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Den Rückversicherer Munich Re zieht es in die Ferne

Doris Höpke ist eine Schlüsselfigur beim Konzernumbau. Sie setzt auf Internationalisierung – und kämpft im Wettbewerb um Mitarbeiter gegen BMW und Google.

Von Mitarbeiterzahlen im sechsstelligen Bereich wie bei anderen Dax-Konzernen ist die Munich Re weit entfernt. Gerade 12.000 waren es zuletzt im klassischen Kerngeschäft der Rückversicherung. Eher mit einem Mittelständler vergleicht Doris Höpke deshalb die Größe der Belegschaft beim weltgrößten Rückversicherer.

Seit mehr als zwei Jahren ist die 53-Jährige auch für die weltweite Personalarbeit im Geschäftsfeld Rückversicherung der Munich Re zuständig. Seit dem Jahr 2014 sitzt sie im Vorstand des weltgrößten Rückversicherers. Und ist damit zugleich eine der wichtigsten Verantwortlichen für den Umbauprozess geworden, den Vorstandschef Joachim Wenning bei seinem Amtsantritt im Frühjahr 2017 ausgerufen hat. „Profitabler, digitaler und schlanker“ sollte der Rückversicherer werden, lautete die Vorgabe. Oder anders formuliert: Mit weniger Aufwand sollte in der Zukunft mindestens das gleiche Ergebnis erreicht werden.

Für das Traditionshaus mit der mittlerweile 139-jährigen Geschichte ist das eine gewaltige Aufgabe. Zumal sich das Geschäft für die Rückversicherer auch regional sehr stark verschiebt. Ein Trend, der sich in den kommenden Jahren noch verstärken dürfte und deswegen nach mehr Personal in den entsprechenden Regionen verlangt. Zwar sind die USA noch immer der größte Rückversicherungsmarkt der Welt. Studien unter anderem vom Versicherungsmakler Willis Re gehen aber davon aus, dass die Versicherungsmärkte besonders in den Schwellenländern in den kommenden Jahren sehr stark wachsen werden. Dabei dürfte es zu einer Verschiebung des weltweiten Geschäfts von West nach Ost kommen.

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Dann soll auch der weltgrößte Rückversicherer vermehrt vor Ort präsent sein. „Wir sind noch immer sehr München-lastig“, gibt Doris Höpke im Gespräch mit dem Handelsblatt offen zu. Doch das ändere sich zunehmend. So werde das Asien-Geschäft inzwischen sehr viel stärker als in der Vergangenheit auch von dort aus gesteuert. Viele strukturelle Änderungen – vor allem in Singapur – seien von den dortigen Mitarbeitern entwickelt und umgesetzt worden. Nun richtet sich der Blick nach Indien. Ziel von Vorstandschef Wenning ist es, von diesem Wachstumsmarkt überdurchschnittlich stark zu profitieren. Bei der jüngsten Erneuerungsrunde kamen bereits ein Drittel des Neugeschäfts aus Indien und Japan.

Während die Preise in Japan vor allem wegen der starken Taifune im vergangenen Jahre zulegten, profitiert Indien von der großen Nachfrage nach Versicherungslösungen in der Landwirtschaft. Entsprechend verstärkt das Unternehmen seine Präsenz vor Ort. „Um in Indien erfolgreich zu sein, ist es gut, Experten vor Ort zu haben“, ist Höpke überzeugt.

Mehr Personal vor Ort

Gleiches gilt für die Märkte in Lateinamerika. Für die ist Doris Höpke neben der Personalverantwortung und den Märkten in Europa im Vorstand ebenfalls zuständig. Viele Wettbewerber betreuen den geografisch riesigen Markt von Miami aus. Munich Re hingegen hat teils seit Jahrzehnten schon Präsenzen in Brasilien, Kolumbien und Mexiko. Diese sollen weiter ausgebaut werden. „Wir wachsen dort personell und auch in neue Profile hinein“, gibt Höpke die Richtung vor. Entscheidend sei dabei, einerseits größtmögliche Kundennähe zu erreichen, andererseits das Mitarbeiter-Know-how sinnvoll zu bündeln. Für die hochanspruchsvollen Aufgaben brauche es allerdings auch eine kritische Masse an Geschäft, sonst könne das Personal nicht in jedem Teilmarkt sinnvoll vorgehalten werden.

Gerade Lateinamerika biete aber durch die allgegenwärtige Unterversicherung ein riesiges Potenzial. Zudem herrschten in der Region große politische Unsicherheiten, jeder Regierungswechsel werfe neue Fragen auf. Außerdem sei der Investitionsstau der Infrastruktur allgegenwärtig zu spüren. „Dort sind wichtige Märkte für Naturkatastrophen, aber auch für neue Konzepte“, weiß Doris Höpke. So tragen die Münchener in Mexiko beispielsweise gemeinsam mit der Regierung einen Pool zur Risikoabdeckung bei großen Schadenereignissen.

Doch nicht nur die Märkte und Regionen verändern sich, sondern auch die Art, wie Rückversicherer arbeiten. Speiste sich deren Expertise bislang vor allem aus der Rückschau – ausgewertet werden lange Zeitreihen versicherungsrelevanter Ereignisse –, so ist inzwischen nicht nur die verfügbare Datenmenge immens angestiegen, es haben auch die technischen Möglichkeiten der Analyse rasant zugenommen. Predictive Modelling, ein Prozess aus Wahrscheinlichkeitsrechnung und Datenfilterung, ist dabei inzwischen ein oft gehörter Begriff.

Neue Jobprofile sind deshalb nötig, aber auch andere Herangehensweisen, um gegen die Herausforderungen durch den Klimawandel oder neue Gefahren wie Cyberkriminalität und Pandemien gewappnet zu sein. In diese Bereiche will der Rückversicherer auch in Zukunft deutlich stärker investieren. „Sich vorzustellen, was noch nie passiert ist, ist ein Kern unseres Risikodenkens“, erläutert Doris Höpke. Die Risiken aus dem Cyberspace abzusichern gelinge schließlich nicht auf Basis von Statistiken vergangener Hackerangriffe. Das gehe nur, wenn man die Technologie und das Risiko richtig verstehe. Dafür brauche es neben Technologiepartnerschaften auch eigene Spezialisten.

„In der Vergangenheit hatten wir Statistiker und Mathematiker, die unsere Modelle gebaut haben. Jetzt brauchen wir Data Scientists und Data Engineers“, beschreibt die einzige Frau im neunköpfigen Vorstand des Rückversicherers den derzeitigen Veränderungsprozess. Die Munich Re hole sich diese Profile ins Unternehmen, um die Chancen etwa aus Machine Learning, neuronalen Netzwerken oder Künstlicher Intelligenz nutzen zu können. Alles Themen, zu denen Aktuare der alten Schule kaum Zugang haben.

Künftig sollen die alte und die neue Welt zusammenwachsen, lautet die Idealvorstellung der Personalchefin. In den vergangenen anderthalb Jahren hat der Rückversicherer rund 400 Stellen in den Bereichen Data und IT besetzt, Hunderte weitere sollen folgen. Die zehnfache Menge an Mitarbeitern – die meisten sind schon viele Jahre im Haus – bildet sich derzeit in der sogenannten Digital School intern weiter. Die Bandbreite an Anwendungsniveaus geht dabei vom einfachen Level bis hin „Black Belt“, einer Zertifizierung auf Universitätsniveau. „Wir ermutigen sehr, dass unsere Mitarbeiter diese Angebote nutzen“, sagt Doris Höpke.

Konkurrenz aus dem Dax

Auch extern suchen sie bei der Munich Re nach geeignetem Nachwuchs für die vielen neuen Aufgaben. Wohl wissend, dass allein in München sechs weitere Dax-Konzerne und die Europazentralen von Google und Microsoft genauso um Mitarbeiter mit ähnlichem Profil buhlen. Und dass jemand, der von der Hochschule kommt oder bereits als Professional unterwegs war, nicht als nächsten Schritt zuallererst die Munich Re in Erwägung zieht.

Gerade bei Datenspezialisten beobachten Experten gerade einen regelrechten Kampf um die klügsten Köpfe. „Wir müssen kreativ sein und Aufmerksamkeit auf uns lenken, sodass wir überhaupt auf dem Zettel der Kandidaten landen“, fordert Doris Höpke. Ziehe ein Bewerber die Munich Re erst einmal in Erwägung, dann habe man gute Chancen, ihn mit breit gefächerten Aufgaben, dem umfassenden Datenschatz und internationalen Perspektiven zu überzeugen.

Ein Strukturprogramm oder gar eine Entlassungswelle, wie sie derzeit quer durch alle Branchen geht, sind bei der Munich Re indes nicht geplant. Das Freiwilligenprogramm, mit dem man sich im vergangenen Jahr mit sehr auskömmlichen Abfindungen von 300 Mitarbeitern getrennt hat, soll eine einmalige Sache bleiben. „Wir haben keinerlei Pläne, das Programm in dieser oder ähnlicher Form zu wiederholen“, macht Doris Höpke noch einmal deutlich.

Sie selbst will auf alle Fälle auch in Zukunft nah am Tagesgeschäft bleiben. Den Bereich Human Ressources hat die gelernte Juristin, die einst zur europäischen Produktsicherheit promoviert hat, schließlich erst vor zwei Jahren übernommen. Davor war sie in mehr als zwei Jahrzehnten bei der Munich Re unter anderem für Innovationsteams zuständig, war für das Geschäft mit der Luft- und Raumfahrtindustrie verantwortlich und leitete die Außenstelle in Madrid. „Die Nähe zum Geschäft ist gerade für den Bereich Human Ressources besonders wichtig“, zeigt ihr die Erfahrung.