre globale Expansion, und der Medienkonzern Vivendi war ebenfalls gefragt.

Kommen wir zurück zum Dax, auf welches Ereignis hätten Sie gut verzichten können?
Das Platzen der Dotcom-Blase traf uns hart. Und die Enttäuschung der Anleger mit der Aktie der Deutschen Telekom, der T-Aktie. Das habe ich alles live miterlebt. Wenn Sie Kunden erklären müssen, wie es so weit kommen konnte, ist das ein einschneidendes Erlebnis. Ohnehin hat mich die T-Aktie auch selbst als Aktionär getroffen.

Wirkt der Absturz der T-Aktie heute noch nach?

Ja, die Anleger haben ein Elefantengedächtnis, obwohl sie in anderen Anlageformen viel risikobereiter sind. Denken Sie nur an Investments in Containerschiffe. Da helfen nur Aufklärung und Erfahrung. Wer dem Dax seit damals die Treue gehalten hat, hat nichts falsch gemacht.

Wo haben Sie als Verbraucher Produkte von Dax-Unternehmen in Ihrem Haushalt?
Ich bin privat Abnehmer vieler Produkte. Ich fahre einen BMW. Es geht weiter über Pflegeprodukte von Beiersdorf, bis hin zum Fliegen mit der Lufthansa. Die Deutsche Post kommt natürlich ebenso vor wie das Telefonieren mit der Deutschen Telekom. Einfach überall ist der Dax drin.

Und Ihre Kinder haben alle einen Aktiensparplan?
Selbstverständlich, hundert Prozent Aktien.

Welche Hauptversammlung von einem Dax-Unternehmen werden Sie nie vergessen?
Während meiner Banklehre habe ich erstmals meine Stimmrechte ausgeübt und bin 1986 zur Bayer-Hauptversammlung in die Kölner Messehalle gefahren. Als Auszubildender hat mich das stark beeindruckt, mitten unter den Menschenmassen in dieser riesigen Halle zu sein, wo man das Management auf dem Podium kaum sehen konnte. Es war so viel Bewegung in der Hauptversammlung, dass kaum zu verstehen war, was vorne geredet wurde. Viele waren vor allem auf der Suche nach Geschenken und einem leckeren Essen.

Weg vom Essen, worauf achten Sie beim Aktienkauf?
Das Geschäftsmodell muss stimmen. Außerdem achte ich auf gute Unternehmensführung, ein Thema, das uns aktuell auch in Deutschland beschäftigt. Sie hat entscheidenden Einfluss auf die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen. Schauen Sie sich die Autoindustrie oder den Finanzsektor an. Wären diese Konzerne besser geführt, dann hätten wir ein anderes Kursniveau im Dax.

Der Dax befindet sich mehrheitlich in der Hand ausländischer Aktionäre, ist das ein Problem?
Dass es so eine hohe Abhängigkeit von ausländischen Aktionären in Deutschland gibt, ist nicht gut für unsere Volkswirtschaft. Eigentlich müsste mehr Investitionskapital aus der Heimat kommen. Wir benötigen einen Kapitalmarkt, der aus sich heraus stark ist. Eine Reform der Altersvorsorge könnte das zum großen Teil beheben. Hier sollte die Politik der Aktie zu einer wichtigeren Rolle verhelfen, etwa durch steuerliche Förderung. So ein politisches Bekenntnis zur Aktie braucht man, um dem Dax langfristig den nötigen Rückenwind zu geben.

Was würde das bewirken?
Es würde die starke Abhängigkeit von den Ausländern im Dax verringern. Auf diese Weise könnte der Finanzierungsbedarf der Unternehmen leichter gedeckt werden. Gleichzeitig würden die Deutschen am Kapitalstock der Volkswirtschaft beteiligt. Im Schnitt erzielten Anleger in den 30 Jahren, in denen es den Dax gibt, eine Ertragsentwicklung von fast zehn Prozent, durch alle Krisen hindurch.

Werden wir zweistellige Renditen auch in den nächsten 20 Jahren sehen?
Das glaube ich nicht. Aber ich rechne zum 50. Geburtstag des Dax mit einem Stand von 32.000 Punkten. Das wären circa fünf Prozent pro Jahr, was ich für realistisch halte.

Das klingt nicht nach besonders viel?
Das halte ich auch angesichts des Niedrigzinsumfeldes für sehr ordentlich.

Also den Dax nicht verkaufen?
Für den langfristigen Investor war das im Rückblick immer ein Fehler. Das gilt auch heute. Die Welt wird nicht aufhören, Handel zu treiben, die Unternehmen werden weiter Gewinne erzielen, und Anleger werden weiter Aktien kaufen.

Was sind für Sie aktuell die größten Risiken?
Systemische Risiken für die Finanzwelt wie die Lehman-Krise sehe ich keine. Aber mit Trump ändert sich das Kooperationsmodell der Weltwirtschaft. Das trifft Freihandel und Globalisierung, die Garanten für steigenden Wohlstand sind. Wir werden hier künftig Abstriche machen müssen.

Wie hoch liegt die Risikoprämie für die Märkte, und was bedeutet das für das Wirtschaftswachstum?
Nach mehreren guten Jahren droht sich das Wachstum weltweit abzuschwächen. Ausnahme sind die USA, die wohl noch zwei weitere Jahre lang von den beschlossenen Steuersenkungen profitieren werden.

Haben sich die Märkte an die Kapriolen von Trump gewöhnt?
Daran kann man sich nicht gewöhnen. Zurzeit erwarten die Märkte noch, dass Trump eher ein Dealmaker ist, der es am Ende nicht zu einem großen Handelskrieg kommen lassen wird.

Ein anderes großes Problem ist die Verschuldung Europas, wie sich am Beispiel Italiens zeigt. Kann sich das so hochschaukeln, wie wir das bei Griechenland im Jahr 2011 erlebt haben?
Wenn alle einen kühlen Kopf bewahren, dann nicht. Die Schuldentragfähigkeit von Italien, aber auch von Griechenland steht nicht infrage angesichts der Wirtschaftsentwicklung, des Zinsniveaus und der Verschuldungsstruktur. Eine Gefahr bestünde allerdings, wenn nationale Alleingänge den Zusammenhalt in Europa nachhaltig bedrohen.

Aber Italiens Politik will die Ausgaben künftig steigern …
Zuletzt gab es Äußerungen von Kanzlerin Angela Merkel zur Jugendarbeitslosigkeit in Italien, die Italien einen erhöhten Budgetbedarf zusprechen. Bleibt es allerdings bei den ursprünglichen Plänen der italienischen Regierung, dann würde die Verschuldung der Nachbarn 2019 von drei auf sieben Prozent pro Jahr hochschnellen. Das wird niemand in Europa akzeptieren können, und auch die Kapitalmärkte würden entsprechend reagieren.

Also herrscht insgesamt Unsicherheit?
Das stimmt und droht Investitionsentscheidungen von Unternehmen negativ zu beeinflussen. Es geht hier nicht nur um Trump und Italien. Hinzu kommt auch noch die bestehende Unsicherheit rund um den Brexit.

Was heißt das alles für den Dax bis Jahresende?
Da bin ich gar nicht so pessimistisch, da wir in diesem Jahr noch von der amerikanischen Konjunkturlokomotive profitieren. Den Dax erwarte ich zum Jahresende bei 13.000 Punkten. Bis jetzt steckt der Markt alle Turbulenzen relativ gut weg.

Herr Wilhelm, vielen Dank für das Interview.