Werbung
Deutsche Märkte öffnen in 5 Stunden 22 Minuten
  • Nikkei 225

    37.893,61
    -566,47 (-1,47%)
     
  • Dow Jones 30

    38.460,92
    -42,77 (-0,11%)
     
  • Bitcoin EUR

    60.284,96
    -2.038,72 (-3,27%)
     
  • CMC Crypto 200

    1.393,71
    -30,39 (-2,13%)
     
  • Nasdaq Compositive

    15.712,75
    +16,11 (+0,10%)
     
  • S&P 500

    5.071,63
    +1,08 (+0,02%)
     

Rüdiger Grube wirft hin – wie geht's weiter?

Was ist passiert?

Bahnchef Rüdiger Grube hat am Montag überraschend seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Es gab Streit um die Vertragsverlängerung. Grube wollte drei Jahre lang weitermachen. Das sei ihm vom Aufsichtsrat versprochen worden, behauptet Grube. Im Gegenzug habe er auf eine Gehaltserhöhung und eine Abfindung im Falle eines vorzeitigen Abgangs verzichtet. Doch in der Aufsichtsratssitzung des Staatskonzerns am Montag habe man ihm dann aber doch nur zwei weitere Jahre als Vorstandschef geben wollen, hieß es.

Was bedeutet der Schritt?

Grubes Rückzug kommt unerwartet und trifft das Unternehmen in einer schwierigen Phase. So richtig zufrieden war der Aufsichtsrat zwar nie mit der Leistung des Bahnchefs. Allerdings hat Grube vor einem Jahr ein wichtiges Reformprogramm angestoßen. Die Kontrolleure (und viele Experten außerhalb des Bahnkonzerns) halten die darin definierten Maßnahmen für richtig, um den Konzern wieder auf die Erfolgsspur zu bringen.

WERBUNG

So sollen etwa die Prozesse an den Bahnhöfen verbessert werden. Außerdem investiert das Unternehmen viel Geld in die Sauberkeit und technische Verlässlichkeit der Züge. Grube wollte für all die Maßnahmen die Gesamtverantwortung übernehmen. Er selbst ging davon aus, dafür drei Jahre lang Zeit zu bekommen. Der Aufsichtsrat wollte ihm nur zwei Jahre extra geben. Nach Grubes sofortigem Rücktritt bleibt die Frage, wer seine Rolle übernehmen soll. Interimsmäßig übernimmt zunächst der Finanzvorstand Richard Lutz den Job des Vorstandsvorsitzenden.

Was sagen die Bahn-Vertreter?

Die Deutsche Bahn erklärt kurz und knapp: „Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn hat heute einstimmig der Bitte von Dr. Rüdiger Grube entsprochen, mit sofortiger Wirkung seine Bestellung zum DB-Vorstandsvorsitzenden aufzuheben und seinen laufenden Vertrag durch eine Auflösungsvereinbarung zu beenden.“ Die entsprechenden Ausstiegsmodalitäten würden nun mit Grube vereinbart. Der Aufsichtsratsvorsitzender Utz-Hellmuth Felcht würdigt die Leistung von Grube: „Herr Dr. Rüdiger Grube hat sich bleibende Verdienste erworben, gerade auch im Hinblick auf die Zukunftssicherung der DB. Die Digitalisierung der DB ist ebenso mit seinem Namen verbunden wie das Qualitätsprogramm ‚Zukunft Bahn‘.“

Gleichzeitig lassen sich aus den Botschaften aus dem Aufsichtsrat aber auch Wut und Enttäuschung herauslesen. Alexander Kirchner, der Vorsitzende der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG), sagt: "Wir nehmen die Entscheidung von Herrn Dr. Grube zur Kenntnis und danken ihm für sein Engagement. Nun gilt es, schnell einen geeigneten Nachfolger zu finden". Kirchner verzichtet also auf anerkennende Worte. Zuletzt war das Verhältnis zwischen ihm und Grube eigentlich ganz gut. Doch die Worte zeigen, dass sich Grube und Aufsichtsrat weit auseinander dividiert haben.

Wie geht es jetzt weiter?

Der Aufsichtsrat wird sich nun nach einem Nachfolger umschauen. Die endgültige Entscheidung wird aber wohl im Kanzleramt getroffen. Denn die Deutsche Bahn gehört zu hundert Prozent dem Staat. Aus diesem Grund dürfte der frühere Kanzleramtschef Ronald Pofalla die besten Chancen haben, die Nachfolge anzutreten. Eigentlich halten einigen Aufsichtsräte Pofalla noch nicht für ausreichend qualifiziert für den Chefposten. Vor allem mangele es ihm an operativer Erfahrung. Erst im Januar hat er den Bereich Infrastruktur übernommen.

Gleichzeitig gibt es aber auch Unterstützung für Pofalla im Aufsichtsrat. Nach dem Rückgang von Ex-Vize-Chef Volker Kefer, den viele Kontrolleure als eigentlichen Nachfolger von Grube sahen, hatte Pofalla die Aufgaben teilweise übernommen. Er habe „einen ganz guten Job“ gemacht, sagt ein Aufsichtsrat. Außerdem dürfte er die Unterstützung der Kanzlerin haben.

Allerdings meldet auch die SPD ein Mitspracherecht an. Über die Besetzung des Postens werde in der Koalition entschieden, sagte der designierte SPD-Chef und Kanzlerkandidat Martin Schulz am Montag vor Journalisten. Die Koordinierung der Gespräche in dem Regierungsbündnis betreibe nach wie vor Vizekanzler Sigmar Gabriel, aber in enger Abstimmung mit ihm als designiertem Nachfolger für den Parteivorsitz. Die SPD ist bekanntermaßen kein Freund von CDU-Politiker Pofalla.


Grubes gemischte Bilanz bei der Bahn

Der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, Sören Bartol, sagte zum Rücktritt von Grube: „Wir müssen uns jetzt in Ruhe in der Koalition zusammensetzen und schauen, wer die Deutsche Bahn als Vorsitzender des Vorstands am besten in die Zukunft führen kann. Da gibt es niemanden, der sich sofort aufdrängt.“ Es müsse jemand sein, der Schienenverkehr zu bezahlbaren Preisen in Deutschland organisieren kann und dabei Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit zum Markenzeichen der Deutschen Bahn macht.

Wäre Pofalla ein guter Bahnchef?

Pofalla hat sich relativ schnell und gut in die Konzernwelt eingefunden. Anfangs gab es viel Kritik an der Personalie. Pofalla, ein Duz-Freund von Grube, übernahm die Lobby-Abteilung des Konzerns. Es gab und gibt eine gefährliche Nähe zwischen dem Unternehmen Bahn und dem Kanzleramt. Doch Pofalla konnte viele Kritiker im Konzern überzeugen. Gleichzeitig hat er weiterhin seine guten Kontakte genutzt. So gab die Bundesregierung im Herbst 2016 bekannt, der Bahn in den nächsten fünf Jahren eine Finanzspritze in Höhe von 2,7 Milliarden Euro zukommen zu lassen. Unter anderem verzichtet der Bund auf Dividendenzahlungen. Pofalla hatte an dieser Entscheidung maßgeblichen Anteil.

Für die Bahn als Unternehmen ist das natürlich eine gute Botschaft. Andererseits droht der Konzern weiterhin ein sehr politisches Unternehmen zu bleiben. Das kritisieren auch einige Leute im Aufsichtsrat. Wenn die finanziellen Beiträge des Staates wichtiger werden als die operativen Erfolge des Unternehmens, dann wäre es nicht gut um die Zukunft der Bahn bestellt.

Gibt es weitere Kandidaten?

Andreas Meyer ist Chef der Schweizer Bundesbahnen (SBB) und als solcher war er schon 2009 ein heißer Kandidat auf den Job der Deutschen Bahn. Meyer arbeitete sogar bereits von 1997 bis 2006 in verschiedenen Positionen für die Deutsche Bahn, etwa als damaliger kaufmännischer Leiter von DB Energie und Chef von DB Stadtverkehr. Meyer hat vor allem die richtigen Antworten für den Güterverkehr auf der Schiene gefunden. Er wäre sicherlich jemand, der Unterstützung von der SPD bekäme.

Möglich wäre auch ein Comeback des früheren Konzern-Vize-Chefs Volker Kefer. Kefer hat viele Unterstützer im Aufsichtsrat und er gilt als Ideengeber des Reformprogramms „Zukunft Bahn“. Allerdings wäre ein solches Comeback sehr ungewöhnlich und darüber hinaus gibt es Kritik an seinem Führungsstil.

Wie fällt Grubes Bilanz aus?

Gemischt. Unzweifelhaft hat Grube die Deutsche Bahn sympathischer gemacht. Das lag auch an seiner sehr persönlichen und nahbaren Art. Grube war ein Mann des direkten Gesprächs. Er hat keine Veranstaltung gescheut, auf der er in Kontakt mit Bürgern, Wettbewerbern und Mitarbeitern kam. Er hat Kunden persönlich angerufen, wenn es sein musste. Und im Bahntower galt Grube als jemand, der das Gespräch mit Mitarbeitern suchte.

Unternehmerisch ist die Bilanz weniger erfolgreich. Vor allem die Güterbahn ist seit Jahren im Krisenmodus – mit hohen Verlusten und unpünktlichen Zügen. Grube hat auf die Herausforderungen keine Antwort gefunden. Erst als eine Sonderabschreibung im Jahr 2015 den ersten Konzernverlust seit zwölf Jahren verursachte, hat Grube ein Reformprogramm eingeleitet. Die einzelnen Maßnahmen werden nun umgesetzt. Es gibt erste Hinweise, dass die Bahn 2016 besser geworden ist.

Die größte Kritik an Grubes Führungsstil ist, dass er die Verantwortung für eigene Fehler oft anderen Kollegen aufbürdete. Er selbst hat nie wirklich Verantwortung übernommen. Für das peinliche Stellwerksdrama in Mainz, der verkorksten Fernbusstrategie, der existenzbedrohenden Güterbahnkrise und beispielsweise den Problemen mit dem Bahnhof Stuttgart 21 mussten andere Manager den Hut nehmen. Gleichzeitig kassierte er viele seiner Ankündigungen nach kurzer Zeit wieder ein: etwa den Teilverkauf der Konzerntöchter Arriva und Schenker oder der Verdopplung des Umsatzziels bis 2020.