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Rüstungsindustrie fühlt sich diskriminiert und fürchtet um Zugang zu Finanzmärkten

Die Verteidigungsindustrie steht den vorgeschlagenen neuen Regeln der Deutschen Börse kritisch gegenüber. Auch der Trend zu nachhaltigen Investments diskriminiere die Branche.

Wenn die Reform durchgesetzt wird, würde Airbus aus dem MDax ausgeschlossen. Das Unternehmen erzielt mit seiner Rüstungssparte „Defence   &   Space“, die unter anderem den Eurofighter herstellt, mehr als zehn Prozent seines Umsatzes. Foto: dpa
Wenn die Reform durchgesetzt wird, würde Airbus aus dem MDax ausgeschlossen. Das Unternehmen erzielt mit seiner Rüstungssparte „Defence & Space“, die unter anderem den Eurofighter herstellt, mehr als zehn Prozent seines Umsatzes. Foto: dpa

Die Rüstungsindustrie fürchtet um ihren Zugang zu den Finanzmärkten. „Für uns ist es unverständlich, dass Unternehmen, die im öffentlichen Auftrag und in vollem Einklang mit geltendem internationalem Recht agieren, den Zugang zu Dax-Indizes verlieren sollen“, sagt Hans-Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer des Rüstungsindustrieverbandes BDSV.

Anlass seiner Beschwerde sind Vorschläge der Deutschen Börse, mit der Dax-Reform erweiterte Qualitätskriterien für börsennotierte Unternehmen in allen Dax-Indizes festzulegen.

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Neben dem Nachweis der Profitabilität, der pünktlichen Vorlage von Quartalsberichten und dem Nachweis eines Prüfungsausschusses im Aufsichtsrat sollen nach der Reform Waffenproduzenten als einzige Branche von der Aufnahme in den Dax ausgeschlossen werden. Konkret soll dies für Firmen „mit Umsätzen von mehr als zehn Prozent mit kontroversen Waffen“ gelten.

Sind alle Waffengeschäfte unmoralisch?

Das hat Konsequenzen: Wenn diese Regel durchgesetzt wird, würde Airbus aus dem MDax ausgeschlossen. Das Unternehmen erzielt mit seiner Rüstungssparte „Defence & Space“, die unter anderem den Eurofighter herstellt, mehr als zehn Prozent seines Umsatzes. Ohne diese Regel wäre Airbus sogar dabei, wenn der Dax 30 mit der Reform auf 40 Unternehmen vergrößert würde.

Atzpodien findet das Dax-Ausschlusskriterium für die Rüstungsindustrie willkürlich gewählt. Die Klausel orientiere sich nicht an den Standards des internationalen Rechts. „Das Ziel Sicherheit hat Verfassungsrang“, so Atzpodien. „Was soll unmoralisch daran sein, Waffen für die Polizei und die Bundeswehr und entsprechende Kunden in EU, Nato und anderen vergleichbaren Ländern herzustellen?“

Der von der Börse gewählte deutsche Begriff „kontroverse Waffen“ sei unscharf – anders als in den USA und Großbritannien. Dort seien mit „controversial weapons“ klar jene Waffen definiert, die unter ein UN-Embargo fallen, zum Beispiel Chemiewaffen und Streumunition.

Deutsche Börse legt neue Dax-Regeln am 24. November fest

„Mit derartigen ,controversial weapons‘ wollen auch wir als deutsche Rüstungsindustrie nichts zu tun haben“, sagte Atzpodien dem Handelsblatt. Kampfflugzeuge, Panzer, Marineschiffe und Gewehre, die in Deutschland produziert werden, seien damit in keiner Weise vergleichbar.

Wie genau ihre neuen Dax-Regeln aussehen sollen, will die Deutsche Börse am 24. November festlegen. Aktuell prüft sie Beschwerden gegen ihren Vorschlag vom 5. Oktober, darunter auch die des BDSV.

Atzpodien fürchtet zudem, dass Rüstungsfirmen auch über die neuen Börsenregeln hinaus an den Finanzmärkten diskriminiert werden könnten. Dazu trage der Trend zu nachhaltigen Investments bei. Dazu zählen Aktien von Unternehmen, die Kriterien für Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung (englisch abgekürzt ESG) einhalten.

„Unternehmen der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie setzen sich genauso mit Nachhaltigkeit auseinander wie Unternehmen anderer Branchen“, sagt Atzpodien. Sein Verband wolle erreichen, dass Sicherheit als Grundlage der Nachhaltigkeit anerkannt werde.

„Sicherheit lässt sich nur aufrechterhalten, wenn die Sicherheitsorgane entsprechend ausgerüstet sind“, sagt er. „Waffen für diesen Zweck sind also nicht nur mit Nachhaltigkeit vereinbar, sie tragen dazu bei, sie zu ermöglichen“, argumentiert Atzpodien. Es gehe schließlich um die Ausrüstung von Polizei und Bundeswehr, also „staatliche Organe mit Verantwortung für unsere innere und äußere Sicherheit“, betont er.

Bundesfinanzministerium in der Kritik

Besonders kritisiert Atzpodien auch die „Grünen Anleihen Bund“, für die das Bundesfinanzministerium Ausschlusskriterien definiert hat. Nicht als „grün“ anerkannt werden demnach Wertpapiere aus den Sektoren Rüstung, Verteidigung, Tabak, Alkohol, Glücksspiel und auf fossilen Energien oder Atomkraft beruhende Energieerzeugung.

„De facto werden damit Rüstung und Verteidigung pauschal als nicht nachhaltige Staatsausgaben eingestuft und in eine Reihe mit Tabak und Glücksspiel gestellt“, kritisiert Atzpodien.

Schwierig sei auch, dass private grüne Ratingagenturen nach teilweise intransparenten Kriterien beurteilten, was nachhaltig sei. „Staatliche Entscheidungen oder legitime politische Ziele der Regierung werden dabei kaum berücksichtigt“, sagt er. Außerdem gebe es Finanzinstitute, die pauschal keine Rüstungsexporte im Portfolio haben wollten, „auch wenn es um solche geht, die die Bundesregierung aus guten außen- und sicherheitspolitischen Gründen genehmigt hat“.

Deutsches Aktieninstitut unterstützt Rüstungsindustrie

Mit ihren Argumenten steht die Rüstungsindustrie nicht alleine da. Sie wird zum Beispiel unterstützt vom Deutschen Aktieninstitut (DAI), das als Lobbyverband 85 Prozent der Marktkapitalisierung deutscher börsennotierter Aktiengesellschaften vertritt.

„Die Dax-Familie soll den Anlegern und anderen Interessenten eine konzentrierte Information über die Entwicklung des gesamten Aktienmarktes geben“, heißt es in der DAI-Stellungnahme zu den geplanten Qualitätskriterien der Deutschen Börse: „Dazu gehört es nicht, die Geschäftsmodelle der Indexmitglieder vor dem Hintergrund gesellschaftspolitischer Debatten zu bewerten und gegebenenfalls auszuschließen.“

Das sei die Aufgabe des Gesetzgebers, der in diesem Fall unter anderem mit dem Kriegswaffenkontrollgesetz entsprechende Regelungen erlassen habe. „Daher lehnen wir die Einführung von ESG-Kriterien als ein Auswahlkriterium für die Aufnahme in die Dax-Indexfamilie grundsätzlich ab“, so das DAI. Für diese Kriterien seien „explizite ESG-Indizes der richtige Ort“, etwa der kürzlich aufgelegte Dax 50 ESG.

Diskussion über ethische Akzeptanz

Ähnlich äußert sich der Deutsche Investor Relations Verband (DIRK), der 90 Prozent des börsengelisteten Kapitals in Deutschland repräsentiert: „Der Begriff ‚umstrittene Waffen‘ legt nahe, dass damit Meinungen oder Ermessensentscheidungen als Grundlage für die Aufnahme von Unternehmen in die Dax-Indices gelten sollen“, heißt es in der DIRK-Stellungnahme. Dies widerspreche dem erklärten Ziel, nur klar messbare Kriterien festzulegen. Ohne Not werde eine Diskussion über die ethische Akzeptanz einzelner Geschäftsmodelle provoziert, kritisiert der Verband.

Dieser Argumentation widerspricht allerdings die Fondsgesellschaft Amundi auf Anfrage des Handelsblatts. Sie begrüße explizit, dass Unternehmen, die mit umstrittenen Waffen handeln, aus den Indizes der Dax-Familie ausgeschlossen werden sollen: Dies spiegele die „Kernüberzeugung“ von Amundi und seiner Kunden wider.

Atzpodien fürchtet zudem, dass Rüstungsfirmen auch über die neuen Börsenregeln hinaus an den Finanzmärkten diskriminiert werden könnten. Foto: dpa
Atzpodien fürchtet zudem, dass Rüstungsfirmen auch über die neuen Börsenregeln hinaus an den Finanzmärkten diskriminiert werden könnten. Foto: dpa